Nena und die andere Meinung - Was mir ein Firmenboss übers Bürgergeld erzählte, ließ mich fassungslos zurück
Ich empfinde nämlich genauso wie Westerwelle, der auch sagte: „Die meisten Menschen finden es unerträglich, wenn jemand, der arbeitet, oft weniger hat, als wenn er nicht arbeiten würde.“ Ausgerechnet Altbundeskanzler Gerhard Schröder verdient es, dass ihm bei diesem Thema ein großer Tribut für sein gewagtes Großprojekt Agenda 2010 gezollt wird.
Schröder verlangte mehr Eigenverantwortung
Die Reformierung des Sozialstaates, die im Kern den Slogan fordern und fördern trug, war für einen Sozialdemokraten sehr couragiert. Schröder sagte in seiner Rede zur Ankündigung der Agenda 2010: „Wir werden, meine sehr verehrten Damen und Herren, Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
Genau das braucht es jetzt für Deutschland! Leistung muss sich wieder lohnen und ein industrieller Mitarbeiter mit drei Kindern muss zwingend wesentlich mehr verdienen, als ein Bürgergeld-Empfänger mit drei Kindern Ende des Monats auf dem Konto hat. Manche mögen diese Aussage von mir vermutlich zu hart finden. Doch ich gehe sogar noch weiter: Wir brauchen die soziale Schere. Nur maximal durchlässig muss diese sein.
Der öffentlichen Meinung zufolge darf niemand sagen, dass die soziale Schere durchaus ihre Vorteile hat. Ja, dass wir sie als führende Industrienation brauchen. Die „Privilegierten“ dürfen es schon gar nicht behaupten, ohne schief angeschaut zu werden. Politische Floskeln wie: „Wir müssen den Wohlstand gerechter verteilen“, oder Aussagen wie diese des grünen Wirtschaftsministers Robert Habeck: „In unserer Gesellschaft hat oft schamloser Reichtum stark zugenommen“, kommen bei den meisten Bürgern besser an als das Bürgergeld stärker sanktionieren zu wollen.
Bürgergeld: Sollen Menschen in Deutschland anstrengungslos Geld erhalten?
Fraglich bleibt jedoch, ob man sich im Sinne Habecks wirklich für Reichtum schämen sollte. Oder ob nicht das Versprechen von anstrengungslosem Wohlstand das eigentliche Problem ist. Schließlich sind neben der Umverteilung des „schamlosen“ Reichtums zahlreiche Grüne auch gegen Bürgergeld-Sanktionen. Aber wie sähe das in der Realität aus? Sollen Menschen in Deutschland anstrengungslos Geld erhalten?
Ich finde, es ist nicht verwerflich, dass wir von Kindesbeinen an lernen: Wenn wir etwas erreichen wollen, müssen wir etwas dafür tun. Und wenn wir das Erreichte behalten möchten, erst recht. Viele Väter sagen ihren Kindern beim Schulabschluss: „Mach was aus deinem Leben.“ Damit ist selbstverständlich auch der spätere berufliche Erfolg gemeint. Denn das Auto, von dem wir träumen, müssen wir erstmal verdienen, den Urlaub mit den Freunden genauso. Und wer im Beruf erfolgreich sein will, sollte hart dafür arbeiten, sich weiterbilden und gegebenenfalls auch mal Überstunden schieben.
Für mich eine einfache Wahrheit, die es jedoch nicht für jeden ist. Schenken wir der anderen Meinung einen Augenblick. Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hält von der Debatte über das Bürgergeld nichts. Bezeichnet die Debatte als populistisch und bescheinigt Personen wie mir ein trauriges und falsches Menschenbild.
Die Meinung von Wirtschaftsexperten zu Bürgergeld
Die Haltung des DIW: „Der Unterschied zwischen Arbeit und Bürgergeld sei nicht groß genug. Diesem Argument liegt ein trauriges und auch falsches Menschenbild zugrunde. Für die allermeisten Menschen ist Arbeit sinnstiftend. Sie arbeiten nicht nur, um ein ordentliches finanzielles Auskommen zu haben, sondern auch, weil Arbeit für sie Teil eines erfüllenden Lebens ist. Es gibt viele Millionen Menschen in Deutschland, die ehrenamtlich tätig sind oder sich in der Pflege und Betreuung in der Familie engagieren – ohne nennenswerte finanzielle Entlohnung.“
Das DIW fährt fort: „Manche fordern harte Sanktionen und die Möglichkeit erheblicher Kürzungen des Bürgergelds und eine Pflicht zur Arbeit nach sechs Monaten. Sie suggerieren, Bürgergeldempfänger*innen wollen letztlich nicht arbeiten, und man müsse sie zwingen, sich stärker zu bemühen. Dies mag für einige zutreffen, nicht jedoch für die große Mehrheit.“
Das DIW weiter: „Viel häufiger sind die Gründe eine schlechte Gesundheit, eine fehlende Qualifizierung oder eine unzureichende Betreuungsinfrastruktur für die Kinder.“
Ebenso wenig wie anstrengungslosen Wohlstand gibt es auch keine anstrengungslose Meinung. Bilden Sie sich Ihre eigene. Wenn Sie mich hier in der Kommentarspalte an Ihrer eigenen Meinung teilhaben lassen wollen, würde mich das freuen. Seien Sie sich gewiss, ich lese immer all Ihre Kommentare. Jeden Einzelnen. Jede Woche.
In diesem Sinne: Wenn Sie mögen, lesen wir uns nächste Woche Samstag wieder.
Ihre Nena Brockhaus