Erinnern Sie sich an den Namen Jeffrey Goldberg? Goldberg ist der Chefredakteur des US-Magazins „The Atlantic“. Er ist der Journalist, der versehentlich in einen geheimen Gruppenchat der Trump-Regierung aufgenommen wurde, in dem hochsensible Militärpläne erörtert wurden - ein Sicherheitsskandal sondergleichen, der weltweit für Aufsehen und Empörung sorgte. Der US-Präsident übte damals scharfe Kritik an dem Magazin, dass über das Leck exklusiv berichtete.
Goldbergs Kollegen Ashley Parker und Michael Scherer kassierten vor einiger Zeit ebenfalls herbe Worte von Donald Trump höchst persönlich. Auf Truth Social beschimpfte er sie als „Radikale Linke“ und „Lügner“.
Trump wird von verhassten Journalisten überrascht und gibt ein Interview
„Ashley Parker ist nicht in der Lage, ein faires und unvoreingenommenes Interview zu führen. Sie ist eine radikale Linke und war so schrecklich wie möglich, solange ich sie kenne“, schrieb Trump im März. „Bis heute weiß sie nicht einmal, dass ich die Präsidentschaft DREI Mal gewonnen habe“. Und Michael Scherer „hat noch nie eine faire Geschichte über mich geschrieben, nur negativ und praktisch immer Lügen“, so der Präsident.
Ein lang vorbereiteter Interview-Termin von „The Atlantic“ mit Trump wurde dementsprechend kurzfristig von seinen Beratern abgelehnt. Die beiden Reporter fanden dennoch einen Weg, mit dem Präsidenten zu sprechen.
Sie schreiben: „Wir haben beide lange genug über Trump berichtet, um zu wissen, dass sein erstes Wort selten sein letztes ist. Also riefen wir ihn um 10:45 Uhr an einem Samstagmorgen Ende März auf seinem Handy an.“
Überraschend nahm Trump den Anruf an – und zeigte sich erstaunlich gesprächsbereit. „Wer ruft an?“, sagte Trump. Es folgte ein Gespräch über seine zweite Amtszeit, Macht und Feinde. Zu hören war ein Präsident, der sich, gestärkt durch frühe Erfolge seiner zweiten Amtszeit, siegessicher zeigte – und mehr als bereit war, seine eigene Erzählung zu verbreiten, berichten die beiden Reporter.
Trumps über zweite Amtszeit: „Beim zweiten Mal führe ich das Land und die Welt“
Direkt zu Beginn wollten sie wissen, ob sich Trumps zweite Amtszeit für ihn anders anfühle als die erste. Trump antwortete ohne Zögern:
„Beim ersten Mal musste ich zwei Dinge tun – das Land führen und überleben; ich hatte all diese korrupten Typen. Beim zweiten Mal führe ich das Land und die Welt.“
Die Antwort markierte den Ton des gesamten Gesprächs: Trump präsentierte sich als jemand, der die Lektionen seiner ersten Amtszeit verinnerlicht hat – vor allem, wie wichtig absolute Loyalität in seinem Umfeld sei.
In seinem Gespräch mit „The Atlantic“ erklärt Trump, er habe damals viele Fehler gemacht, weil er die politischen Machtstrukturen in Washington nicht gekannt habe. „Beim ersten Mal kannte ich die Leute in Washington nicht“, räumte er ein.
Für seine zweite Amtszeit habe er daraus Konsequenzen gezogen. Tatsächlich: Statt auf ein breites Spektrum von Beratern zu setzen, umgibt er sich nun ausschließlich mit treuen Unterstützern, die seine Agenda kompromisslos vertreten. Bereits während der Übergangsphase hätten seine Vertrauten darauf geachtet, ausschließlich Personen einzusetzen, die sich schon in der ersten Amtszeit loyal zu Trump bekannt hatten.
