Angst vor russischem Einmarsch? Nato-Land richtet Botschaft an Putin

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Der finnische Präsident Alexander Stubb spricht im ZDF über die Aggression des Russland-Regimes. Er huldigt dem eigenen Militär - doch das hat Schwachstellen. Eine Analyse.

Helsinki - Welche Länder Europas könnte das brutale Moskau-Regime von Kreml-Chef Wladimir Putin noch im Visier haben? Während der Ukraine-Krieg blutig weitergeht, treibt diese Frage die Verteidigungsallianz Nato um, die sich mit Manövern auf einen möglichen Angriff aus Russland vorbereitet.

Imperialismus von Moskau-Autokrat Wladimir Putin: Finnland fühlt sich für Krieg gewappnet

Ein Beispiel: Finnlands Präsident Alexander Stubb ist sich sicher, dass das nach Einwohnern (5,5 Millionen) kleine skandinavische Land in der Lage ist, 1300 Kilometer Grenze zur Russischen Föderation abzusichern. „Wir haben mit die größten Streitkräfte in Europa: 900.000 Soldatinnen und Soldaten, 280.000 Reserve-Soldaten. Wir haben mit Polen die größte Artillerie in Europa“, erklärte Stubb am Dienstagabend (25. März) im „heute journal“ des ZDF und verwies ferner auf 62 Kampfflugzeuge vom Typ F/A-18C.

Eine Einschätzung zum Machthaber aus dem Kreml hatte er auch. „Das Einzige, was Putin versteht, ist Macht und Stärke. Schwäche, Weichheit verführt ihn eher zum Angreifen“, sagte der 56-jährige Oberbefehlshaber der Verteidigungskräfte Finnlands und versicherte: „Wir leben seit geraumer Zeit mit Russland und werden das weiter tun.“ Was zeichnet die finnische Armee aus? Wo liegen Schwachstellen? Wo die Stärken? Ein Blick auf die Landstreitkräfte hilft bei der Suche nach Antworten.

Der finnische Präsident Alexander Stubb sprach im „heute journal“ des ZDF über Wladimir Putins Imperialismus und die mögliche Bedrohung für das skandinavische Land.
Der finnische Präsident Alexander Stubb sprach im „heute journal“ des ZDF über Wladimir Putins Imperialismus und die mögliche Bedrohung für das skandinavische Land. © Screenshot ZDF Mediathek

Wegen Bedrohung durch Russland: Finnland hat hunderttausende Reservisten

In Paragraph 127 der finnischen Verfassung ist die allgemeine Wehrpflicht für männliche Bürger zwischen 16 und 49 Jahren festgeschrieben. Immer wieder wird die Zahl von 900.000 Reservisten genannt, die im Ernstfall mobilisiert werden könnten. Sie lässt sich aber nicht unabhängig verifizieren, weil es seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges nie zu diesem Ernstfall kam. Wahrscheinlich ist die wehrfähige männliche Bevölkerung zwischen 16 und 49 Jahren gemeint. Zudem gibt es für Frauen die Möglichkeit zum freiwilligen Wehrdienst.

Die Zahl 900.000 ist letztlich wohl eine theoretische, die Zahl 280.000 bezieht sich laut verschiedener Medienberichte auf die Anzahl der Reservisten, die im Verteidigungsfall binnen weniger Tage tatsächlich kampfbereit unter Waffen stehen könnten. Wie der „Verband der Reservisten der Deutschen Bundeswehr“ auf seiner Website schreibt, durchlaufen in Finnland jährlich geschätzt rund 45.000 Reservisten militärische Trainings. Das ist enorm. Demselben Bericht zufolge üben viele von ihnen dabei sogar mit scharfer Munition. Berufssoldaten hat Finnland dagegen nur 23.000.

