Mädchen in Freibad wegen "Hitze" belästigt ? Kritik an Bürgermeister wächst

Die Staatsanwaltschaft Hanau hat am Montag offiziell mit den Vernehmungen von Geschädigten und Beschuldigten wegen des Vorwurfs sexueller Belästigung minderjähriger Mädchen in einem hessischen Freibad begonnen. 

Insgesamt acht Mädchen (und nicht neun, wie zuvor von den Ermittlern gemeldet) im Alter zwischen 11 und 16 Jahren beschuldigen vier junge syrische Männer zwischen 18 und 28 Jahren, sie am vorletzten Wochenende in mehreren Fällen gegen ihren Willen mehrfach unsittlich berührt und bedrängt zu haben

Derzeit versuchen die Ermittlungsbehörden, sich einen Überblick über die einzelnen Vorwürfe zu verschaffen. "Einen größeren Teil der Erstaussagen haben Betroffenen schon im Lauf der vorigen Woche gemacht, die Vorfälle waren ja schon am Sonntag vor einer Woche aus dem Freibad Gelnhausen gemeldet worden. Nun finden die zweiten Vernehmungen statt", erklärte Oliver Piechaczek, Sprecher der Staatsanwaltschaft Hanau, FOCUS online auf Anfrage .

Beschuldigte Syrer auf freiem Fuß

Bislang handele es sich um strafrechtliche Ermittlungen gegen vier syrische Staatsbürger, bei denen es sich um zwei Brüder sowie zwei Freunde von ihnen handeln soll. Der Gelnhäuser Bürgermeister hatte zuvor davon gesprochen, dass es sich um vier Brüder handele. Die Männer sollen sich nach Erstaussagen schon in der vergangen Woche wieder auf freiem Fuß befinden.

Zu Details der Vorwürfe in den einzelnen Fällen wollte sich die Staatsanwaltschaft zunächst nicht äußern. "Wir müssen erst einmal auch mit Blick auf Äußerungen Geschädigter in den Medien prüfen, wer was genau gesagt hat. Was ich bestätigen kann, ist, dass die Mädchen an verschiedenen Körperstellen von den Beschuldigten berührt und zudem bedrängt worden sein sollen."

Bademeister hat die Mädchen einfach wieder zurück ins Wasser geschickt

Der Fall sorgt auch wegen der Reaktionen des Schwimmbadpersonals und des Bürgermeisters von Gelnhausen für Aufsehen. 

Nach Angaben des Badeleiters Nils Tischner hätten sich die ersten Mädchen bereits gegen Mittag "in ihrer Not an den Schwimmmeister gewendet". Dem HR sagte er: "Da wir nicht genau sehen konnten, was passiert ist, haben wir sie erst mal wieder ins Wasser geschickt - mit dem Hinweis: Macht euch bitte bemerkbar, wenn was ist. Laut und stark in der Gruppe."

Als die Männer daraufhin versucht hätten, die Mädchen nass zu machen, seien sie verwarnt worden, im Wiederholungsfall das Freibad verlassen zu müssen. Die Polizei sei jedoch erst am späten Nachmittag alarmiert worden, nachdem eines der betroffenen Mädchen "stark geweint" habe.

"Bei hohen Temperaturen liegen Gemüter manchmal blank"

Für heftige Kritik sorgte dann ein Kommentar des Gelnhausener Bürgermeisters Christian Litzinger (CDU): "Immer bei hohen Temperaturen liegen die Gemüter manchmal blank." Das Personal, so Litzinger, sei "entsprechend geschult", man würde "weiter sensibilisieren". 

Eine Anfrage von FOCUS online zu dieser Aussage ließen sowohl der Bürgermeister Litzinger als auch seine Pressestelle bislang unbeantwortet. 

Klare Worte fand indes der hessische Innenminister Roman Posek. Der CDU-Politiker redete von „schwerwiegenden Vorkommnissen“, die es ernst zu nehmen gelte. Der Minister forderte eine konsequente Aufklärung und die Aufarbeitung etwaiger Versäumnisse des Personals.

Die Grünen sprachen mit Blick auf die Bemerkungen des Bürgermeisters von "beschämenden Aussagen". Litzinger lasse "Empathie für die Opfer der sexuellen Übergriffe vermissen", sagte Grünen-Fraktionschef Jakob Mäher der "Gelnhäuser Neue Zeitung" (GNZ). Statt sich "hinter die Opfer zu stellen, schnelle und unbürokratische Hilfe und Unterstützung zu versprechen, verharmlost der Bürgermeister sexualisierte Gewalt", die er "hohen Temperaturen" zuschreibe.

Kritik an Schwimmbadpersonal auch in "Sozialen Medien"

In sozialen Medien sollen laut GNZ inzwischen hingegen weitere Vorwürfe aufgetaucht gegen das Schwimmbadpersonal aufgetaucht sein. Andere Badegäste hätten von "ähnlichen Erfahrungen" berichtet und gefordert, dass das Personal "sofort hätte einschreiten und die Polizei verständigen müssen".

Schwere Vorwürfe erhob auch Kolja Saß, Fraktionsvorsitzender der FDP Gelnhausen - und zwar gegen den Bürgermeister. "Die sexuellen Übergriffe wären vermeidbar gewesen", sagt er. Seit Jahren zeichne sich eine geänderte Sicherheitssituation im Freibad ab. "Es gab über Jahre immer regelmäßiger Berichte von Badbesuchern zu übergriffigem Verhalten." Diese hätten auch das Rathaus erreicht - Folgen soll es aber keine gegeben haben.

Als seine Fraktion das Thema auf die Tagesordnung der Stadtverordnetenversammlung gesetzt habe, sei sie von Bürgermeister Litzinger beschimpft worden. "Wir wurden öffentlich als den Ruf der Gelnhäuser Bäder schädigende Populisten bezeichnet." Die derzeitigen Vorfälle würden zeigen, dass Maßnahmen im Vorfeld notwendig gewesen wären, so Saß. 

Dann attackiert Saß den Rathauschef. "Wenn Bürgermeister Litzinger mittlerweile beteuert, man kümmere sich nun und es wäre durch das Personal korrekt gehandelt worden, ist das eine Verhöhnung der Betroffenen der sexuellen Übergriffe und muss Konsequenzen haben", fordert der FDP-Politiker.