Streit um E-Autos eskaliert: Droht ein Handelskrieg zwischen der EU und China?

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Für den Export bestimmte Elektrofahrzeuge warten im Hafen von Yantai in Nordostchina auf den Transport. © AFP

Die EU geht auf Konfrontationskurs mit China. Sie wirft Peking vor, den europäischen Markt mit subventionieren Billigautos zu überfluten. Der Beginn eines Handelskriegs?

Chinas E-Auto-Tsunami kommt an diesem wolkenverhangenen Januarvormittag ziemlich harmlos daher. Nur drei Kunden haben sich in die Münchner Filiale von Lynk & Co verirrt. Doch statt sich für den Hybrid-Wagen zu interessieren, den der chinesische Hersteller hier für 46.000 Euro an den Mann oder die Frau bringen will, schlürfen sie Cappuccino und starren in ihre Notebooks. Wie die Filiale eines Autohändlers wirkt der Laden gleich neben dem Viktualienmarkt ohnehin nicht. Ausgestellt ist nur ein einziges Fahrzeug, noch dazu versteckt ganz hinten im Eck. In den Auslagen vorne stapeln sich edles Reisegepäck und Yogabücher, ein Barista bietet Kaffee und Häppchen an.

Ein paar Schritte weiter, bei der Konkurrenz von Polestar, herrscht zwar keine gefühlige Hipster-Atmosphäre, der Andrang auf die drei ausgestellten Fahrzeuge hält sich aber auch hier in Grenzen. In einem vollelektrischen Polestar 3 (für 105.700 Euro zu haben) knutscht ein junges Pärchen herum, im Eck lungert gelangweilt eine Verkäuferin.

Und davor soll Europa Angst haben?

Ursula von der Leyen jedenfalls zeigt sich alarmiert. Im September schon erklärte die EU-Kommissionspräsidentin, die Weltmärkte würden „mit billigeren chinesischen Elektroautos überschwemmt“. Vor dem EU-Parlament kündigte sie eine Untersuchung an, denn: „Der Preis dieser Autos wird durch riesige staatliche Subventionen künstlich gedrückt. Das verzerrt unseren Markt.“

Dabei dürfte von der Leyen freilich nicht nur Luxushersteller wie Polestar im Blick haben, sondern vor allem Autobauer wie BYD: Das Unternehmen aus dem südchinesischen Shenzhen verkaufte im vergangenen Quartal weltweit erstmals mehr Elektrofahrzeuge als der bisherige Platzhirsch Tesla. In der chinesischen Heimat hat BYD mehrere Modelle zum Preis von umgerechnet nur rund 10.000 Euro im Angebot. Ein Hersteller wie Volkswagen kann bei solchen Billigangeboten nicht mithalten. Wobei zur Wahrheit auch gehört, dass China bisweilen als Sündenbock herhalten muss für die Fehler der europäischen Anbieter, die zu lange auf den Verbrenner gesetzt haben.

„China braucht den europäischen Markt, auch für seine E-Autos“

Wan-Hsin Liu vom Kiel Institut für Weltwirtschaft glaubt, dass die Regierung in Peking von der Leyens angedrohte Untersuchung „sehr ernst“ nimmt. „China braucht den europäischen Markt, auch für seine E-Autos“, sagt die Volkswirtin. „Außerdem könnte sich China angesichts der steigenden geopolitischen Spannungen fragen, ob nach den E-Autos auch noch andere chinesische Produkte, Firmen oder Investitionen ins Visier genommen werden und wie das alles Chinas Zugang zum europäischen Markt beeinflussen könnte.“

So bereitet den Europäern auch die chinesische Solarindustrie, in der sich riesige Überkapazitäten aufgebaut haben, zunehmend Kopfzerbrechen. „Chinas Produktionskapazitäten reichen aus, um die ganze Welt 2,5-mal mit Solarpanelen zu beliefern“, rechnete unlängst der ehemalige Präsident der EU-Handelskammer in Peking, Jörg Wuttke, im Handelsblatt vor. Auch die Ökonomin Liu sieht hier ein „sehr großes Streitpotenzial“.

Das Problem: 90 Prozent der Solaranlagen kommen laut Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck aus China, nur ein kleiner Teil hingegen aus der EU. Verantwortlich für das extreme Ungleichgewicht sind unter anderem massive Subventionen der chinesischen Regierung. Während ein Teil der hiesigen Branche nun finanzielle Hilfen aus Brüssel fordert, erinnern andere daran, dass europäische Zölle auf Solarmodule aus China der heimischen Industrie vor rund zehn Jahren den Garaus gemacht hatten, anstatt ihr zu helfen. Damals war die Nachfrage aufgrund der gestiegenen Preise gesunken. Ohnehin streitet China ab, einzelne Branchen zu sehr zu subventionieren. Dass Güter made in China so günstig seien, liege schlichtweg an der eigenen Effizienz.

