Ein inniger Liebesbrief zum Muttertag – geschrieben vor 81 Jahren von einem Soldaten an seine Frau und Mutter der gemeinsamen Kinder

  1. Startseite
  2. Lokales
  3. Schongau
  4. Altenstadt

Kommentare

Rita Malcher mit Aquarell und Liebesbrief, die sie voneinander getrennt hat. Der Liebesbrief ist vor 81 Jahren in Russland in altdeutscher Sütterlin Schrift verfasst worden. © Hans--Helmut Herold

Rita Malcher geht liebend gerne auf Flohmärkte. Das Stöbern zwischen all‘ den Tischen und Schachteln ist eine Leidenschaft von ihr. Besonders interessiert sie sich für Bilder und Zeichnungen. In einem Trödelfund hat sie einen ganz besonderen Brief gefunden.

Altenstadt – An einem Abend der ersten Maitage sitzt Rita Malcher an ihrem Wohnzimmertisch und hält ein für sie besonderes Bild in den Händen. Es ist ein kleinformatiges Aquarell, das ein bäuerliches Anwesen mit Stallungen zeigt. Die Umzäunung sehr dominant, an einer Seite stehen Bäume. Auffallend der Galgen aus Holzstämmen, an dem das Wasser aus einem Brunnen geschöpft werden kann. Fast zu übersehen: Auf einem der Laubbäume ist ein Nest zu erkennen, in dem ein Storch steht. Das Besondere jedoch für Malcher ist die Signatur am linken unteren Rand des Bildes. Dort steht: „Larioschkowo, 7. Mai 1944“.

Noch zu D-Mark-Zeiten

Malcher hat das Bild vor vielen Jahren in einer Trödelkiste in Peiting erworben. „Noch zu D-Mark-Zeiten“, wie sie sich lachend erinnert. Ihr hat die zarte Aquarellmalerei gefallen. Und das kleine Format. Nur mit dem Rahmen konnte sie sich damals nicht anfreunden. So legte sie das Bild in eines der Regale in ihrem Keller. „Ich wollte einfach noch nach einem für mich passenden Rahmen suchen“, erzählt die Altenstadterin. Natürlich wieder auf einem Flohmarkt. Das Wollen war da, aber nicht der passende Rahmen. So geriet das kleine Bild in Vergessenheit und trat einen Dornröschenschlaf an.

Bild lag über Jahre im Keller

Auf der Suche nach einem anderen erworbenen Fundstück ist Malcher vor ein paar Tagen wieder auf das kleine Bild gestoßen. Jetzt wollte sie endlich Nägel mit Köpfen machen und nach einem passenden Rahmen Ausschau halten. So trennte sie das Bild vom alten Rahmen, um mit dem Bild den gewünschten neuen Rahmen zu finden.

In Sütterlin-Schrift

Groß ist die Überraschung, als sie einen an die Rückseite geklebten Brief entdeckt. Fein säuberlich mit der Hand geschrieben, datiert auf den Mai 1944. Malcher startet Versuche, die Zeilen zu entziffern. Doch so richtig lesen kann sie den Brief nicht. Er ist in alter deutscher Sütterlin-Schrift verfasst.

Der noch in Sütterlin-Schrift verfasste Liebesbrief.
Der noch in Sütterlin-Schrift verfasste Liebesbrief. © Hans-Helmut Herold

Eine Freundin wird hinzugezogen. Bestimmte Wörter können entziffert werden. Doch der ganze Text bleibt ein Rätsel. Auch, weil manche Passagen leicht verwischt sind. Eines wird den beiden Frauen aber klar: Dieser Brief muss ein ganz besonderer sein: Ein Liebesbrief zum Muttertag. Verfasst von einem Hansjörg, gerichtet an seine Ehefrau Lisbeth.

Brief kann doch entschlüsselt werden

Eine weitere Person wird hinzugezogen, Jahrgang 1948. Diese hat in der Volksschule noch die Sütterlin-Schrift gelernt. Zwar hat sie schon das fließende Lesen verlernt, aber Stück für Stück und Zeile für Zeile kann der Brief doch „entschlüsselt“ werden.

Vor 81 Jahren ist dieser besondere Brief beim Kriegseinsatz in Rußland geschrieben worden und samt Bild mit der Feldpost von Larioschkowo nach Stuttgart geschickt worden. Fast genau ein Jahr vor Kriegsende.

Was aus dem Verfasser des Briefes und Maler des Bildes geworden ist, bleibt unbeantwortet. Auch, ob er seine Heimat wieder sehen durfte oder im letzten Kriegsjahr noch gefallen ist, bleibt ein Rätsel. Auf alle Fälle hat dieser Liebesbrief eines Soldaten an seine Ehefrau und Mutter seiner Kinder für Rita Malcher jetzt eine ganz besondere Bedeutung. Das Bild natürlich auch.

Der Brief:

Mai 1944, Meine liebste Lisbeth-Mami!

Zum zweiten Male erhältst Du aus dem weiten Rußland meine innigsten Glückwünsche zu Deinem Ehrentag, dem Tag der ,Deutschen Mutter‘.

Auf den Schwingen der Sehnsucht werden im tiefen Herz all meine aus tiefster Liebe kommenden Gedanken hineilen zu Dir.

Mammilieb, um Dir Dank zu sagen für Deine aufopfernde Liebe, die Dir in frohen und in schweren Tagen mir und unseren Kindern schenktest.

Möge eine gütige Vorsehung Dir, liebe Mami, weiter Kraft und Gesundheit geben, in schweren Tagen die Einsamkeit tapfer zu tragen, auf daß wir auf glücklich errungenen Dingen noch viele solcher Ehrentage in der Sonne friedlichen Familienglückes gemeinsam erleben können.

In treuer Liebe
Dein Hansjörg

Auch interessant

Kommentare