Olaf Scholz bezieht Stellung in der Bürgergeld-Debatte: „Es ist eine sittliche Pflicht, zu arbeiten“

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Bundeskanzler Olaf Scholz ist nicht gerade dafür bekannt, seine Politik öffentlich zu erklären. In einem neuen Interview bezieht er zu vielen Themen Stellung – auch zum Bürgergeld.

Berlin – Ein Jahr ist vergangen, seitdem das neue Bürgergeld an den Start gegangen ist und Hartz IV abgelöst hat. Damit erhalten Arbeitslose mehr Geld und werden weniger sanktioniert. Zudem erhalten auch Menschen, die arbeiten gehen aber wenig Geld verdienen, mit dem Bürgergeld die Möglichkeit, aufzustocken.

Merz würde Bürgergeld gerne abschaffen: „Im Grundsatz falsch“

Seitdem wurde viel öffentlich darüber gestritten, ob das neue Bürgergeld die Anreize zum Arbeiten gesenkt hat. Studien haben zwar immer wieder gezeigt, dass das nicht der Fall ist; doch CDU-Chef Friedrich Merz spricht sich dennoch dafür aus, das Bürgergeld wieder abzuschaffen. Das Konzept des Bürgergelds sei „im Grundsatz falsch“, sagte Merz diese Woche in Berlin, denn damit könne der Eindruck entstehen: „Man kann in diesem Land Wohlstand ohne Arbeit und ohne Anstrengung erreichen. Nein, das können wir nicht.“

Merz betonte auf dem Wirtschaftskongress: „Wir werden unserer Bevölkerung auch sagen müssen, wenn wir diesen Wohlstand erhalten wollen, dann werden wir dafür mehr arbeiten müssen und nicht weniger.“ Er glaube, dass dies gerade unter Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern auf Zustimmung treffe.

Bisher hat sich der höchste Regierungsvertreter, Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), eher wenig in die Bürgergeld-Debatte eingeschalten. Doch damit ist jetzt Schluss: In einem großen Interview mit der Zeit sagte Scholz: „Die Bürgergeldreform ist insgesamt gut austariert.“ Er sei „ausdrücklich nicht“ der Meinung, dass durch das Bürgergeld der Arbeitsanreiz gesenkt wurde.

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Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am 24. Januar bei einer Kabinettssitzung der Bundesregierung in Berlin. © IMAGO/Christian Spicker

Das Ifo-Institut kam jüngst ebenfalls zu diesem Schluss und widerspricht der weit verbreiteten Einschätzung, dass sich Arbeit in Deutschland wegen des Bürgergelds nicht mehr lohne. „Arbeit führt in Deutschland immer zu höheren Einkommen als Nichtstun“, erklärte das Münchner Wirtschaftsforschungsinstitut zu Jahresbeginn. Nach den Berechnungen der Wissenschaftler ist die Voraussetzung aber, dass Geringverdiener auch die Möglichkeit der Aufstockung ihres Einkommens durch zusätzliche Sozialleistungen beantragen. Ohne Geld vom Staat kann demnach unter Umständen das reine Arbeitseinkommen tatsächlich niedriger sein als das Bürgergeld.

„Die von manchen Politikern aufgestellte Behauptung, wer nur Sozialleistungen beziehe, bekomme netto mehr als ein Geringverdiener, ist schlicht falsch“, sagte Andreas Peichl, Leiter des Ifo-Zentrums für Makroökonomik und Befragungen.

Olaf Scholz: „Es ist eine sittliche Pflicht, zu arbeiten“

Befragt wurde der Bundeskanzler in der Zeit auch zu den neuen Sanktionen für Bürgergeld-Empfänger, die sich weigern, eine Arbeit aufzunehmen. „Mit den nun vereinbarten Sanktionen, so meine Hoffnung, erhöhen wir die Zustimmung zu der Reform. Das alte Recht vor der Bürgergeldreform war jedenfalls deutlich schlechter“, so Scholz.

Der Kanzler betonte, dass es „eine sittliche Pflicht“ gebe, zu arbeiten. „Unsere Gesellschaft ist auf Arbeit aufgebaut, auf dem Respekt vor der Arbeit und denen, die sie leisten.“ Dennoch müsse man denjenigen helfen, die arbeitslos werden – damit sie in der Lage seien, eine neue Arbeit zu finden.

Die Verschärfung bei den Sanktionen ist Teil eines Sparpakets zum Haushalt 2024. Die geplante Regelung zum Bürgergeld soll Einsparungen von rund 170 Millionen Euro pro Jahr bringen - 150 Millionen beim Bund und 20 Millionen bei den Kommunen. Kosten der Unterkunft und Heizung sollen nicht gestrichen werden können. Bisher sind die Sanktionsmöglichkeiten beim Bürgergeld vergleichsweise moderat: 10 Prozent bei versäumten Terminen, bis zu 30 Prozent bei absprachewidrig unterlassenen Bewerbungen oder Kursteilnahmen. Die Maßnahmen werden auf zwei Jahre befristet.

Bürgergeld-Sanktionen sollen nach zwei Jahren geprüft werden

Ob die Möglichkeit der Komplett-Sanktionen nach zwei Jahren dauerhaft bleiben soll, soll dann auf Basis einer Überprüfung entschieden werden. Das Bundesarbeitsministerium soll dafür mit der Bundesagentur für Arbeit und ihrem Forschungsinstitut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung abstimmen, wie diese in die ohnehin laufende Evaluation des Bürgergeldes einbezogen werden kann.

Die Grünen im Bundestag, die die Verschärfung heftig kritisiert hatten, nahmen für sich in Anspruch, die Befristung durchgesetzt zu haben. „Wir haben dafür gesorgt, dass die Regelung automatisch wieder aus dem Gesetz verschwinden wird“, sagte Fraktionsvize Andreas Audretsch der Deutschen Presse-Agentur. Anwendung und Wirkung müssten bis dahin intensiv beobachtet und überprüft werden.

Mit Material von dpa

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