630 Immo-Unternehmen gingen 2024 schon insolvent: „Ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht“

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In der Baubranche spielen sich dramatische Szenen ab. Aufgrund des Auftragsmangels und einem beinahe-Stopp der Bautätigkeit gehen immer mehr Unternehmen pleite. Im ersten Quartal des Jahres waren es 630 Firmen.

Berlin – Für die Unternehmen in der Baubranche geht es langsam an die Substanz. Die Stimmung ist angespannt, das ist aus allen Sektoren zu hören. Nachdem im vergangenen Jahr die ersten Projektentwickler aufgrund fehlender Aufträge in die Insolvenz gerutscht waren, trifft es in diesem Jahr vermehrt auch die nachgelagerten Bereiche. Vor allem die im März bekanntgewordene Pleite des großen Immobilienunternehmens Deutsche Invest Immobilien (D.i.i.) hat die Branche aufgerüttelt und noch mehr verunsichert. Alle blicken sich um und fragen: Sind wir als Nächstes dran?

Möglich ist es zumindest. Denn einer neuen Analyse der Unternehmensberatung Falkensteg, die IPPEN.MEDIA exklusiv vorliegt, zufolge sind alleine im ersten Quartal des Jahres 2024 schon 630 Unternehmen in der Immobilienbranche insolvent gegangen. Das sind 18,6 Prozent mehr als noch im Vorjahr und 17,3 Prozent mehr als im Vorquartal. Im Jahr 2023 insgesamt sind in Deutschland 1997 Immobilienfirmen pleitegegangen.

Insolvenzen gehen 2024 und 2025 weiter: Krise zieht sich länger als erwartet

„Ich rechne für dieses Jahr mit einem mindestens zweistelligen Anstieg der Insolvenzen“, sagt Christian Alpers, Leiter des Geschäftsbereichs Real Estate bei Falkensteg, gegenüber dieser Redaktion. Und er findet noch düsterere Worte: „‘Survive until 25‘ war das Wort des Jahres 2023 in der Immobilienbranche. Doch die Durchhalteparole könnte länger gelten als die Branche erwartet. Die Krise wird sich bis weit ins Jahr 2026 hineinziehen, bevor sich eine Trendwende abzeichnet.“

Die Pleitewelle ist laut Falkensteg besonders verheerend bei den Großunternehmen mit Umsätzen über zehn Millionen Euro im Jahr. Im ganzen Jahr 2023 hat es in der Immobilienbranche 31 Großinsolvenzen gegeben. Im ersten Quartal 2024 waren es schon 21, im ersten Quartal 2023 waren es hingegen nur sechs. „Derzeit stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, in Deutschland zu investieren, da die Rahmenbedingungen für langfristige Projekte zu unsicher sind“, so Alpers.

Einfamilienhäuser im Neubaugebiet
Geht der Bauträger oder das Bauunternehmen insolvent, sollten Verbraucher überlegt vorgehen. © Karl-Josef Hildenbrand/dpa

„Der Auftragsrückgang wird die Bauunternehmen hart treffen, da sie ihr Personal nicht mehr auslasten und ihre Strukturkosten nicht mehr zeitnah anpassen können, um profitabel zu arbeiten. Die Krise hat damit weitere Stufen der Immobilien- und Bauwirtschaft erreicht und ein Ende ist weiterhin nicht in Sicht“, erklärt der Manager.

Schlechte Nachrichten häufen sich in der Baubranche: Baukrise ein perfekter Sturm

Die aktuelle Baukrise ist ein klassischer Fall eines perfekten Sturms: Seit 2020 sind die Kosten für den Wohnungsbau um 45 Prozent gestiegen, das macht es quasi unmöglich, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, es sei denn, der Bau wird gefördert. Die Ampel-Regierung hat jedoch wichtige Förderprogramme wie die KfW 55-Förderung kurzfristig auslaufen lassen und nicht rechtzeitig für Ersatz gesorgt. Das hat Investoren verschreckt und sorgt bis heute für extreme Unsicherheit. Noch dazu hat die Europäische Zentralbank (EZB) im Kampf gegen die Inflation die Leitzinsen deutlich angehoben, sodass der Kauf eines Einfamilienhauses für die meisten normalen Menschen völlig unrealistisch geworden ist. All das führt nun dazu, dass erstmal gar nichts mehr passiert.

„Wir können und wollen die Fülle an schlechten Nachrichten nicht weiter ertragen“, sagte dazu der Vorstandsvorsitzende der ALEA Hoch- und Industriebau GmbH, Thomas Reimann, in seiner Rede beim Branchentreffen Immotalk in Bad Vilbel in der vergangenen Woche. „Im Februar haben wir gegenüber dem Vorjahresmonat einen Rückgang der Baugenehmigungen um gut 18 Prozent. Bis zum Februar wurden nur noch 35.000 Wohnungen genehmigt. Januar und Februar 2023 waren es noch 44.200, in den Jahren zuvor knapp 58.000 Wohnungen.“

Pleitewelle in allen Branchen: Anstieg um 25 Prozent

Hoffnungsträger für die Immobilienwirtschaft sind nach Ansicht von Christian Alpers die Unternehmen im Bereich der energetischen Sanierung, also Heizungsbauer, Solarunternehmen und Handwerksbetriebe in diesen Sparten. Auch beim Lager- und Logistikbau sowie im Industriebau habe es in den vergangenen zwölf Monaten „so gut wie keine Insolvenzen“ gegeben, sagt er.

Die Falkensteg-Analyse zeigt auch, wie sich die Insolvenzen auch abseits der Immobilienwirtschaft entwickelt haben. Über alle Branchen und Unternehmensgrößen hinweg sind diese nämlich angestiegen: 4520 Insolvenzen hat es im ersten Quartal 2024 gegeben, das waren 12,6 Prozent mehr als im Vorquartal und 25,8 Prozent mehr als im Vorjahr.

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