F-16-Farce im Ukraine-Krieg? Ex-General warnt: Kampfjets sind Putins Luftwaffe klar unterlegen
Reichweite, Steigfähigkeit, Bewaffnung – die Analysten spielen weiter Quartett und fahren fort, die F-16 gegenüber Putins Maschinen schlecht zu reden.
Kiew – „Das ist also ein Problem und das wird auch so bleiben“, sagt Gordon Davis. „Skip“, wie sein Spitzname lautet, ist der stellvertretende Generalsekretär der Nato für die Abteilung für Verteidigungsinvestitionen und hat gegenüber dem Magazin Business Insider (BI) die F-16 erneut schlecht geredet. Gegen Wladimir Putins Luftflotte sähen die bis zu 75 Millionen Dollar teuren West-Flieger der Ukraine eher alt aus.
Davis geht davon aus, dass die F-16 allein schon in der Bewaffnung weniger zu bieten hätten als fast alles, was Russland aufsteigen lassen könnte – „mehrere Hundert ziemlich hochmoderne Flugzeuge“, wie er gegenüber dem BI äußerte; speziell meinte er „die Su-35S, ein modernes Kampfflugzeug zur Jagd auf amerikanische Stealth-Flugzeuge, die Su-30SM, die 2012 ihren Jungfernflug absolvierte, und die MiG-31, ein Überschall-Abfangjäger“, wie ihn der BI zitiert. An Radar und Raketen hätte die F-16 seiner Meinung nach schlechte Chancen im Vergleich. Aber auch eine MIG-29 fliegt noch. Auf beiden Seiten.
Unzufrieden mit F-16-Kampfjet-Lieferungen im Ukraine-Krieg: Selenskyj kritisiert weiter aus vollen Rohren
In seiner Kritik fährt auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj immer wieder schwere Geschütze auf und kritisiert aus vollen Rohren. „Die Russen setzen 300 Flugzeuge auf dem Territorium der Ukraine ein. Wir brauchen mindestens 120, 130 F-16-Flugzeuge, um am Himmel Widerstand zu leisten“, sagt er kürzlich in einem Interview mit der Nachrichtenagentur Reuters. Laut verschiedenen Medien soll die Ukraine zwischen 60 und 80 F-16 aus verschiedenen Nato-Ländern erhalten, der Zeitpunkt der Ankunft aller Maschinen ist ungewiss; möglicherweise sollen insgesamt 20 bis Ende 2024 geliefert sein.
Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die F-16, selbst wenn man sie mit der größtmöglichen Munitions- und elektronischen Kriegsführungskapazität ausstattet, immer noch ziemlich anfällig gegenüber der Bodenverteidigung und einigen der modernsten Kampfflugzeuge aus Russland sind.“
„Man kann viele schnelle Jets haben, aber wenn diese nicht über wirksame Waffen verfügen und die Besatzungen nicht in der Lage sind, sie mit wirksamen Taktiken einzusetzen, werden sie einfach in großer Zahl abgeschossen“, sagt Justin Bronk. Wie viele andere bezweifelt auch der Analyst der Denkfabrik Royal United Services Institute (RUSI) die schnelle Wirksamkeit der westlichen F-16-Kampfjets im Ukraine-Krieg, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtet. Vor allem behauptet Russland immer wieder, die Maschine würde Atomwaffen ins Land hineintragen. Zumindest hineintragen können. Allein deshalb steht sie für Russland weit oben auf der Abschuss-Liste.
Der Luftkampf, wie er zu sehen ist in Spielfilmen aus dem Ersten und Zweiten Weltkrieg, gehört allerdings der Geschichte an. „Moderne Kampfjets sind technisch so ausgereift, dass sie sich nur noch in Ausnahmefällen direkt in der Luft gegenüberstehen. Ausgestattet mit Computern, Sensoren, Täuschkörpern und selbst lenkenden Raketen kämpfen die Jets aus großer Entfernung – sowohl in der Luft als auch gegen Ziele am Boden“, schreibt die Bundeswehr in ihrem Magazin Y. Und auch die F-16 werde wohl eher als Artillerie am Himmel eingesetzt – das vermutet jedenfalls David Kern, wie Radio Free Europe einen Testpiloten der US-Luftwaffe zitiert.
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Schmerzlicher Verlust im Ukraine-Krieg: Der erste Crash eines F-16-Kampfjets lässt die Zweifler lauter werden
Ohnehin hatte der schmerzliche Verlust mit dem Crash der ersten F-16 der Ukraine Ende August die Euphorie der ganzen Welt gedämpft und die Zweifler lauter werden lassen. Seitdem hat die Ukraine auch noch keine durchschlagenden Erfolge aufgrund der F-16 publiziert – und das, obwohl die Waffe seit Juni offensiv im Einsatz sein könnte und sich die Ukraine dadurch auch eine Wende des Krieges versprochen hatte. „Unter dem Strich lässt sich sagen, dass die F-16, selbst wenn man sie mit der größtmöglichen Munitions- und elektronischen Kriegsführungskapazität ausstattet, immer noch ziemlich anfällig gegenüber der Bodenverteidigung und einigen der modernsten Kampfflugzeuge aus Russland sind“, warnt Davis gegenüber dem Business Insider.
