Gegen Extremismus – Bundestag einigt sich auf Schutz des Bundesverfassungsgerichts
Der Bundestag stärkt die Unabhängigkeit des Bundesverfassungsgerichts. Nur zwei Parteien sträubten sich gegen die Grundgesetzänderung.
Berlin – Der Deutsche Bundestag hat am Donnerstag (19. Dezember) mit einer deutlichen Mehrheit eine umfassende Reform verabschiedet, um das Bundesverfassungsgericht besser vor politischer Einflussnahme zu schützen. Hintergrund dieser Entscheidung sind wachsende Sorgen über den Einfluss extremistischer Parteien auf die deutsche Justiz. Die Reform soll noch vor der nächsten Bundestagswahl sicherstellen, dass das Verfassungsgericht weiterhin seine entscheidende Rolle als Hüter der freiheitlich-demokratischen Grundordnung erfüllen kann.
Bundestag einigt sich auf Schutz des Bundesverfassungsgerichts
Insgesamt stimmten 600 Abgeordnete für die Grundgesetzänderung, während 69 Abgeordnete dagegen votierten. Die Reform wurde von den Parteien SPD, Union, Grünen, FDP sowie der Linken unterstützt, während AfD und BSW sich dagegen aussprachen.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser betonte in ihrer Rede, dass die Reform notwendig sei, um ein Einfallstor für verfassungsfeindliche Bestrebungen zu verhindern. Dabei spielte sie auch auf die Erfahrungen der Weimarer Republik an und die Versäumnisse der damaligen Demokratie, sich vor ihren Feinden zu schützen.
SPD-Fraktionsvize Wiese zu Verfassungsschutz-Reform: „Demokratie schützen“
Die Reform wird insbesondere durch die aktuellen politischen Entwicklungen in Deutschland motiviert. Die AfD hat bei Landtagswahlen im Osten und in Umfragen an Zustimmung gewonnen, was bei den übrigen Parteien Sorgen aufwarf, dass sie in Zukunft die Möglichkeit hätte, das Bundesverfassungsgericht unter Druck zu setzen.
Es ging auch darum, die Lehren aus der Zeitgeschichte und Ländern wie etwa Polen und Ungarn zu ziehen und die Demokratie zu schützen, erklärte etwa jüngst SPD-Fraktionsvize Dirk Wiese und mahnte gemäß der Süddeutschen Zeitung und mit Blick auf die Verfassungsgerichte: „Schnell werden sie zur Zielscheibe der Politik, wenn kritische Richter unliebsame Urteile sprechen.“
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Angesichts dieser Sorgen haben sich die Abgeordneten auf einen Maßnahmenkatalog verständigt, der zentrale Elemente zur Struktur, Status und Arbeitsweise des Bundesverfassungsgerichts im Grundgesetz verankert. Dazu zählt unter anderem, dass die zwölfjährige Amtszeit der Richter, der Ausschluss einer Wiederwahl sowie eine Altersgrenze von 68 Jahren in der Verfassung festgeschrieben werden
Absicherung des Bundesverfassungsgerichtsgesetzes im Bundestag
Die Reform hebt die bisherigen Regelungen im Bundesverfassungsgerichtsgesetz, die mit einfacher Mehrheit geändert werden konnten, auf eine neue Ebene. Künftig müssen wesentliche Änderungen des Verfassungsgerichts dem Grundgesetz entsprechen, was eine Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat erforderte. Diese Absicherung soll verhindern, dass bei einer Dominanz extremistischer Parteien die Unabhängigkeit des Gerichts gefährdet wird.
Ein zentrales Element ist die Festlegung der Anzahl der Richter und der Senate. Zukünftig wird das Bundesverfassungsgericht aus 16 Richtern bestehen, die in zwei Senate unterteilt sind. Damit wird die Arbeitsfähigkeit des Gerichts in jeder Situation gewährleistet, da festgehalten wird, dass ein Richter seine Amtsgeschäfte bis zur Wahl eines Nachfolgers fortführen muss.
Auch die Geschäftsordnungsautonomie wird ins Grundgesetz aufgenommen, was bedeutet, dass das Gericht seine inneren Angelegenheiten selbst ordnen kann. So könnten Richter beispielsweise selbst entscheiden, in welcher Reihenfolge sie Fälle bearbeiten, um zu verhindern, dass politische Akteure wichtige Entscheidungen hinauszögern, erklärt etwa die Süddeutsche Zeitung.
Bundesrat muss Schutz des Bundesverfassungsgerichts noch zustimmen
Ein wesentlicher Aspekt der Reform betrifft die Wahl der Richterinnen und Richter. Traditionell wird die eine Hälfte von den Abgeordneten des Bundestags gewählt, während die andere Hälfte vom Bundesrat bestimmt wird – stets mit einer erforderlichen Zweidrittelmehrheit. Um sicherzustellen, dass diese Wahlen nicht durch eine Sperrminorität einer extremistischen Partei blockiert werden, wurde ein Ersatzwahlmechanismus implementiert. Dieser erlaubt es, dass das Wahlrecht zwischen Bundestag und Bundesrat rotiert, falls einmal keine Zweidrittelmehrheit erreicht werden kann.
Die Zustimmung des Bundesrats, die am Freitag erwartet wird, wird den letzten Schritt zur endgültigen Umsetzung der Reform bilden. Es ist wahrscheinlich, dass auch die Länderkammer die Änderungen gutheißt. Die Reform wird somit voraussichtlich in naher Zukunft in Kraft treten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für das Verfassungsgericht nachhaltig festlegen.
Demokratische Mitte bereit, gemeinsam den Rechtsstaat zu schützen
Die Beteiligung der verschiedenen politischen Strömungen war nun entscheidend: Das Bekenntnis zur Unabhängigkeit und Stabilität des Bundesverfassungsgerichts zeigt, dass die demokratische Mitte in Deutschland weiterhin bereit ist, auch in einer Zeit politischer Spannungen zusammenzuarbeiten und den Rechtsstaat zu sichern, wie unter anderem die NZZ beobachtet.
Der Blick in die zukünftige politische Landschaft bleibt freilich gespannt. Ob dieser Schutz ausreicht, um das Bundesverfassungsgericht dauerhaft vor politischen Fremdeinflüssen zu bewahren, wird maßgeblich von den kommenden Entwicklungen und der politischen Kultur in Deutschland abhängen. (chnnn)