Heute verhandelt der Bundesgerichtshof (BGH darüber, ob die deutschen Banken Privatkunden während der Niedrigzinsphase Strafzinsen berechnen durften (Az. XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23). Eine Entscheidung könnte schon am heutigen Dienstag (4. Februar 2025) fallen.
Als die Europäische Zentralbank den Einlagenzins für Banken in den Minusbereich gesenkt hatte, waren einige Institute dazu übergegangen, ihre Kunden über Negativzinsen an diesen Kosten zu beteiligen. Verbraucherschützer halten das für unzulässig und reichten Klage ein.
13 Prozent alle Kunden mussten Strafzinsen zahlen
Für die Finanzwirtschaft steht eine Menge auf dem Spiel, wie eine aktuelle Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Innofact im Auftrag von Verivox zeigt. Demnach haben bis Sommer 2022 13 Prozent aller Bankkunden Negativzinsen bezahlt. Die meisten davon (88 Prozent) geben an, dass sie die entrichteten Strafzinsen zurückfordern würden, wenn die Karlsruher Richter den Weg dafür frei machen sollten. Über die gesamte Höhe der bezahlten Zinsen gibt die Studie keinen Aufschluss. Das ist das repräsentative Ergebnis einer Befragung unter 1023 Personen.
Noch gibt es keine einheitliche Rechtsprechung zur Zulässigkeit von Negativzinsen in Deutschland. In früheren Verfahren hatten einige Gerichte die sogenannten Verwahrentgelte generell für rechtswidrig erklärt, andere Gerichte hielten sie dagegen unter bestimmten Voraussetzungen für zulässig.
„Zweieinhalb Jahre, nachdem die Europäische Zentralbank mit der ersten Leitzinserhöhung das Ende der Negativzinsen besiegelte, geht die juristische Aufarbeitung nun endlich in die letzte Runde“, sagt Oliver Maier, Geschäftsführer der Verivox Finanzvergleich GmbH. Für die Banken stehe in dem Verfahren viel auf dem Spiel, das sich die sogenannten Verwahrentgelte zu einem Massenphänomen entwickelt hätten. Erst mit dem Wiederanstieg der Zinsen im Jahr 2022 endete diese Praxis.
Mindestens 455 Banken verlangten Negativzinsen
Die Marktdaten, die Verivox während der Negativzins-Ära erhoben hatte, zeigen, dass mindestens 455 Banken und Sparkassen mit Rückforderungen konfrontiert sein könnten, wenn der BGH die Negativzinsen für unzulässig erklären sollte.
Die Höhe der verlangten Strafzinsen orientierte sich am negativen Einlagezins der EZB. In der Regel belasteten die Geldhäuser Sparguthaben, die einen Freibetrag überstiegen, mit einem Strafzins von 0,5 Prozent. Einzelne Banken berechneten sogar noch höhere Negativzinsen.
Auch Klein- und Durchschnittssparer betroffen
„Bei einem Teil der Banken wurden auch Klein- und Durchschnittssparer belastet“, berichtet Verivox-Geschäftsführer Oliver Maier. Bei mindestens 179 Kreditinstituten wurden Sparerinnen und Sparer laut Verivox schon ab einem Gesamtguthaben von 50.000 Euro oder weniger zur Kasse gebeten. „Einige Geldhäuser berechneten Negativzinsen schon ab 5000 oder 10.000 Euro. Es waren also keineswegs nur Reiche betroffen“, betont Maier.
Unter den Gutverdienern mit einem Nettoeinkommen ab 3000 Euro ist der Anteil in der Verivox-Umfrage mit 15 Prozent zwar erwartungsgemäß etwas höher als im Durchschnitt (13 Prozent). Aber selbst unter den Befragten mit einem niedrigen Einkommen unter 2000 Euro haben sieben Prozent nach eigenen Angaben Negativzinsen gezahlt.
Verwahrentgelte gab es in allen Bankgruppen
Die Verivox-Studie zeigt auch, dass Kreditinstitute aller Bankgruppen Strafzinsen berechnet haben. Bei der Befragung waren Mehrfachnennungen möglich. Dabei gaben 43 Prozent der Betroffenen an, dass sie auf einem Sparkassenkonto Negativzinsen zahlen mussten. 31 Prozent waren Kunde einer privaten Filialbank wie der Deutschen Bank oder der Commerzbank, 29 Prozent hatten ihr Konto bei einer Direktbank wie ING, DKB oder Comdirect, 25 Prozent waren Kunde einer Genossenschaftsbank, also zum Beispiel Volks- und Raiffeisenbanken.
Mit der ersten Leitzinserhöhung im Juli 2022 beendete die Europäische Zentralbank die Ära der Negativzinsen. Einen Monat nach der EZB-Entscheidung hatten bereits vier von fünf Banken ihre Negativzinsen wieder abgeschafft.
Das können Sie tun
Sollte der BGH entscheiden, dass Negativzinsen unzulässig waren, können Betroffene das Geld von ihrer Bank unter Verweis auf das zurückfordern. FOCUS online wird Ihnen in diesem Fall ein Musterschreiben zur Verfügung stellen.