Trumps Sicht auf alte Feinde – und neue Verbündete
Parker und Scherer fragten auch nach dem erstaunlichen Phänomen, das frühere Kritiker wie Mark Zuckerberg (Meta) oder Jeff Bezos (Amazon) inzwischen den Schulterschluss mit Trump suchten. Der Präsident erklärt:
„Es ist einfach ein höheres Maß an Respekt. Ich weiß es nicht. Vielleicht kannten sie mich am Anfang nicht und jetzt kennen sie mich.“
Tatsächlich zeigen die ersten fast 100 Tage seiner Amtszeit: Unternehmen und Institutionen, die Trump einst bekämpften, suchten nun den Ausgleich – offenbar oft getrieben durch Angst vor Repressalien.
„Ich meine, Sie haben es gestern mit der Anwaltskanzlei gesehen“, sagte Trump weiter in Anspielung auf Paul, Weiss, Rifkind, Wharton & Garrison, eine der renommiertesten Anwaltskanzleien der USA. Der Chef der Kanzlei sei vor einigen Wochen ins Oval Office gekommen, um Trump persönlich zu bitten, eine neue Durchführungsverordnung abzumildern, die der Kanzlei andernfalls massiven wirtschaftlichen Schaden zugefügt hätte, schreiben die Reporter.
Trump seinerseits hatte diese Anordnung auch deshalb auf den Weg gebracht, weil ein ehemaliger Partner der Kanzlei im Jahr 2021 zur Staatsanwaltschaft in Manhattan gewechselt war - genau dorthin, wo die Ermittlungen gegen die „Trump Organisation“ liefen.
In derselben Woche hatte eine Ivy-League-Institution (Anm. d. Red.: Gruppe von privaten Universitäten), der die Streichung von Bundesmitteln in Höhe von 400 Millionen Dollar drohte, zugestimmt, ihre Studienprogramme für den Nahen Osten auf Wunsch der Trump-Administration zu überarbeiten und gleichzeitig anderen wichtigen Forderungen nachzukommen.
Trump zu „The Atlantic“ dazu: „Du hast gestern Columbia gesehen. Was hältst du von der Kanzlei? Warst du schockiert?”, fragte er triumphierend und spielte damit auf eine neue Realität an: Konzerne und Bildungseinrichtungen beugten sich seinen Forderungen, etwa unter Androhung des Entzugs von Fördergeldern.
„Es hat mich stärker gemacht, viel stärker“
Auch die zahlreichen juristischen Verfahren gegen ihn kamen zur Sprache. Die Reporter fragten direkt, ob die Anklagen ihn politisch gestärkt hätten.
Trump stimmte vehement zu: „Schockierenderweise, ja“, sagte er. „Normalerweise würde es dich umhauen. Man würde nicht einmal den nächsten Tag überleben. Du würdest deinen Rücktritt bekannt geben und zurückgehen und ´für deinen Namen kämpfen´, wie jeder sagt - du weißt schon, ´für deinen Namen kämpfen, zurück zu deiner Familie gehen‘. “ Er pausiert: „Aber es hat mich stärker gemacht, viel stärker.“
Diese Antwort deckt sich mit den Beobachtungen vieler Strategen: Statt ihn zu schwächen, stärkten die Anklagen Trumps Status als „Märtyrer“ unter seinen Anhängern. Er selbst schilderte offen, wie juristische Angriffe seine Spendeneinnahmen nach oben schnellen ließen. Trump, gewohnt, Schwäche zu verachten, verstand die Prozesse gegen ihn als politischen Motor.
