Bundeswehr wirft erste Hilfsgüter über Gaza ab – „Beschuss nicht ausgeschlossen“
Die Bundeswehr hilft den hungernden Menschen im Gazastreifen: Die Luftwaffe wirft Lebensmittel ab. Der Einsatz birgt Risiken und ist nicht unumstritten.
Berlin/Gaza – Die Bundeswehr hat mit dem Abwurf von Hilfsgütern im umkämpften Gazastreifen begonnen. Die Luftwaffe warf am Samstag (16. März) unter anderem Reis und Mehl an Fallschirmen über dem Palästinensergebiet ab.
„Aus etwa 1000 Meter Höhe haben wir die vier Paletten punktgenau geliefert“, schrieb die Luftwaffe auf der Plattform X (vormals Twitter). Es seien vier Tonnen Lebensmittel abgeworfen worden. Laut einem weiteren Post der Luftwaffe wurde die Maschine gleich nach der Landung mit den nächsten Lebensmitteln beladen. Diese sollen am Sonntag abgeworfen werden.
Bundeswehr hilft Gazastreifen: Abwurf von Hilfsgütern aus Luft „ein Novum“
Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hatte am Mittwoch grünes Licht für den Einsatz gegeben. Die Bundeswehr hatte dafür zwei in Frankreich stationierte C-130-Transportflugzeuge nach Jordanien verlegt. Jede der deutschen Maschine kann bis zu 18 Tonnen Last transportieren. „Wir sind darauf eingestellt, dass wir so lange zur Verfügung stehen, wie der Transport-, der Absetzbedarf besteht“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
Für die Bundeswehr ist der Abwurf der Versorgungsgüter per Fallschirm aus den C-130 ein „Novum“, wie die Luftwaffe schreibt. Die Luftwaffe nannte „zwei Herausforderungen“: So sei es wichtig, dass die Last in der geplanten Abwurfzone („Drop-Zone“) lande. Andernfalls könnten die aufschlagenden Pakete Gebäude oder Infrastruktur beschädigen.
Außerdem: „Pakete, die im Meer oder unzugänglichem Gelände landen, können zur Gefahr für diejenigen Bedürftigen werden, die sie unter Eigengefährdung zu erreichen versuchen“, so die Luftwaffe. Deshalb würden vorher geeignete Zonen identifiziert, die unbesiedelt und dennoch gefahrlos zugänglich seien.
Beschuss der Bundeswehr-Luftwaffe über Gazastreifen nicht ausgeschlossen
Gleichzeitig müsse für den Schutz des Flugzeuges und seiner Besatzung gesorgt sein. „Beschuss vom Boden kann in Krisengebieten nicht ausgeschlossen werden“, hieß es. „Obwohl reduzierte Flughöhe und Fluggeschwindigkeit das Absetzen erleichtern, müssen Mindestwerte eingehalten werden. Zusätzlich verfügt die Hercules über eigene Schutzsysteme.“
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Den Menschen am Boden drohen noch ganz andere Gefahren. Deswegen gibt es im Gazastreifen durchaus geteilte Ansichten über Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Abwürfe. Einige Bewohner des Küstenstreifens erzählen, dass sie auf diese Weise an etwas Nahrung gekommen seien, wie ein Mitarbeiter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Andere wiederum klagen darüber, dass sie bislang nichts davon abbekamen. Sie seien lange Strecken gelaufen, um zu sehen, wie sich an den Stellen, an denen die Paletten landeten, verzweifelte Menschen um die Ladungen prügelten.
Bei einem Abwurf erschlug eine Palette, deren Fallschirm sich nicht öffnete, vor einer Woche fünf Menschen. Ein junger Mann kritisierte, dass abgeworfene Güter in einem Fall in einem aktiven Kampfgebiet niedergingen, mit israelischen Soldaten in unmittelbarer Nähe. Bewohner und Hilfsorganisationen sind sich darin einig, dass die Abwürfe aus der Luft nicht mehr als einen Tropfen auf den heißen Stein darstellen.
Luftwaffe wirft Hilfsgüter über Gaza ab – „Eine Seite mit Waffen beliefern, andere mit Essen“
Die Hilfsaktion der Bundeswehr ist nicht unumstritten: In der Regierungspressekonferenz am Mittwoch (13. März) war der Sprecher des Auswärtigen Amtes gefragt worden, ob es ein Novum in der außenpolitischen Geschichte Deutschlands sei, „dass man die eine Seite mit Waffen beliefert und die andere Seite mit Essen“. Er antwortete: „Ich würde jetzt die Unterstellung in Ihrer Frage zurückweisen.“ Israel sei Opfer eines Terroranschlags geworden. „Es ist die Hamas, die dieses Leid über die palästinensische Bevölkerung gebracht hat, mit ihren Angriffen auf Israel.“
Die Lage der Zivilbevölkerung in dem abgeriegelten Küstenstreifen ist mittlerweile katastrophal. Es mangelt an allem – nicht nur an Essen, sondern auch an Schutzräumen, medizinischer Versorgung, Sanitäranlagen. Hilfsorganisationen berichten immer wieder, wie verzweifelt die Menschen sind. Per Lastenabwurf allein kann die Lage aus ihrer Sicht nicht ausreichend verbessert werden.
Die Verbesserung der Lage in dem Kriegsgebiet ist auch Thema einer Reise von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach Jordanien und Israel, zu der dieser am Samstagnachmittag aufbrechen wollte. (dpa/smu)