„Konflikte zwischen China und der EU könnten sich in den kommenden Jahren stark verschärfen“

So oder so: Das Problem liegt auf dem Tisch. Zusammen mit anderen strittigen Themen – etwa dem geplanten Lieferkettengesetz der EU, das große Unternehmen dazu verpflichten will, Umwelt- und Menschenrechtsstandards entlang ihrer gesamten Wertschöpfungskette einzuhalten und vor allem auf die chinesische Problem-Region Xinjiang abzielt – hat sich einiges an Frust aufgestaut in Brüssel und Peking. Hinzu kommt ein gigantisches Handelsdefizit der Europäer, das EU-Ratspräsident Charles Michel vor Kurzem auf rund 400 Milliarden Euro bezifferte. Anfang Januar übte China nach Ansicht europäischer Beobachter jedenfalls schon einmal vorsorglich Vergeltung für die von der EU angekündigte Untersuchung zu subventionierten E-Autos, indem es ein Antidumping-Verfahren gegen französischen Branntwein einleitete. Auch die Ausfuhr seltener Rohstoffe schränkte China bereits ein.

An einen Handelskrieg, wie er seit der Präsidentschaft von Donald Trump zwischen den USA und China tobt, will die Kieler Expertin Wan-Hsin Liu zwar nicht glauben. „Allerdings können sich die Spannungen und Konflikte zwischen China und der EU in den kommenden Jahren stark verschärfen“, sagt sie. Liu verweist auch auf die De-Risking-Strategie der Europäer, also den Versuch, sich in Schlüsselbereichen unabhängiger von China zu machen.

Am Mittwoch erst präsentierte EU-Handelskommissar Valdis Dombrovskis ein entsprechendes Maßnahmenpaket, das unter anderem eine verschärfte Prüfung von Investitionen aus dem Ausland in der EU vorsieht. Auch soll künftig genauer hingesehen werden, wenn Staaten wie China in der EU Unternehmen übernehmen wollen. Chinas Handelsvertretung bei der EU forderte in einer ersten Reaktion für die eigenen Unternehmen „die gleichen fairen industriellen Möglichkeiten, den gleichen Marktzugang und das gleiche Geschäftsumfeld“, wie sie europäische Unternehmen genössen.

Peking wirft der EU eine „anti-chinesische Haltung“ vor

Pekings Staatsmedien werfen den Europäern wegen solcher Maßnahmen immer wieder eine „anti-chinesische Haltung“ vor. So schrieb etwa die Global Times, „die Beziehungen zwischen China und der EU sollten nicht von Ideologie und Geopolitik vereinnahmt werden“. Aus Sätzen wie diesen spricht die in der chinesischen Politik weitverbreitete Haltung, die EU sei kein eigenständiger Akteur, sondern lasse sich von den USA in den Systemkonflikt mit China hineinziehen. Auch Chinas Premierminister Li Qiang scheint das so zu sehen. Beim Weltwirtschaftsforum in Davos in der vergangenen Woche beklagte er, einige Länder würden versuchen, andere Staaten „einzudämmen“. Gemünzt war das wohl auf die USA und die EU gleichermaßen. Sein eigenes Land hingegen versuchte Li als Gegenmodell zum Protektionismus des Westens zu verkaufen: „China ist ein Land, das das Vertrauen der Welt verdient.“

Wan-Hsin Liu hält das Bekenntnis des chinesischen Premiers zur freien Marktwirtschaft für wenig glaubwürdig. Zwar sei China auf ausländische Investitionen angewiesen, etwa im Hightech-Bereich. Zudem brauche das Land „aufgrund des schwachen einheimischen Konsums und der großen Überkapazität vieler Sektoren den ausländischen Markt mehr denn je“. Dennoch öffne sich die Volksrepublik nicht ausreichend fürs Ausland – sondern immer nur bis zu jenem Punkt, an dem Peking seine eigenen Interessen gefährdet sehe. Das sei etwa dann der Fall, wenn die „nationale Sicherheit“ China betroffen sei – und die hat für Staats- und Parteichef Xi Jinping oberste Priorität. „China ist bereiter denn je, eine langfristig schwächere wirtschaftliche Entwicklung dafür im Kauf zu nehmen“, sagt Liu. Und das bekommen längst auch die Europäer zu spüren.

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