Erste Banken verabschieden sich vom Klimaschutz – und empfehlen Klimaanlagen

Die Geschichte klingt zu stereotyp, um wahr zu sein: Kurz nach der Wiederwahl Donald Trumps zum US-Präsidenten verlässt die US-Großbank Morgan Stanley die weltgrößte Bankenallianz gegen den Klimawandel, die Net Zero Banking Alliance (NZBA). Statt die Erwärmung zu bekämpfen, empfiehlt Morgan Stanley nun Investitionen in Klimaanlagen-Hersteller.

Denn: Der Markt für Klimaanlagen könne bis Ende des Jahrzehnts um bis zu 41 Prozent wachsen, heißt es in einer Analyse des Unternehmens aus dem März. An das Ziel aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015, die globale Erwärmung auf maximal 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen, glaubt man bei Morgan Stanley nicht mehr. „Wir gehen jetzt von einer Drei-Grad-Welt aus“, heißt es stattdessen in der Analyse. Deswegen auch die Klimaanlagen.

Ende der Ambition?

„If you can’t beat them, join them”, besagt ein amerikanisches Sprichwort: „Wenn du sie nicht schlagen kannst, mach mit!“ Umweltschützer fürchten angesichts von Entscheidungen wie dieser um die Zukunft des Klimaschutzes. Dabei gab sich die Finanzbranche in diesem Bereich bis zuletzt äußerst ambitioniert.

Die im Jahr 2021 mit Unterstützung der Vereinten Nationen gegründete Net-Zero Banking Alliance (NZBA) etwa will die Bankenbranche auf einen Netto-Null-Ausstoß von CO2 bis ins Jahr 2050 ausrichten. Eigene Gebäude und Prozesse, Zulieferer und Dienstleister, aber auch Investitionen sollen dann keine Klimagase mehr verursachen.

Vor allem der letzte Punkt ist wichtig, sagt Daniel Esty, Direktor des Zentrums für Umweltrecht und Umweltpolitik an der amerikanischen Elite-Universität Yale Law. Nachhaltige Projekte brauchen Geld. Einer der größten Hebel des Klimaschutzes liege darin, ihnen dieses Geld bereitzustellen, statt es in Projekte zu leiten, die CO2 in die Atmosphäre blasen. Scheitert die Finanzierung von Klimaschutzprojekten, scheitert der Klimaschutz im Ganzen.

Die große Flucht

Doch die Unterstützung der Finanzbranche für den Klimaschutz scheint zu bröckeln. Die ehemals 144 Mitglieder aus 44 Ländern zählende NZBA schrumpft, immer mehr Mitglieder treten wieder aus. Ähnlich geht es „Net Zero“-Bündnissen für Versicherer und Kapitalverwalter: 

  • Kurz vor dem Amtsantritt von US-Präsident Donald Trump verließen JP Morgan, die Bank of America, Citigroup, Wells Fargo und Goldman Sachs die NZBA. Die sechs größten US-Banken sind nun ausgetreten.
  • Die Versicherer Allianz, Axa und Zurich haben die Net-Zero Insurance Alliance (NZIA) verlassen. Die Rückversicherer Munich Re, Swiss Re und Hannover Rück ebenfalls.
  • Die ETF-Anbieter Blackrock und Vanguard sind aus der Net-Zero Asset Managers Initiative ausgetreten.
  • Die Schweizer Großbank UBS liebäugelt ebenfalls mit einem Ausstieg. Die deutsche GLS-Bank ist bereits ausgestiegen. 

Billionen Euro an Vermögenswerten verschreiben sich nun weniger dem Klimaschutz als noch vor drei Jahren. Allerdings: Die Meinungen darüber, ob das dem Klimaschutz tatsächlich schadet, gehen auseinander. 

Ist Trump schuld oder nur ein Vorwand?

Konkret begründet haben nur die wenigsten Banken und Versicherer ihre Ausstiege. Alle betonen jedoch, an ihren Klimazielen festhalten und auch weiter nachhaltige Projekte finanzieren zu wollen. Warum aber verlassen sie dann die Klima-Allianzen?

Eine mögliche Erklärung liegt im Kartellrecht: Republikanische Politiker in den USA werfen den Zusammenschlüssen schon seit Jahren vor, Öl- und Gasfirmen illegal zu boykottieren. Insgesamt 19 republikanische Generalstaatsanwälte hatten im Jahr 2022 Ermittlungen gegen jene sechs US-Banken eingeleitet, die die NZBA jetzt verließen.

Die politische Agenda hinter der Republikaner-Kampagne ist zwar unübersehbar. Nach Angaben von Experten und Branchenvertretern machen sich Geldhäuser aber rechtlich tatsächlich angreifbar, wenn sie in eigenen Bündnissen vereinbaren, einzelne Unternehmen weniger oder gar nicht mehr zu finanzieren. Munich-Re-CEO Joachim Wenning begründete als einer der wenigen Konzernchefs seine Entscheidung zum Ausstieg aus einer Klimaallianz – und verwies auf Kartellrechtsrisiken.

