Trotz Hilfe aus dem Westen: Rüstungsindustrie der Ukraine wächst nur langsam
Nach mehreren Jahren Krieg werden Waffen und Munition in der Ukrainer knapper. Die ukrainische Rüstungsindustrie hinkt bei der Produktion hinterher.
Kiew – Im Ukraine-Krieg setzten die Truppen von Wolodymyr Selenskyj immer mehr auf Waffen der Marke Eigenbau. Allein im Jahr 2023 haben die ukrainischen Rüstungsunternehmen dreimal so viele gepanzerte Fahrzeuge gebaut wie vor dem Krieg und die Produktion von Panzerabwehrraketen vervierfacht. Das geht aus Dokumenten hervor, die der New York Times vorliegen. Doch die ukrainische Rüstungsindustrie steht noch vor großen Herausforderungen: Denn die Zeit drängt und der Munitionsbedarf wächst.
Rüstungsindustrie in der Ukraine: Beschaffung von Munition große Herausforderung
Gerade Munition ist in der Ukraine schwierig zu produzieren. Für die Herstellung der 155-Millimeter-Artilleriemunition für den Krieg gegen Russland soll die Ukraine noch Unterstützung vor Ort bekommen. In der ukrainischen Fertigungsstätte, die noch entstehen soll, will Europas größter Munitionshersteller Rheinmetall jährlich eine sechsstellige Zahl der besagten Artilleriekaliber fertigen.

Doch gerade die Herstellung und Beschaffung von Munition ist schwierig und gerät offenbar ins Stocken. Das gilt nicht nur für die Produktion in der Ukraine. „Es dauert, bis eine neue Munitionsfabrik den Betrieb aufnehmen kann und ihre volle Kapazität erreicht. Da sind die Bearbeitungszeiten für Bauanträge zu neuen Fabriken. Vormaterialien müssen beschafft werden“, sagte Sicherheitsexperte Rafael Loss im Interview mit der Tagesschau. Europa müsse die Produktion von Artilleriemunition und auch von allen anderen Rüstungsgütern zu erhöhen. „Hierzu haben sich die westlichen Staaten zu spät entschieden – und es geht auch nur langsam voran“.
Ukrainische Rüstungsindustrie angewiesen auf westliche Hilfe
Laut der New York Times muss die Ukraine ihre Rüstungsindustrie vor allem stärker ausbauen, wenn sich das Land unabhängiger von westlichen Waffen-Lieferungen machen will. Ob dies rechtzeitig geschehen kann, um den Verlauf eines Krieges zu ändern, bleibe abzuwarten. Experten sind sicher, dass dies nicht in absehbarer Zeit möglich sein wird.
Denn derzeit ist die ukrainische Rüstungsindustrie stark auf Hilfe aus dem Westen angewiesen. Die Ukraine setzt dabei besonders auf die Hilfen aus der EU und den Vereinigten Staaten. „Wenn sich die Europäer in dem von ihnen versprochenen Umfang an der (Munitions-)Entwicklung beteiligen, denke ich, dass wir das Problem des ‚Granatenhungers‘ mit der Zeit lösen werden“, sagte Oleksandr Syrskyi, Kommandeur der ukrainischen Streitkräfte, in einem jüngst veröffentlichten Interview mit den staatlichen Medien der Ukraine.
Rüstungsindustrie in der Ukraine hinkt hinterher – Munitionsbedarf wächst
Jedoch stellt sich die Frage, wann der Westen den Munitionsbedarf der Ukraine decken kann. Bereits jetzt gibt es die Befürchtung, dass dies erst in einigen Jahren geschehen wird. So rechnet Ökonom Guntram Wolff damit, dass die EU frühestens 2026 den ukrainischen Munitionsbedarf decken kann. Die EU musste bereits einräumen, dass sie ihr Munitionsversprechen an die Ukraine nicht einhalten kann. Bis März hatten sie der Ukraine eigentlich eine Million Schuss Artilleriemunition zugesagt.
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Nach Angaben ukrainischer und amerikanischer Beamter hat zudem kein großer amerikanischer Waffenhersteller Pläne zur Eröffnung von Produktionslinien in der Ukraine angekündigt. Doch das könnte sich bald ändern: Einige hochrangige US-Führungskräfte haben laut New York Times in den vergangenen Wochen Kiew besucht, um sich mit Alexander Kamyschin, Minister für strategische Industrien, und anderen Beamten zu treffen.
Russland produziert etwa dreimal so viel Munition wie USA und EU zusammen
Indes hat Wladimir Putin Russlands Wirtschaft in den Modus der „Kriegswirtschaft“ umgestellt. Zum einen hat er die Militärausgaben hochgefahren, was zwar das Wirtschaftswachstum ankurbelt, aber zugleich desaströse Langzeitfolgen für die russische Wirtschaft haben wird.
Zum anderen erhöht Russland offenbar die Produktionskapazitäten in der Rüstungsindustrie. CNN zufolge soll Russland monatlich etwa 250.000 Stücken an Artilleriemunition produzieren, also 3 Millionen pro Jahr. Die USA und Europa kommen gemeinsam auf nur etwa 1,2 Millionen Stück pro Jahr. CNN beruft sich dabei auf Angaben des Nato-Geheimdienstes, sowie aus Informationen hochrangiger Geheimdienstmitarbeiter. (bohy)