Trump über Migrationspolitik: „Wissen Sie, ich bin daran nicht beteiligt“
Angesprochen auf seine rigorose Abschiebepolitik und mögliche Fehler, wich Trump aus. Auf die Frage, ob ihn irrtümliche Deportationen Unschuldiger beunruhigten, sagte er: „Wissen Sie, ich bin daran nicht beteiligt. Ich habe viele Leute, viele Schichten von Leuten, die das tun.“
Die Reporter fragen nach, ob er sich Sorgen mache, dass er fälschlicherweise unschuldige Menschen abgeschoben haben könnte. Trump: „Ich würde sagen, das sind alles extrem harte, gefährliche Menschen. Das würde ich sagen. Und man darf nicht vergessen, dass sie illegal ins Land gekommen sind.“
Trump macht einmal mehr klar, dass er sich als Macher auf der Metaebene versteht, verantwortlich für die Richtung, nicht für konkrete Details oder Einzelfälle.
„Nun, ich bin großartig im Handel“
Trump hat auch im Oval Office umdekoriert. Zu den historischen Porträts an den Wänden – ehemalige Präsidenten, deren Vermächtnisse das Bild der amerikanischen Politik mitgeprägt haben – fragten die Reporter: Gibt es unter ihnen jemanden, dessen Erbe er selbst anstrebe?
Trumps Antwort: „Ronald Reagan gefällt mir, was den Stil angeht. Aber er war nicht gut im Handel – schrecklich im Handel“.
Die Reporter entgegnen, dass Reagan auch für seine aufgeschlossene Haltung gegenüber Einwanderern bekannt war. Trump antwortet für ihn typisch: „Nun, der härteste in Sachen Einwanderung war Eisenhower, ob Sie es glauben oder nicht. Er war hart und wollte einfach nicht, dass Leute illegal einreisen, so wie ich. Nun, ich bin großartig im Handel.“
Trump über dritte Amtszeit: „Das wäre ein großer Bruch, oder?“
Parker und Scherer konfrontierten Trump schließlich mit Gerüchten, wonach er eine dritte Amtszeit anstrebe – ein Verstoß gegen die US-Verfassung.
Trump, zunächst lachend: „Das wäre ein großer Bruch, oder? Vielleicht versuche ich einfach, Dinge zu zerbrechen.“
Er merkte jedoch zweimal an, dass seine Anhänger ihn regelmäßig auffordern, eine dritte Amtszeit anzustreben. Aber: „Das ist nichts, was ich vorhabe. Und ich glaube, dass es sehr schwer wäre, das zu tun“, so Trump.
Trumps Botschaft an die Reporter: Halb Witz, halb Drohung?
Zum Abschluss wollten die beiden Atlantic-Journalisten vom Präsidenten wissen, ob er nicht befürchte, mit seinem eigenen Umgang mit Macht ein gefährliches Beispiel zu setzen – eines, dem auch sein Nachfolger folgen könnte? Schließlich hatte Trump selbst der Biden-Regierung vorgeworfen, das Justizsystem gegen ihn instrumentalisiert zu haben. Würde sein Kurs nicht zwangsläufig zu einem endlosen Kreislauf politischer Racheakte führen?
Trumps Antwort: „Oh, ich weiß es nicht. Das habe ich schon hinter mir“, sagte er. „Ich wurde fünfmal von fünf verschiedenen Drecksäcken angeklagt, und sie suchen jetzt alle nach einem Job, das ist so eine Sache. Wer hätte das gedacht, oder? Es war ziemlich erstaunlich.“
Das Telefon-Interview offenbarte einen Präsidenten, der stärker denn je daran glaubt, dass Loyalität, Durchhaltevermögen und Kontrolle über die öffentliche Wahrnehmung seine wichtigsten Waffen sind. Und er scheint davon überzeugt zu sein, nicht nur Amerika zu regieren, sondern die ganze Welt.
Am Ende vergisst Trump auch nicht, eine seiner doppeldeutigen Botschaften an die Reporter zu senden. Als sie erneut um ein persönliches Gespräch baten, lehnte ein Berater ab – und schickte eine Nachricht des Präsidenten mit: Wenn der Artikel, an dem die beiden Reporter arbeiteten, wirklich die bemerkenswerte Geschichte erzählte, wie er von den politischen Toten auferstanden ist, „wird The Atlantic vielleicht doch überleben“.