"Kannst du Moskau treffen?": Experten erklären brisantes Trump-Selenskyj-Telefonat

Ein Paukenschlag folgt auf den nächsten. US-Präsident Donald Trump hatte am Montag erklärt, dass die Vereinigten Staaten Patriot-Systeme an die Europäische Union verkaufen wollen. Diese sollen anschließend an die Ukraine geliefert werden. 

"Für uns wird das ein Geschäft sein, und wir werden ihnen Patriots senden, die sie dringend brauchen", sagte Trump vor Journalisten in den USA. Außerdem drohte er Russlands Verbündeten mit "sehr heftigen Zöllen", sollte der Kreml nicht innerhalb von 50 Tagen einem Abkommen für eine Waffenruhe in der Ukraine zustimmen.

Jetzt ist auch noch ein mutmaßliches Gespräch mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj an die Öffentlichkeit durchgesickert. Die "Financial Times" berichtete am Dienstag unter Berufung auf Insider von dem Telefonat.

Brisantes Telefonat zwischen Trump und Selenksyj geleaked

"Wolodymyr, kannst du Moskau treffen?... Kannst du auch St. Petersburg angreifen?", soll der US-Präsident gefragt haben. Der ukrainische Präsident habe geantwortet: "Auf jeden Fall. Das können wir, wenn du uns die Waffen gibst." Offenbar ging es um die Lieferung von US-Langstreckenraketen.

Trumps augenscheinliche Kehrtwende, was sein Agieren im Ukraine-Krieg betrifft, ist bemerkenswert. Was steckt hinter dem vermeintlichen Telefonat mit Selenskyj? Ein Plan? Unwissenheit? Und warum kommt es gerade jetzt an die Öffentlichkeit, nur kurz nachdem der US-Präsident eine 50-tägige Deadline aufgestellt und den Verkauf von Patriot-Systemen an die EU angekündigt hat? Experten sind im Gespräch mit FOCUS online gespaltener Meinung.

Thomas Jäger, USA-Experte der Universität Köln: „Um Klarheit zu haben, warum Trump diese Frage stellte, müsste man wissen, was der US-Präsident generell über die Waffen weiß, um die es geht. Man sollte denken, dass er vor einem solchen Gespräch mit Selenskyj seine eigenen Militärexperten fragt. 

Eine mögliche Interpretation wäre deshalb, dass Trump schlicht und einfach mal wieder uninformiert in ein solches Telefonat gegangen ist. Es könnte aber auch sein, dass er einfach nur herausfinden wollte, wie und was Selenskyj antwortet, um anhand dieser Reaktion die weitere Planung von Waffenlieferungen anzupassen. 

Dass Trump in dem Gespräch mit Selenskyj gesagt haben soll, dass man „die Russen den Schmerz spüren lassen“ wolle, zeigt, dass Trump immer noch glaubt, dass Putin zu einem Kompromiss gezwungen werden könnte, zu einem Deal. Das ist aber eine Fehleinschätzung.“

"Dass es durchgesickert ist, kann man als Teil einer Strategie sehen"

Andreas Heinemann-Grüder, Sicherheitsexperte am CASSIS der Universität Bonn: „Man bekommt durch die kolportierten Inhalte des Gesprächs den Eindruck, dass die Trump-Administration einfach nicht koordiniert ist, die rechte Hand nicht weiß, was die linke tut.

Trump wollte wohl in Erfahrung bringen, was genau Selenskyj mit diesen Waffen machen würde, welche Ziele sich die Ukrainer in Russland aussuchen würden. Denn auch wenn Trump der Ukraine weitreichende Waffen liefert, wird er Selenskyj keine „Carte Blanche“ geben. 

Man kann es vergleichen mit dem Krieg Iran gegen Israel. Auch dort haben die Amerikaner eingegriffen, damit sie die Kontrolle behalten über die Ziele, die im Iran angegriffen werden. 

Ähnlich wird es auch im Falle der Ukraine sein. Es wird in dem Gespräch bestimmt auch eine Diskussion dazu gegeben haben, welche legitimen Ziele es gibt. Der Kreml wäre zum Beispiel aus Sicht der USA kein legitimes Ziel, auch nicht Stützpunkte der Russen, auf denen sie ihre strategischen atomaren Waffen untergebracht haben.

Und dass dieses Gespräch nun durchgesickert ist, könnte man auch als Teil der Strategie sehen. Klar ist nämlich: Trump als Kommunikator ist nicht zu unterschätzen, vor allem nicht, was strategische Kommunikation angeht. 

Deshalb gehe ich davon aus, dass das Gespräch nicht zufällig durchgesickert ist. Es signalisiert dem Kreml, dass fast alles auf dem Tisch liegt und die USA gewillt sind, die Asymmetrie zwischen der relativ kleinen Ukraine und dem großen Russland nicht weiter zu akzeptieren.“