Memminger Mordprozess neigt sich dem Ende zu: Plädoyers vorgetragen
Mordprozess in Memmingen neigt sich dem Ende zu: Plädoyers vorgetragen – Urteil wird erwartet
Bei einem Wohnungsbrand in Memmingen kam ein Mann ums Leben. Dessen Ehefrau wird Mord vorgeworfen. Vor dem Landgericht wurden die Plädoyers gehalten.
Memmingen – Der Fall sorgte vor etwas mehr als einem Jahr für Schlagzeilen: Bei einem Wohnungsbrand in Memmingen kam ein Mann ums Leben. Schnell geriet die 34-jährige Ehefrau des verstorbenen 38-Jährigen ins Visier der Ermittler. Am Morgen des 5. November trafen sich Vertreter der Presse und Zuhörer im Sitzungssaal 132 des Landgerichts Memmingen. Das Gericht hatte für diesen Tag die Verkündung der Plädoyers im eingangs genannten Fall angesetzt (wir berichteten). Beide Seiten gaben detailreiche Auskunft über die Umstände und Gründe für ein entsprechendes Urteil, welches am 12. November verkündet werden soll.
Mordprozess in Memmingen neigt sich dem Ende zu: Plädoyers vorgetragen – Urteil wird erwartet
Von Seiten der Staatsanwaltschaft sprachen einige Gründe für die Schuld der Angeklagten. Einerseits habe es explizite Suchanfragen im Internet gegeben, welche vom Mobiltelefon der mutmaßlichen Täterin gestartet wurden. Unter anderem wollte sie in Erfahrung bringen, welche Todesursachen bei kerngesunden Menschen auftreten können, ob man Schlaftabletten und K.O.-Tropfen im Blut eines Verstorbenen nachweisen könne und ob eine Lebens- und Unfallversicherung im Fall eines Todes durch einen Brand zahlt. Diese und ähnliche Fragen stellte sie einer Suchmaschine im zeitlichen Rahmen von mehreren Monaten. Das sei noch lange kein Zeichen für eine Straftat, könne aber ein wichtiges Indiz sein, wenn man es in den richtigen Kontext setzt.
Erstmals über Mordfälle und mögliche Todesursachen informierte sich die Angeklagte im Jahr 2022. Hierbei soll sie sich auch informiert haben, wo man K.O.-Tropfen erwerben könne.
Bei einem gemeinsamen Urlaub in Albanien habe die Ehefrau im Internet nach einer Möglichkeit gesucht, dort potenziell tödliche Medikamente zu kaufen. Auch den Transport solcher im Flugzeug nach Deutschland habe sie in Erfahrung bringen wollen, zeigte die Auswertung der Suchanfragen auf ihrem Smartphone.
Nachdem ihr Unterfangen in Albanien nicht erfolgreich gewesen sein soll, habe sie sich hier im Lande noch fünf Mal bemüht, an sedierende bzw. möglicherweise tödliche Substanzen zu gelangen. Unter anderem recherchierte sie zu Schlafmitteln und -tabletten sowie dem giftigen Rizin, welches aus dem Samen des Wunderbaums gewonnen wird. Dieses Gift ist bei oraler Aufnahme ab einer Dosierung von wenigen Milligramm pro Kilogramm Körpergewicht tödlich und führt zum langsamen Absterben der Körperzellen.
Am 29. Januar 2022 wollte die mutmaßliche Mörderin wissen, ob sich die Einnahme von Schlaftabletten im Blut nachweisen lasse. Wieder konsultierte sie hierfür das Internet.
Im Zeitraum vor dem Tod ihres Ehemannes hat die Frau sich auch über Lebensversicherungen informiert und auch welche abgeschlossen. Zum Todeszeitpunkt ihres Mannes liefen zwei Versicherungen mit einer Gesamtversicherungssumme in Höhe von 2,4 Millionen. Die Staatsanwaltschaft sieht hier als mögliches Motiv Habgier. Anders fasste die Strafverteidigung diesen Umstand auf. Die Familie habe keinerlei finanzielle Nöte gehabt. Durch Mieteinnahmen haben die Eheleute über genügend Rücklagen verfügt, die Versicherung sei lediglich eine Absicherung gewesen. Die Strafverteidigung, nannte die Versicherungen eine logische Sache, denn der Mann sei schließlich der Alleinverdiener der Familie gewesen.