„Ein breit angelegter Rückzug aus dem Klimaschutz“

Verfolgen die Banken ihre Ziele künftig alleine weiter, würde der Klimaschutz darunter also erstmal nicht leiden. Paddy McCully bezweifelt jedoch, dass es so kommt. „Wir beobachten ganz klar einen breit angelegten Rückzug des Finanzsektors aus dem Klimaschutz“, sagt der leitende Analyst bei Reclaim Finance, einer Organisation, die Finanzunternehmen zu mehr Klimaschutz drängen will. Banken nutzten US-Präsident Trump als Vorwand, um Zusagen zurückzunehmen, die sie nie einhalten wollten. Morgan Stanleys Investment-Empfehlung in Klimaanlagen passe da ins Bild. „Zynisch bis zur Schmerzgrenze“ gehe Morgan Stanley vor, kritisiert McCully.

Es gibt jedoch Institute, die auch ausgetreten sind, weil die Bündnisse ihnen zu wenig Klimaschutz betreiben. Etwa der Protest-Austritt der deutschen GLS-Bank Anfang 2023: Die ökologisch ausgerichtete Bank hatte ihren Rückzug damit begründet, dass US-Banken trotz Mitgliedschaft in der NZBA fossile Brennstoffprojekte in Afrika finanzieren. Strengere Regeln lehnten diese Banken aber ab.

Auch so gesehen würden die Austritte dem Klimaschutz nicht schaden. Sie zeigten stattdessen offen, wie wenig ohnehin passiert wäre. Der Ausstieg von Banken, die den Klimaschutz nie ernst genommen haben, liefere eine Chance für echte Fortschritte, meinen etwa die Klimaschützer von Facing Finance.

Ohne Öl und Gas drohen niedrigere Gewinne – zumindest kurzfristig

Todd Cort hält beide Erklärungen für Vereinfachungen. Der Dozent für Nachhaltigkeit an der Yale-Universität begründet die Austritte mit den gestiegenen Renditen auf fossile Energien. Die Nachfrage nach Öl und Gas wachse weiter stark. Die Net-Zero-Allianzen wollen Investitionen in diese Energiequellen aber verringern.

Schlagen Banken fossile Investitionsgelegenheiten zugunsten weniger rentabler oder riskanterer nachhaltiger Projekte aus, verringern sie ihre Gewinne. Ihren Kunden bieten sie dann schlechtere Konditionen als Konkurrenten, die in Öl und Gas investieren. Die Kunden wandern ab. Aus dieser Sicht schaden Nachhaltigkeits-Standards dem Geschäft.

Zwar schaden Investitionen in neue Öl- und Gasprojekte auch Klima und Wirtschaft. Entstehen beispielsweise mehr Dürren, leiden Wälder, Flussschifffahrt und Landwirtschaft. Diese Probleme kosten meist mehr, als die Investitionen einbringen. Sie verteilen sich aber auf die gesamte Gesellschaft, nicht nur auf die einzelne Bank. 

Banken entscheiden also zwischen kurzfristigen Vorteilen für sich selbst und langfristigen Problemen für alle, sagt Cort. Dadurch wählen sie die kurzfristigen Vorteile.

 „Klimawandel bringt nicht viele Chancen“

Corts Kollege Esty glaubt daher, Banken und Versicherer werden auch nach ihren Austritten aus Net-Zero-Allianzen in nachhaltige Projekte investieren. Die wahre Frage, so Esty sei aber eine andere: „Finanzieren diese Banken – und alle anderen auf der Welt – auch weiter fossile Energieprojekte?“ Die Chancen dafür stehen zumindest gut – und bedeuten nichts gutes für den Klimaschutz. 

Wie viele Grauzonen in dieser Frage entstehen, zeigt die Kaufempfehlung von Morgan Stanley für Aktien von Klimaanlagenherstellern. „Ich würde unsere Position nicht so beschreiben, dass der Klimawandel viele Chancen mit sich bringt", sagte Stephen Byrd, globaler Leiter für Nachhaltigkeitsforschung bei Morgan Stanley, dem britischen dem britischen  „Guardian“. Klimaanlagen hielten Menschen aber trotz Erderwärmung gesund. Diese Anlagen müssten also finanziert werden, obwohl sie, solange sie Strom aus fossilen Quellen nutzen, den Klimawandel verschlimmern. „Wenn du sie nicht schlagen kannst, mach’ mit!“? In dieser Darstellung klingt das eher folgerichtig als zynisch.

Die Entscheidung liegt beim Kunden

Wie sich Banken künftig im Klimaschutz verhalten, entscheiden auch ihre Kunden. Wer strikt den Anbieter mit den besten Zinsen wählt, landet womöglich bei einer Bank, die in eindeutig klimaschädliche Projekte investiert. Wer das vermeiden will, muss auch auf nachhaltige Kriterien achten und viele Grauzonen durchdenken.

Deutsche Kunden haben es dabei einfacher als amerikanische. Barclays, Commerzbank und Deutsche Bank sind Mitglied der NZBA, Institute wie ING, UBS und Unicredit ebenfalls. Wie lange das bei den deutschen Banken dieser Liste so bleibt, ist offen: Deutsche Bank und Commerzbank ließen Anfragen von FOCUS online Earth zu ihren Plänen unbeantwortet. Die UBS hat ihre Klimaziele seit der Übernahme der Credit Suisse zurückgefahren.