Düstere Lage an der Front: „Gibt nichts, was der Ukraine jetzt helfen könnte“

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Ein russischer Soldat vor einem T-72B-Panzer an der Frontlinie in der Region Awdijiwka. © IMAGO/Stanislav Krasilnikov/SNA

Ohne weitere US-Hilfen kann die Ukraine den Krieg nicht gewinnen. Ukrainische Militärs warnen nun vor einem Zusammenbruch der Front – und sprechen auch von Versäumnissen des Westens.

Kiew – Ohne US-Unterstützung hat die Ukraine „keine Luftverteidigung, keine Patriot-Raketen, keine Störsender für die elektronische Kriegsführung, keine 155-Millimeter-Artilleriegeschosse“, warnte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj unlängst. Im April will der US-Kongress erneut über das Hilfspaket für Kiew beraten. Namentlich nicht genannte hochrangige ukrainische Militärs zeichnen im Gespräch mit dem US-Magazin Politico nun ein düsteres Bild: Selbst wenn diese Waffen irgendwann kommen, könnte es vielleicht schon zu spät sein.

Anonyme Militärs über Ukraine-Krieg: „Gibt nichts, was der Ukraine jetzt helfen könnte“

Die ukrainische Luftabwehr ist geschwächt, zudem fehlt Artilleriemunition und Personal. Die Ukraine rechnet damit, dass Russland im Sommer eine Offensive starten wird. Noch ist unklar, wo Moskaus Truppen den Schwerpunkt setzen werden. Es bestehe die Gefahr eines Zusammenbruchs der Frontlinien an jenen Stellen, auf die russische Generäle die Offensivbemühungen konzentrieren werden, berichtete Politico am Mittwoch. Dabei bezieht sich das Blatt auf nicht namentlich genannte ukrainische Militärs, die noch unter dem früheren Armeechef Walerij Saluschnyj dienten, der bis Februar die Militärführung innehatte.

Russland sei zahlenmäßig überlegen und werde es – auch mithilfe der Gleitbomben aus der Luft – wahrscheinlich schaffen, „in die Frontlinie einzudringen und sie in einigen Teilen zum Einsturz zu bringen.“ Moskaus Truppen könnte womöglich ein Durchbruch gelingen, meinen die Militärs: „Es gibt nichts, was der Ukraine jetzt helfen könnte, weil es keine ernsthaften Technologien gibt, mithilfe derer die Ukraine die große Masse an Truppen kompensieren könnte, die Russland wahrscheinlich auf uns werfen wird. Wir verfügen nicht über diese Technologien, und der Westen auch nicht in ausreichender Zahl.“ Die Angaben der Militärs ließen sich nicht unabhängig verifizieren.

Ukrainer setzen auf Mut und Widerstandskraft – können sie die Dynamik des Krieges ändern?

Lediglich der „Mut und die Widerstandskraft“ der Ukrainer sowie Fehler der russischen Kommandeure könnten diese Dynamik ändern, so die Militärs weiter. Um Fehler der russischen Führung zu finden, muss man nicht weit zurückgehen: Russland versuchte vor wenigen Tagen mit einem der bislang größten Panzerangriffe des Ukraine-Kriegs den Durchbruch durch die ukrainischen Verteidigungslinien westlich von Awdijiwka zu erzwingen, wie Forbes am vergangenen Wochenende berichtete. Dabei sollen die Fahrzeuge in Kolonne gefahren sein und waren damit ein leichtes Ziel. Das Ergebnis: Moskaus Truppen verloren ein Drittel der insgesamt rund 50 Panzer.

Doch auf die Fehler von Moskaus Truppen dürfe man sich nicht verlassen. „Die Russen lernen immer“, warnen die Militärs im Gespräch mit Politico. „Sie geben uns keine zweite Chance.“ Einer der Gründe für die angespannte Lage an der Front sei die zögerliche Unterstützung des Westens. Nachschub und Waffen seien oftmals zu spät und nicht in ausreichender Zahl gekommen. „Jede Waffe hat ihren richtigen Zeitpunkt. Im Jahr 2023 wurden F-16 benötigt; Sie werden für 2024 nicht passen“, so die Stimmen weiter. Westliche Militärexperten schätzen indes, dass jede Waffe und jeder Schuss Munition für die Ukraine hilfreich ist.

Aus Sicht der ukrainischen Militärs sind vier Millionen Schuss Artilleriemunition sowie zwei Millionen Drohnen nötig, um einen Unterschied auf dem Schlachtfeld zu machen. Alles steht und fällt mit der Unterstützung der USA: Der ukrainische Präsident Selenskyj hatte zuletzt davor gewarnt, dass sich die Ukraine ohne weitere US-Militärhilfe „Schritt für Schritt“ zurückziehen müsse. Denn die EU kann die fehlenden Waffen aus den USA nicht ausgleichen. Immerhin einen Hoffnungsschimmer gibt es: Eine Initiative Tschechiens scheint nun Wirkung zu zeigen. Mindestens 800.000 Artilleriegeschosse sollen im Juni in der Ukraine eintreffen. Viel Zeit bleibt der Ukraine wohl nicht: Russische Truppen erhöhen derzeit das Tempo ihrer Offensivoperationen, wie die US-Kriegsexperten Institute for the Study of War am Mittwoch berichteten.

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