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Memminger Mordprozess: Äußere Umstände – Auffassung der Staatsanwaltschaft zum Tathergang
Die beschuldigte Frau und ihr Mann hatten, so die Strafverteidigung, eine zerrüttete Ehe. Die fünf gemeinsamen Kinder, das Jüngste im August 2022 geboren, habe der Vater liebevoll gepflegt. Er habe sogar sein Arbeitsvolumen reduziert, sei Anfang 2023 in Elternteilzeit gegangen. Das Verhältnis zwischen dem mutmaßlichen Opfer und besonders seinem Schwiegervater sei kein Gutes gewesen.
Die Staatsanwaltschaft fasste ihre Auffassung des Tathergangs basierend auf den Indizien wie folgt zusammen: Am 6. Mai 2023, einem Samstag, soll die Angeklagte ihren Ehemann, der sich zu diesem Zeitpunkt in einer Wettstätte befand, unter dem Vorwand ein weiteres Kind zeugen zu wollen in die gemeinsame Wohnung beordert haben. Dort habe sie ihm ein Schlafmittel mit dem Wirkstoff Zolpidem verabreicht haben. Ihren Ehemann soll sie dabei glauben haben lassen, es handle sich um ein potenzsteigerndes Mittel. In der Folge der Einnahme sei der Mann eingeschlafen, während sie die Matratze und ein Kleidungsstück in Brand gesteckt habe. Im Anschluss soll sie die Wohnung für mehrere Stunden verlassen haben. Bei ihrer Rückkehr in den Abendstunden habe sie die Feuerwehr über Rauchentwicklung in ihrem Zuhause informiert. Den Rettungskräfte habe sie angegeben, es befinde sich keine Person in ihrer Wohnung. Als Aufenthaltsort ihres Mannes habe sie angegeben, er sei in der Wettstätte.
In Betrachtung der belastenden Suchanfragen, der mutmaßlichen Falschaussage gegenüber der Feuerwehr sowie auch der Aufenthalt ihres Mobiltelefons in der entsprechenden Funkzelle und anderer Indizien spricht sich die Staatsanwaltschaft für die Schuld der Frau aus. Die Angeklagte habe über Monate hinweg eine Tat geplant, vorbereitet und schließlich durchgeführt. Mindestens eine Person habe zudem Kenntnis gehabt über die Tat. Das erschließt sich daraus, dass am Tatabend vom Handy ihres Vaters eine Internetsuche durchgeführt wurde, bei welcher der Benutzer wissen wollte, wie lange eine Person einer Rauchvergiftung ausgesetzt sein müsse, ehe diese zum Tod führt.
Ob der Vater, welcher inzwischen an einer Krebserkrankung verstorben ist, oder seine angeklagte Tochter die Suche starteten, könne nicht nachvollzogen werden.
Memminger Mordprozess: Wusste ein Dritter von dem Brand?
Nicht ausschließen lasse sich, dass mindestens eine weitere Person Kenntnis über den Brand in der Wohnung hatte. Staatsanwalt Roman Stoschek berichtete, dass am Tatabend eine Internetsuche durchgeführt wurde, bei welcher der Benutzer wissen wollte, wie lange eine Person einer Rauchvergiftung ausgesetzt sein müsse, ehe diese zum Tod führt. Das mobile Endgerät, mit dem gesucht wurde, gehörte jedoch dem mittlerweile verstorbenen Vater der Angeklagten.
Ob dieser oder seine angeklagte Tochter die Suche startete, könne nicht nachvollzogen werden. Möglich sei, dass der Vater der Frau den Brand bemerkte, aber seinem „ungeliebten“ Schwiegersohn keine Hilfe leistete. Um seine Tochter vor dem Brand zu schützen, habe er sie zum Abendessen eingeladen.
