Einen Anleger, der 30.000 Euro in ein ETF-Portfolio investiert, könnte die Idee von Robert Habeck (Die Grünen) nach 20 Jahren rund 11.600 Euro kosten. Das zeigen die Daten der der Geldanlage-Plattform Growney. Über 30 Jahre gesehen sind es sogar über 28.000 Euro. Die Wertsteigerung der Geldanlage wird also deutlich verringert. Wer mehr Geld investiert bzw. in Zinsanlagen wie Tagesgeld oder Festgeld steckt, muss mit einem stärkeren Negativeffekt rechnen.
Was planen die Grünen?
Kapitalerträge werden bislang mit 26,375 Prozent besteuert (Abgeltungsteuer plus Solidaritätszuschlag), bei Kirchensteuerpflichtigen sind es je nach Bundesland sogar 28,375 Prozent (Baden-Württemberg und Bayern) oder 28,625 Prozent. Nach dem Grünen-Programm sollen sie künftig auch für die Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung herangezogen werden. Der Satz dafür liegt aktuell bei 14,6 Prozent plus 2,5 Prozent durchschnittlicher Zusatzbeitrag.
Zuletzt wurde Grünen Kanzlerkandidat Robert Habeck in der ARD-Sendung Wahlarena von einer jungen Anlegerin gefragt, wie sich Vermögensaufbau und Altersvorsorge zur Vermeidung der Rentenlücke so überhaupt noch lohnen sollen.
Warum ist der Effekt so hoch?
Hauptproblem des Plans: Der Zinseszinseffekt der Geldanlage wird so deutlich minimiert. Das wirkt sich über mehrere Jahre gerechnet zulasten der Sparer und Anleger aus. Thimm Blickensdorf, Geschäftsführer der Geldanlage-Plattform Growney: „Gerade jene Menschen, die ihre eigene Zukunft oder ihre Familie mit einer langfristigen Geldanlage absichern wollen, werden damit zusätzlich belastet. Um Vermögensaufbau und Altersvorsorge zu begünstigen, ist eine nachgelagerte Besteuerung viel sinnvoller – das zeigen die Berechnungen.“
Umso stärker die Erträge besteuert werden, umso langsamer kann die Geldanlage wachsen. Der Zinseszinseffekt fällt also durch zusätzliche Abgaben geringer aus.
Beispiel mit 100.000 Euro
- Wer 100.000 Euro, z.B. aus einer Erbschaft, für die eigene Absicherung anlegen will, kann aktuell mit einer ETF-Geldanlage (durchschnittlich 6,5 Prozent Rendite im Jahr) nach 20 Jahren auf rund 280.000 Euro kommen.
- Mit der zusätzlichen Abgabe wären es nach 20 Jahren hingegen nur 242.000 Euro – eine Differenz von mehr als 38.000 Euro. Bei Kirchensteuerpflichtigen ist der Unterschied etwas geringer.
- Erfolgt die Versteuerung erst bei Auszahlung, so ergibt sich sogar die Summe von knapp 300.000 Euro. Das ist aktuell nur mit einer Rentenversicherung möglich, die sich laut Growney aber auch mit einem ETF-Portfolio kombinieren lässt.
Auch bei einer Geldanlage mit geringerer Rendite, etwa als Festzins-Anlage (3 Prozent p.a.), ist der Effekt für 100.000 spürbar:
- Nach 20 Jahren ergibt sich mit der aktuellen Besteuerung ein Vermögen von knapp 155.000 Euro.
- Durch die Änderung ergeben sich nach der Berechnung von Growney weniger als 140.000 Euro, also eine Differenz von 15.000 Euro
- Mit einer Versteuerung erst bei Auszahlung ergibt sich der Betrag von mehr als 163.000 Euro.
Hilft der Freibetrag für Kapitalerträge?
Eine Berücksichtigung des Steuerfreibetrags auf Kapitalerträge (derzeit 1000 Euro pro Jahr und Person) verringert den Effekt der von den Grünen geplanten Neuregelung. Dennoch bedeutet es für Sparer in diesem Fall ein Unterschied von Tausenden Euro. Ausgehend von 100.000 Euro Anlagebetrag über 20 Jahre sind es
- Knapp 35.500 Euro Unterschied mit einem ETF-Investment am Aktienmarkt.
- Mehr als 11.000 Euro mit einer Zins-Geldanlage.
Allerdings fordern die Grünen in ihrem Wahlprogramm auch, den Freibetrag für Kapitalerträge „spürbar“ anzuheben sowie neue Möglichkeiten der steueroptimierten Altersvorsorge zu schaffen.
„Die Beispiel-Berechnungen zeigen eindeutig, welchen negativen Effekt eine Besteuerung auf die Vermögensbildung vieler Menschen hat. Am günstigsten für Anleger und Sparer ist eine Variante der Besteuerung bei Auszahlung“, so Blickensdorf von Growney.
Was wurde genau berechnet?
Die Grünen-Forderung lässt offen, wie die zusätzliche Abgabe auf Kapitalerträge aussehen wird. In den Beispielrechnungen hat Growney daher angenommen, dass der aktuelle Krankenversicherungsbeitrag (14,6 Prozent) sowie der durchschnittliche Zusatzbeitrag (2,5 Prozent) auf Kapitalerträge in voller Höhe fällig werden. Andere Abgaben wie Pflegeversicherung, Arbeitslosenversicherung oder Rentenversicherung sind nicht angenommen. Die zusätzliche Abgabe wurde bei der Beitragsbemessungsgrenze für die gesetzliche Krankenversicherung gedeckelt. Bei den Berechnungen mit Freibetrag wurde davon ausgegangen, dass bis zum Freibetrag auch keine Krankenversicherungsbeiträge anfallen. Alle Werte wurden Stand Februar 2025 verwendet.
Der Vergleich mit der steueroptimierten Geldanlage geht vom Halbeinkünfteverfahren aus: Demnach müssen die Erträge aus einer privaten Rentenversicherung erst bei Auszahlung versteuert werden – und zwar nur zur Hälfte, wenn die Geldanlage mindestens 12 Jahre besteht und ab dem Mindestalter von 62 Jahren erfolgt. Ähnlich sollte auch das von der gescheiterten Regierungskoalition aus SPD, Grünen und FDP geplante Altersvorsorgedepot aussehen.
Wie können Anleger sich schützen?
Schon jetzt zeigt sich für viele Anleger, dass der bestehende Freibetrag kaum ausreicht und deswegen von einem Teil der Kapitalerträge zwischen 26,375 Prozent und 28,625 Prozent automatisch einbehalten werden. Das erschwert die Vermögensbildung, die zur Absicherung gegen die drohende Rentenlücke für viele essenziell ist.
Experte Blickensdorf: „Wer nach der Wahl eine Anhebung der Steuern auf Kapitalerträge befürchtet, für den könnte eine Versicherungslösung mit ETFs eine passende Alternative sein.“ Das gelte auch schon für kleinere Summen oder für die Geldanlage mit einem monatlichen Sparplan.
Dabei sollten Anleger aber unbedingt auf geringe Kosten und eine möglichst hohe Flexibilität achten – so dass sie auch während der Laufzeit problemlos Geld auszahlen können.
pli