"Man kann nur noch beten": Der Dürre-Kreislauf, der den Bodensee plagt
Glitzerndes, blaues Wasser, auf dem majestätische Ausflugsschiffe schier ohne Anstrengung gleiten, der Leuchtturm am Lindauer Hafen, sich in den sanften Wellen wiegende Boote am Konstanzer Yachthafen: Der Bodensee ist nicht nur Deutschlands größter See, sondern auch ein Sinnbild für unsere Naturschönheiten. Doch genau diese sind jetzt bedroht, denn: Dem Bodensee fehlt Wasser.
Wasserstand im Bodensee: „Außerordentlich niedrig“
„Der Wasserstand ist schon außerordentlich niedrig“, sagt Philemon Diggelmann. Als Leiter für Wasserbau und Hydrometrie am Amt für Umwelt im Kanton Thurgau ist der Schweizer unter anderem zuständig für den Bodensee. Rund 40 Zentimeter liege derzeit der Wasserstand unter dem Durchschnitt, sagt Diggelmann zu FOCUS online Earth.
Laut der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) beträgt der Wasserstand im deutschen Teil des Sees bei Konstanz derzeit 272 Zentimeter – etwa drei Zentimeter höher als der bislang historische Tiefstand für diese Jahreszeit. „Ohne die Wasserpflanzen im Bereich des Seerheins, die den See seit 2007 zunehmend aufstauen, läge der Wasserstand etwa 17 Zentimeter tiefer", schreibt ein LUBW-Sprecher auf Anfrage.
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Wenn die Schneeschmelze ausfällt
Die aktuelle Trockenheit rührt daher, dass ausgerechnet die so wichtige Schneeschmelze dieses Jahr ausgeblieben ist. Die Folgen sind auch im Rhein sichtbar, der aus dem gleichen Grund derzeit untypisch niedrige Wasserpegel vorweist. Dort herrsche bereits Niedrigwasser-Stufe 2, so der LUBW-Sprecher. Für dieses Jahreszeit sind das neue Rekordwerte.
Diggelmann rechnet nicht damit, dass bald noch große Mengen Schmelzwasser aus dem Einzugsgebiet des Bodensees über die Zuflüsse kommen werden. Die einzige Hoffnung bleibt also: Regen. Doch ausgerechnet der ist für die nächsten zehn bis 14 Tage, nicht in Sicht. „Unsere Prognosen gehen derzeit davon aus, dass die Wasserstände zunächst noch um weitere zehn Zentimeter sinken werden“, erzählt Diggelmann am Telefon.

„Da braucht es eine große Menge Regen“
Für den Hydrologen besteht ein Grund zur Sorge. „Das Volumen des Bodensees ist ja riesig“, sagt Diggelmann. „Da braucht es eine große Menge Regen, damit der See wieder aufgefüllt und die normalen Wasserstände erreicht werden können.“
Ein weiteres Problem: Die steigenden Temperaturen im See. Weniger Wasservolumen heißt, dass sich das verbleibende Wasser schneller erwärmt. Seit Beginn der Messungen 1962 ist die Durchschnittswassertemperatur des Bodensees nämlich von 10,2 auf 14,1 Grad im Jahr 2024 geklettert.
Für Pflanzen und Tiere hat dies mitunter desaströse Auswirkungen: Viele Fischpopulationen im Bodensee reagieren ohnehin sehr empfindlich auf Temperaturschwankungen in ihrem Lebensraum. Durch die wärmeren Temperaturen siedeln sich außerdem vermehrt Algen an, die dann wiederum Fischen den Sauerstoff rauben.

„Man kann nur noch beten“
Anderen Fischen, etwa dem Hecht, nimmt der Wassermangel die Laichplätze: Hechte bevorzugen seichte Gewässer im Schilf. Die nächste Generation an Hechten im Bodensee, fürchtet Diggelmann, könnte daher wesentlich kleiner ausfallen.
Viel tun könne man nicht, heißt es – weder an den fehlenden Wassermengen in den Zuflüssen des Sees, noch an den steigenden Temperaturen. Für die Fische, erklärt Hydrologe Diggelmann, könnte man bei den Flüssen prophylaktisch das Uferbett anbaggern und etwas Lebensraum und Rückzugsorte schaffen, zum Beispiel dort, wo der Untersee in den Hochrhein entwässert. „Es wird noch weitere bauliche Maßnahmen geben. Aber das ist ein Tropfen auf dem heißen Stein", so Diggelmann. „Man kann nur noch beten.“
Und die berühmten Ausflugsschiffe am Bodensee? „Fahren können die noch“, meint er. „Allerdings können sie nicht mehr jeden Hafen anfahren.“ Da die Schifffahrt-Saison allerdings erst am 17. April beginnt, könnte sie sich nach einigen trockenen Tagen wieder erholen – wenn der Regen kommt.