Merz lobt Demonstrationen – und sieht in AfD-Geheimtreffen nur „einige verirrte Geister“

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CDU-Chef Friedrich Merz zeigt sich erfreut darüber, dass große Teile der Bevölkerung sich gegen die AfD aussprechen. Seine Äußerungen stoßen aber auch auf Widerspruch.

Berlin – Es waren Hunderttausende, die am Wochenende in ganz Deutschland für die Demokratie auf die Straße gegangen waren und friedlich gegen rechts protestiert haben. Politiker und Organisationen bedankten sich und sprachen überwiegend von einem „klaren Signal“. Auch Friedrich Merz hat die bundesweiten Demonstrationen gegen Rechtsextremismus gelobt. Ein Tweet des CDU-Chefs auf der Plattform X sorgte allerdings bei vielen Menschen für Widerspruch.

„Es ist sehr ermutigend, dass tausende Menschen in ganz Deutschland friedlich gegen Rechtsextremismus demonstrieren. Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild gegen jede Form von Extremismus und Rassismus, gegen Hass, Hetze und Geschichtsvergessenheit“, hatte Merz (oder sein Team) am Samstag (20. Januar) geschrieben – und sich damit auf die Seite der Demonstrierenden gestellt.

Statement Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion Friedrich Merz
Friedrich Merz: „Wir zeigen gemeinsam ein Stoppschild“. (Archivfoto) © Marco Rauch/dpa

Merz‘ Solidarität stößt auf Widerspruch

Die Äußerung brachte Merz Kritik von allen Seiten ein. Während ihm einige Kommentatoren eine „billiges Zu-Kreuze-Kriechen“ vorwarfen, und von einer „Anbiederung an den Zeitgeist“ sprachen, ging der Tenor der meisten Reaktionen eher in die andere Richtung. Auch hier war von Anbiederung die Rede, aber man witterte eine gezielte Taktik: „Merz ist Populist und Opportunist. Er versucht, nach tagelanger Funkstille nun, sich anzubiedern an die Demonstranten und Verteidiger der Demokratie. Durchsichtiges Manöver. Sehr durchsichtig“

„Ich finde, das ist ein äußerst ermutigendes Zeichen einer lebendigen Demokratie, dass sich in einer so großen Zahl Menschen auf die Straße begeben“, sagte Merz auch am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Caren Miosga“. Sie hätten „für den Erhalt unserer Demokratie, unseres Rechtsstaates, unserer Freiheit“ demonstriert und das finde er toll. „Wir machen da schon mit und das ist auch in Ordnung“, fügte Merz mit Hinweis auf CDU und CSU hinzu.

Merz widerspricht Wüst: „Nicht alles Nazis“

Gleichzeitig warnte der CDU Chef an anderer Stelle allerdings davor, die AfD eine „Nazi-Partei zu nennen“. Einen Frontalangriff auf die Rechtsaußen-Partei oder deren Unterstützer wollte Merz nicht ausrufen. Der Oppositionsführer im Bundestag widersprach damit seinem Parteikollegen und NRW-Ministerpräsidenten Hendrik Wüst, der die AfD ausdrücklich als „Nazi-Partei“ bezeichnet hatte. „Natürlich gibt es da richtige Nationalsozialisten. Aber deswegen sind die Wählerinnen und Wähler dieser Partei nicht alles Nazis“ betonte Merz. „Und wenn wir die zurückgewinnen wollen für die demokratischen Parteien unseres Landes, dann dürfen wir sie nicht beschimpfen.“ Wichtiger sei, die Probleme im Land zu lösen, dann werde der Zuspruch für die Rechtspartei wieder kleiner. „Die Nazi-Keule, die bringt uns nicht weiter.“ Welche Probleme genau er meinte, und von wem sie gelöst werden könnten, ließ Merz allerdings offen.

Merz erneuerte die Absage der CDU an eine Zusammenarbeit mit der AfD, räumte aber ein, dass eine Abgrenzung auf kommunaler Ebene manchmal schwierig sei - dies gelte aber für alle Parteien. CDU oder SPD könnten nicht einen Antrag zurückziehen, nur weil die AfD am Ende auch dafür stimme.

Der CDU-Chef forderte die Bürgerinnern und Bürger zugleich auf, sich verstärkt in den politischen Parteien der Mitte zu engagieren. „Wenn jeder Zehnte von denen, der heute demonstriert hat, morgen in eine politische Partei eintritt, sei es die SPD, die FDP, die Grünen, die CDU, die CSU, dann ist mindestens genauso viel geholfen“, betonte er. In der fehlenden Mitarbeit „liegt auch ein Teil der Schwäche unserer Demokratie“. 

Merz sieht keine Parallelen zur Wannsee-Konferenz

Auch Vergleiche zwischen dem kürzlich bekanntgewordenen Treffen Rechtsradikaler in Potsdam und der Wannseekonferenz der Nationalsozialisten lehnte Merz als unhistorisch ab. Über die Wannseekonferenz vom 20. Januar 1942 schrieb Merz am Sonntag in seinem Newsletter: „Da saßen nicht einige verirrte Geister zusammen, das waren sie auch; aber es waren vor allem die maßgeblichen Verbrecher des SS-Staates, der sich fest in der Hand der Nationalsozialisten befand.“ Dort sei „die längst begonnene, systematische Vertreibung und Ermordung der Juden in Europa noch einmal beschleunigt“ und der Übergang auf die „genozidale Vergasung“ beschlossen worden. Merz verwies in diesem Zusammenhang auf das Werk „Weltenbrand“ des britischen Historikers Richard Overy.

Bei der Wannseekonferenz hatten hohe NS-Funktionäre vor 82 Jahren über die systematische Ermordung von bis zu elf Millionen Juden Europas beraten. Ziel der Besprechung in einer Villa am Wannsee war es, die Umsetzung des Völkermords zu beschleunigen.

Merz glaubt an die „wehrhafte Demokratie“

Nach Enthüllungen des Recherchezentrums Correctiv über ein Treffen von Rechtsextremisten am 25. November 2023, an dem AfD-Politiker sowie einzelne Mitglieder der CDU und der sehr konservativen Werteunion in Potsdam teilgenommen hatten, war in der Debatte zuletzt immer wieder an die Wannseekonferenz erinnert worden. Auch bei den Kundgebungen und Demonstrationen am Wochenende wurde der Vergleich oftmals gezogen. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte kürzlich, dass sie sich durch das Treffen daran erinnert fühle – machte aber zugleich deutlich, dass sie beides nicht gleichsetzen wolle. (skr/dpa)

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