Tatsächlich scheint Wladimir Putin jetzt verbesserte Versionen seines Su-30-Mehrzweck-Zweisitzers an die Front zu schicken – und das womöglich allein schon aufgrund der Ankunft der westlichen F-16 in der Ukraine. „Unsere Militärpiloten haben sozusagen gezeigt, dass sie auf die Ankunft der Nato-Flugzeuge durchaus vorbereitet sind und ihnen gebührend entgegenkommen werden“, schrieb das Magazin Newsweek im Mai unter Berufung auf das russische Online-Medium Top War.
Geplatzte Träume: Sogar mit F-35-Kampjets hatte die Ukraine geliebäugelt
Demnach böten die Maschinen eine verbesserte Avionik, also vornehmlich ein Radar mit erhöhter Reichweite, weil genau das auch die Kompetenzen der F-16 charakterisiert. Ebenfalls soll die Su-30 mit ebenso in der Reichweite verbesserten Raketen nachgerüstet worden sein. Pikant daran ist, dass die Ukraine bereits 2021 ihre Luftflotte hat modernisieren wollen, wie die Zeitschrift Flugrevue berichtet hatte: Demnach hätte die Ukraine sogar mit der F-35 geliebäugelt. Laut Flugrevue-Autor Patrick Zwerger soll das Geschäft vor allem finanziell gescheitert sein, aber die USA hätten der Ukraine auch schon damals als Alternative die F-16 angeboten gehabt.
Zu dem Zeitpunkt soll die Ukraine nach Ersatz gesucht haben für deren MiG-29 und Su-27. Seit langem ereifern sich Beobachter vor allem an der Frage, welche Maschine in einem Luftkampf die Hoheit behalten würde: die F-16 oder ihre Konkurrentin MIG-29. Eine Frage, die wahrscheinlich nie beantwortet werden wird. Das Magazin Newsweek hatte Mitte vergangenen Jahres einen polnischen Piloten einen Hinweis geben lassen.
Noch hat Putin von den Qualitäten der F-16-Kampfjets im Ukraine-Krieg wenig zu spüren bekommen
Der Quelle zufolge ist die F-16 zwar für einen effizienten Einsatz in modernen Konflikten konzipiert worden, die MiG-29 dagegen eher ein „Geist“ aus einer vergangenen Ära, wie Newsweek zitiert. „Ich würde diesen Jet nicht gern in einem echten Kampf fliegen“, soll der Pilot geschlussfolgert haben. Newsweek hatte auf die Quelle gesetzt, weil der polnische Leutnant sowohl fünf Jahre die MIG-29 als auch im Anschluss die F-16 gesteuert hatte. „Ich könnte den ganzen Tag über die Vorteile der F-16 gegenüber der MiG-29 reden, aber ich denke, das ist nicht fair, denn das sind heutzutage zwei verschiedene Ligen“, sagte der Pilot gegenüber dem Magazin.
Grundsätzlich bemängelt der Pilot an dem eigentlich sowjetischen Flieger die im Vergleich zur F-16 geringeren Kapazität der Datenverarbeitung. F-16-Flugzeuge könnten demnach mehrere Ziele verfolgen und angreifen und seien an ein taktisches Datennetzwerk angeschlossen, das den Piloten ein besseres Lagebewusstsein ermögliche, lobt der Flieger. „Bei den MiG, so erzählte er, ‚war man von den Bodenlotsen abhängig, um den Gegner zu finden‘.“ Das gelte auch im Groben für die unterschiedlich ausgereiften Nachtsichtfähigkeiten. Trotz allen Lobes: Noch hat Putin von den Qualitäten der F-16 wenig zu spüren bekommen.
Kalte Krieger unter sich: MIG-31 gegen F-16-Kampfjet und der Vergleich, der kaum hilft
Auch die MIG-31 gilt als Flieger des Kalten Krieges und insofern als Alteisen, wie ihn der Stern kürzlich abgekanzelt hat. Die Medien-Einschätzungen lesen sich generell wie Quartett-Karten auf dem Schulhof: Die MIG-31 hat mehr Reichweite, die F-16 ist halb so schwer. Die MIG soll 900 km/h schneller sein, die F-16 hat dafür das weitreichendere Radar. Der Vergleich der Papierform hat schon im Vergleich der Panzer und der Artillerie kaum geholfen, im Krieg einen entscheidenden Akzent zu setzen.
Die Ukraine kämpft mit Waffen des Westens in einer Tradition des Ostens – gezwungenermaßen. Diese Realität bedeute, dass auch erfahrene Kampfpiloten „Zeit brauchen werden, um sich effektiv umzustellen“, schreiben Christopher Koeltzow, Brent Peterson und Eric Williams. Die Umstellung brauche womöglich Zeit oder eine grundsätzlich neue Orientierung in diesem Krieg, stellen die Wissenschaftler des Center for Strategic and International Studies (CSIS) zur Diskussion – demnach sei das Problem außerhalb der Technik zu suchen.
„Obwohl ukrainische Kampfpiloten bereits über grundlegende Flugfähigkeiten verfügen, erfordert die Anpassung an ein Flugzeug mit einer grundlegend anderen Cockpitoberfläche und Instrumentenanordnung, die auf einem anderen Konzept der Ergonomie basiert, eine andere Denkweise.“ (Karsten Hinzmann)