Melonis dritter Anlauf: Italien bringt wieder Asylsuchende nach Albanien
Zweimal ist Rom mit dem Versuch, außerhalb der EU über Asylanträge entscheiden zu lassen, vor Gericht gescheitert. Die Rechtsregierung gibt aber nicht auf.
Rom/Tirana – Es ist rechtlich umstritten und wird von Kritikern als schändlich bezeichnet: Das Albanien-Modell. Und dennoch hat die italienische Regierung unter Giorgia Meloni erneut Migranten nach Albanien gebracht. Es ist der dritte Versuch von Rom, die Bearbeitung von Asylanträgen im Balkanstaat durchzusetzen. Zweimal ist Italien bereits vor Gericht gescheitert.
Flüchtlinge vor Mittelmeerinsel Lampedusa gestoppt: Italien will erneut „Albanien-Modell“ durchsetzen
Am Montag (27. Januar) lief nach tagelanger Fahrt übers Mittelmeer ein Schiff der italienischen Marine mit 49 Flüchtlingen an Bord im Hafen der albanischen Stadt Shengjin ein, wie die italienische Nachrichtenagentur Ansa berichtete. Dort soll nun über deren Asylanträge entschieden werden.
Bei den 49 Migranten handelt es sich nach Angaben von Ansa um Männer aus Bangladesch, Ägypten, Gambia und der Elfenbeinküste. Vor der Fahrt nach Albanien waren sie auf dem Weg über das Mittelmeer nach Europa auf einem Boot vor der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa gestoppt worden.

Zum Hintergrund: Italien ist der erste Staat der Europäischen Union, der außerhalb der EU Lager errichtet hat, um dort über Asylanträge von Migranten zu entscheiden. Das „Albanien-Modell“ der Rechtsregierung von Ministerpräsidentin Giorgia Meloni ist umstritten. Andere europäische Regierungen verfolgen es allerdings genau.
Gestiegene Migrantenankünfte: Rom will monatlich 3.000 Menschen in italienischen Gewässern festhalten
In Albanien wurden zwei Internierungslager errichtet, berichtet the guardian. Ziel ist es, jeden Monat 3.000 Menschen in italienischen Gewässern festzuhalten. Das Abkommen zwischen Rom und Tirana, das Italien über fünf Jahre etwa 670 Millionen Euro kostet, ist das erste seiner Art zwischen einem EU-Land und einem Nicht-EU-Land.
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Seit vielen Jahren gehört Italien zu den Ländern, die von der Fluchtbewegung übers Mittelmeer besonders betroffen sind. Zwar kamen vergangenes Jahr deutlich weniger Migranten an Italiens Küsten an als noch 2023. In diesem Januar sind jedoch wieder mehr als 3.000 Menschen dort eingetroffen – das sind mehr als doppelt so viele wie im gleichen Vorjahreszeitraum (etwa 1.300).
Italien ignoriert Internationalen Strafgerichtshof: Libyscher General entlassen
Fast alle Menschen, die im Januar in Italien ankamen, stammen aus Libyen, berichtete die Tageszeitung La Repubblica. Und das trotz des Abkommens zwischen Italien und dem nordafrikanischen Land, das Bootsüberquerungen unterbinden soll.
Der Anstieg der Zahlen könnte laut der Tageszeitung mit dem Fall von Osama Najim zusammenhängen, dem libyschen General, der im Verdacht steht, Kriegsverbrechen begangen zu haben. Darunter Misshandlungen von Migranten und Flüchtlingen, die im Rahmen des Pakts in libyschen Haftanstalten festgehalten werden. Italien hatte ihn Mitte Januar freigelassen und nach Tripolis zurückgeschickt, obwohl ein Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs gegen ihn vorlag.
„Während die italienische Regierung [mutmaßlichen] libyschen Kriegsverbrechern freies Geleit gewährt, bringt sie weiterhin unschuldige Menschen, die vor Krieg und Elend fliehen, zwangsweise in Internierungslager in Albanien, trotz klarer Verstöße gegen das Völkerrecht und die Menschenrechte“, zitiert the guardian die italienische Europaabgeordnete Ilaria Salis. „Öffentliche Mittel werden nicht verwendet, um die Schwachen zu schützen, sondern um die Mächtigen abzuschirmen. Eine schändlichere Politik kann man sich kaum vorstellen.“
Streit zwischen Italiens Regierung und Justiz: EuGH-Entscheidung im Februar erwartet
Die ersten beiden Versuche Italiens, das Albanien-Modell durchsetzen, sind im Oktober und November 2024 an der Justiz gescheitert. Nach Auffassung der Richter kamen die nach Albanien gebrachten Migranten nicht aus sicheren Herkunftsländern, in die sie zurückgeschickt werden könnten. Beide Male mussten die Menschen letztlich nach Italien gebracht werden.

Danach hat sich ein Streit zwischen Regierung und Justiz entwickelt. Im Grunde geht es dabei um die Frage, welche Herkunftsländer als sicher beurteilt werden können und wer die Kompetenz hat, dies festzulegen. Zuletzt gab es eine Entscheidung des Obersten Gerichts, die mehr Spielraum für die Regierung zu schaffen scheint. Dennoch ist die Rechtslage aber weiter nicht vollständig geklärt.
Es ist daher wie bereits bei den ersten beiden Versuchen unklar, ob die Migranten wie eigentlich vorgesehen das beschleunigte Asylverfahren in den Lagern auf albanischem Boden durchlaufen oder doch nach Italien gelassen werden. Der Europäische Gerichtshof will im Februar klären, ob das Vorgehen Italiens mit EU-Recht vereinbar ist. Die Entscheidung wird in Rom mit Spannung erwartet (bg/dpa).