Finnland
Einwohnerinnen und Einwohner: 5,5 Millionen
Fläche: 338.472 km²
Hauptstadt: Helsinki (rund 660.000 Einwohner)
Staats- und Regierungsform: parlamentarische Republik
Staatsoberhaupt und Oberbefehlshaber: Präsident Alexander Stubb
Grenzen mit: Norwegen, Schweden und Russland

Panzer der finnischen Armee: Helsinki vertraut auf Leopard 2 aus Deutschland

In den Landstreitkräften dienen etwa 16.000 Männer und Frauen. Ein Teil von ihnen ist auf den 239 Kampfpanzern des Landes ausgebildet, wovon 139 modernere Panzer Leopard 2A6 und 100 ältere, eingelagerte Leopard 2A4 aus deutscher Produktion sind. Zum Vergleich: Die Bundeswehr verfügt aktuell über 310 einsatzbereite Leopard 2, bei jedoch viel mehr Einwohnerinnen und Einwohnern in Deutschland (84,8 Millionen). Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Finnen haben nur eine einzige Panzerbrigade, auf die die Kampfpanzer entfallen dürften. Und diese Brigade müsste, bei einem möglichen russischen Angriff, im schlechtesten Fall über 1300 Kilometer Grenze verteilt werden.

Zum Verständnis: Nach Bundeswehr-Verständnis umfasst eine Brigade 4500 bis 5000 Soldatinnen und Soldaten. Unbestätigten Berichten zufolge haben die finnischen Landstreitkräfte darüber hinaus 570 Radpanzer Sisu Pasi des gleichnamigen finnischen Rüstungsherstellers, die, nur leicht bewaffnet, möglichst viele Soldaten in dem riesigen Land geschützt von A nach B bringen sollen. Das Beispiel zeigt: Die Reserve, das ist zum Großteil Infanterie, also Fußsoldaten, deren Bewaffnung sich auf Mörser, das Standardsturmgewehr Valmet RK 62 und Panzerfäuste wie die schwedische FFV Carl Gustaf fokussieren dürfte. Also nicht auf mechanisierte Verbände mit schweren Waffen.

Die Besatzung eines finnischen Leopard-2-Panzers bei der Nato-Übung „Nordic Response“ im März 2024.
Die Besatzung eines finnischen Leopard-2-Panzers bei der Nato-Übung „Nordic Response“ im März 2024. © IMAGO / Lehtikuva

Abschreckung gegen Russlands Wladimir Putin: Finnland hat hunderte Haubitzen

Helfen soll zudem ein 200 Kilometer langer und massiv befestigter finnischer Grenzzaun in Karelien, der mit Stacheldraht, Nachtsichtgeräten und Scheinwerfern gesichert ist - der aber kaum Panzer aufhalten dürfte. Dennoch bleibt die Länge der Grenze eine enorme Schwachstelle. Und das, obwohl die Zahlen zur Artillerie beeindruckend sind. Das oft zitierte Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) listete unter Artillerie für 2023 seinen Erhebungen zufolge 115 selbstfahrende Haubitzen und 662 geschleppte Haubitzen.

Und diese müssen ebenfalls von A nach B geschleppt werden. Immerhin: Seit 2017 hatte die finnische Regierung laut des Fachmagazins Soldat & Technik für ihre Streitkräfte insgesamt 58 südkoreanische Panzerhaubitzen K9 Thunder erworben – die letzten sollen dieses Jahr ausgeliefert werden. Zudem sind demselben Bericht zufolge 38 weitere K9 bestellt, deren Auslieferung sich aber noch hinziehen dürfte. Wie das sicherheitspolitische Online-Portal hartpunkt schreibt, hat Finnland zudem 41 moderne Raketenwerfer des Typs M270A1.

Das Einzige, was Putin versteht, ist Macht und Stärke. Schwäche, Weichheit verführt ihn eher zum Angreifen.

Finnisches Misstrauen gegenüber Russland: Winterkrieg 1939/40 als mahnendes Beispiel

Zum Vergleich: Die Bundeswehr hat nur 35 dieser sogenannten MLRS-Systemen in ihren Beständen, die technisch an die berüchtigten amerikanischen Himars angelehnt sind. Ob aber all das letztlich reicht, um Putin abzuschrecken? Das Misstrauen der Finnen gegenüber den Nachbarn ist nicht nur wegen des sogenannten Winterkriegs 1939/40 und dem damaligen Einmarsch der Sowjets historisch bedingt. (pm)

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