Pläne für EU-Rüstungsindustrie gehen nicht auf – Munitionsbedarf der Ukraine erst 2026 gedeckt?
Gemeinsame Rüstungsindustrie und Umstellung auf „Kriegswirtschaft“: Die EU hat große Pläne. Jedoch gibt es auch Nebenwirkungen, argumentieren Experten.
Berlin – Richtiger Schritt, mangelnde Wirkung? Die EU will in Zeiten des Ukraine-Kriegs Pläne für eine gemeinsame Rüstungsindustrie hochfahren. Die von der EU-Kommission angestrebten Pläne umfassen unter anderem einen Markt für Rüstungsgüter. Zentral ist der Vorschlag, dass die gemeinsame Beschaffung von Waffen zur Norm werden soll. Doch offenbar muss die EU einige der Vorhaben nochmal durchdenken.
Forderung nach gemeinsamer EU-Rüstungsindustrie wegen Ukraine-Krieg
Jüngst wurden Forderungen nach einer gemeinsamen EU-Rüstungsindustrie wurden immer lauter. „Wir haben einen sehr fragmentierten Verteidigungsmarkt, und das muss sich ändern“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen im Februar der Financial Times.

Erstmals hat die EU deshalb im März eine Strategie für eine Rüstungsindustrie vorgelegt. Mit der neuen Strategie soll garantiert werden, dass die europäische Rüstungsindustrie schneller, besser und gemeinsam produzieren könne, sagte Thierry Breton, der für den Binnenmarkt zuständige EU-Kommissar.
EU plant gemeinsamen Rüstungsmarkt – doch mit welchem Geld?
Künftig soll ein neues Gremium Bedarfe der EU-Mitgliedstaaten beim Waffenverkauf vermitteln, außerdem soll es Rüstungskooperationen, gemeinsame Beschaffungsregeln, Steueranreize und EU-Gelder geben. Die EU-Kommission will auch die Ukraine in die Pläne involvieren. Jedoch bleiben noch viele Fragen ungeklärt.
Der Ökonom Guntram Wolff lobt in einer Studie der Brüsseler Denkfabrik Bruegel zwar, die Kommission setze für die künftige verteidigungspolitische Debatte in der EU den richtigen „neuen Ton.“ Allerdings gäbe es noch Unklarheiten bei den Finanzierungsfragen. Sowohl die Kommission als auch die Staaten hätten Diskussionen vermieden, welche gemeinsamen Finanzquellen eine gemeinsame Rüstungsbeschaffung erfordere.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) deutete nach einem Treffen mit den Vertretern der deutschen Rüstungsindustrie zudem an, dass es zudem Optimierungsbedarf bei den Ausgaben der Verteidigungsindustrie gibt. Das Volumen, das Europa für Verteidigung ausgebe, sei nicht gering, sagte Habeck am Mittwoch (27. März). „Aber wir geben die Gelder nicht immer effektiv aus.“
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EU-Kommission will gemeinsam aufrüsten – lehnt sie sich zu sehr aus dem Fenster?
Ein weiterer Kritikpunkt von Wolff ist der zu große Optimismus mit Blick auf die Produktionskapazitäten. Die EU-Kommission schätze das derzeitige Produktionspotential der Rüstungswirtschaft in der EU zu optimistisch ein und unterschätze damit die Herausforderung, genügend Waffen und Munition für die Ukraine herzustellen, zitierte die F.A.Z. aus der Studie.
Frühestens 2026 sei die EU in der Lage, den ukrainischen Munitionsbedarf zu decken. Die EU musste bereits einräumen, dass sie ihr Munitionsversprechen an die Ukraine nicht einhalten kann. Bis März hatten sie der Ukraine eigentlich eine Million Schuss Artilleriemunition zugesagt.
Kritik an EU-Plänen für gemeinsame Rüstungsindustrie: „nicht auf Kosten des ausländischen Angebots“
Auch versteht Wolff nicht, warum eine stärkere Unabhängigkeit der europäischen Rüstung für die Kommission so wichtig ist. Laut Plänen der EU-Kommission soll der Importanteil von Rüstungsgütern bis 2030 auf 50 Prozent sinken. Zum einen gehe nicht aus den Plänen hervor, warum die Kommission so viel Wert auf die Unabhängigkeit legt.
Zum anderen lasse sich vor allem die Abhängigkeit von der amerikanischen Rüstungsindustrie nicht ohne Weiteres reduzieren. Eine höhere Rüstungsproduktion in der EU sei zwar notwendig. „Sie darf kurzfristig aber nicht auf Kosten des ausländischen Angebots gehen“, schreibt Wolff.
EU plant gemeinsame Rüstungsindustrie – Deutschland will Produktion ankurbeln
Sollte die EU-Kommission die Pläne bald umsetzen, könnten auch auf Deutschland eine wichtige Rolle zukommen. Bereits jetzt begrüßen Vertreter die Steigerung von Güter-Produktionen. „Wenn wir nach Russland schauen, müssen wir sehen, dass wir die Produktion von Gütern, die die Sicherheitsfähigkeit des Landes erhöhen, auch in Deutschland und in Europa steigern“, sagte Vizekanzler Habeck am Mittwoch. Weitere Besprechungen dazu sollen folgen. (bohy mit Material der dpa)