Memminger Mordprozess: Ein tragischer Unfall oder doch Vorsatz?
Aus Sicht der Strafverteidigung habe sich ihre Mandantin nicht strafbar gemacht. Man gehe von einem tragischen Unfall aus. Eine andere Möglichkeit wäre die Beteiligung eines Dritten, in diesem Fall dem Vater der Angeklagten.
Strafverteidiger Alexander Hamburg ging tiefer auf die Beziehung der Verstorbenen und seiner Mandantin ein. Einerseits sei die Ehe einigen Strapazen ausgesetzt gewesen. Auch der Umgangston zwischen Eltern, welche fünf Kinder betreuen, könne manchmal unfreundlich oder harsch sein. All dies sei noch lange kein Grund, den Ehepartner zu töten.
Der 6. Mai 2023 habe sich laut Strafverteidigung wie folgt zugetragen: Die fünffache Mutter habe den Nachmittag mit einem Kind beim Einkaufen verbracht, die anderen Kinder seien bei ihren Eltern gewesen. Ihr Mann habe sich im Laufe des Tages im Wettstudio aufgehalten. Aus nicht abschließend geklärten Gründen habe er von seiner Frau per Textnachricht gefordert, „ihm den Scheiß zu geben“. Eine weitere Aufforderung war: „es“ ihm hinzulegen. Beim „Scheiß“ und „es“ soll es sich demnach um ein Schlafmittel gehandelt haben, welches seinem Schwiegervater verschrieben worden war. Dieser habe es aufgrund seiner Krebserkrankung erhalten. Der Verstorbene solle unter Schlafstörungen gelitten und sich selbst mit dem verschreibungspflichtigen Medikament behandelt haben.
Was daraufhin passiert sei, könne man nur mutmaßen, trägt Alexander Hamburg vor. Der Verstorbene soll Raucher gewesen sein und sich auch in der Wohnung Zigaretten angezündet haben. Nach der Eigeneinnahme des Mittels müsse er wohl mit der brennenden Zigarette eingeschlafen sein, diese habe dann die Matratze entzündet. Währenddessen sei seine Mandantin außer Haus gewesen und nach einem Abendessen im Elternhaus erst in den Abendstunden zurückkehrte, habe der Glimmbrand sich ausbreiten und den Ehemann tödlich vergiften können. Die Frau bemerkte den Rauch beim Aufsperren der Tür und benachrichtige sofort die Feuerwehr, im Glauben ihr Mann befinde sich noch in der Wettstätte.
Memminger Mordprozess: Schuldig oder unschuldig? – das ist hier die Frage
Die Staatsanwaltschaft beruft sich auf die vielen Suchanfragen auf dem Mobiltelefon der Angeklagten. In Anbetracht dieser, der Zeugenaussagen im Prozess und in Kombination mit logischem Denken, sei die Schuld der Angeklagten klar.
Dafür sprechen auch vier Mordmerkmale, welche der Fall erfüllt:
- Habgier: Die Frau wollte das Geld der Lebensversicherung ihres Mannes
- Das Motiv, eine andere Straftat zu ermöglichen: Den Versicherungsbetrug
- Gemeingefährliche Mittel: Mit dem Feuer habe sie die Anwohner des Wohnblocks in Gefahr gebracht
- Heimtücke: Die Tat habe die Angeklagte über einen längeren Zeitraum geplant, verschiedene Möglichkeiten geprüft und das mutmaßliche Opfer getäuscht.
Nach mehreren Stunden der Anhörung beider Seiten beendete das Gericht den Termin. Die Strafverteidigung der Angeklagten plädiert unter Berufung der Indizien und Umstände auf die Unschuld ihrer Mandantin und fordert einen Freispruch. Die Staatsanwaltschaft sprach sich für eine lebenslängliche Haftstrafe und die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld aus. Die Urteilsverkündung soll am 12. November 2024 stattfinden.
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