Hilfeschrei der Bürgermeister: Protest gegen Erhöhung der Kreisumlage auf über 50 Prozent

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Die Gemeinden bekommen immer mehr Aufgaben zugewiesen,  aber zu wenig Mittel von Freistaat und Bund dafür, beklagen die Bürgermeister. © Hannes P Albert/dpa

52,85 Prozent Kreisumlage braucht es laut Kämmerei, um einen genehmigungsfähigen Landkreis-Haushalt 2024 hinzubekommen. Nicht mit uns, meinten die Bürgermeister verschiedener Landkreisgemeinden. Gegenüber der Vertreterin der Rechtsaufsicht machten sie in der Kreisausschusssitzung ihrem Ärger Luft.

Dachau – Stefanie Weber ist als Bereichsleiterin Kommunale Aufsicht bei der Regierung von Oberbayern verantwortlich für den Landkreis Dachau und mithin für dessen Haushalt. Am Freitag in der Sitzung des Kreisausschusses erweiterte sich das Aufgabenfeld der erfahrenen Beamtin um einen weiteren Bereich: Allgemeine Blitzableitung. Denn die Kreisausschussmitglieder nutzten ihre Anwesenheit zu einem „letzten Hilfeschrei“, wie Franz Obesser (CSU) sagte. Oder wie der Beobachter der Sitzung feststellen konnte: Sie übten massive Kritik am Verhalten von Bund und Freistaat.

Das Treffen war ursprünglich anberaumt worden, da am vergangenen Mittwoch ein interfraktioneller Eilantrag zum Haushaltsentwurf 2024 im Landratsamt einging, unterschrieben von CSU, FW Landkreis, SPD und Grünen. Darin bitten die vier Kreistags-Fraktionen mit Blick auf die „äußerst angespannte Haushaltslage“ der Kommunen zehn Prozent einzusparen und machten deutlich, „zu massiven Einschnitten“ bereit zu sein. Dazu hängten sie einen Katalog mit Bereichen an, bei denen gekürzt werden könnte (siehe Kasten). Der Antrag wurde einstimmig gebilligt.

Angespannte Lage des Kreishaushaltes

Die äußerst angespannte Haushaltslage des Landkreises stellt sich laut dem Entwurf von Kämmerer Michael Mair wie folgt dar: Bei einer Umlagekraft von gut 237 Millionen Euro rechnete er mit einem Hebesatz von 49,99 Prozent (zum Vergleich: 49,5 Prozent in 2023). Ein Punkt Kreisumlage bedeutet 2,373 Millionen Euro. Der ungedeckte Mindestfinanzbedarf von 6,688 Millionen Euro würde ohne weitere Einsparungen eine weitere Kreisumlagehebesatzerhöhung um 2,86 Prozent auf 52,85 Prozent bedeuten.

Hauptgründe für die Unterdeckung sind einmal der Bau der beiden Gymnasien und hier zuvorderst die gestiegenen Zinsen für Kredite und der Wegfall der KfW-Förderung. Dazu kommt „die Inflation“, so Landrat Stefan Löwl. Unter dieses Stichwort subsumiert er die gestiegenen Sach-, Betriebs- und Personalkosten für derzeit 730 Mitarbeiter. Alleine die Personalkosten, so Löwl, „haben sich seit 2015 fast verdoppelt“. Und dann ist da noch der immer teurer werdende ÖPNV. Mair: „Wir müssen 2025 15,6 Millionen Euro pro Jahr draufzahlen. 2019 waren es noch 4 Millionen Euro.“ Dritter großer Punkt: fehlende Personalausstattung beim staatlichen Landratsamt. Der Freistaat bezahle ein oder zwei Staatsbeamte, so Löwl, „wir bräuchten aber mehr als 40“.

Diese Probleme sind den Kreisräten bekannt. Aber dafür die Kreisumlage auf 52,85 Prozent erhöhen? Nein, so der allgemeine Tenor. Vor allem die Bürgermeister unter den Ausschussmitgliedern haben größte Sorgen um die Leistungsfähigkeit ihrer Gemeinden. Und das machten sie der Vertreterin der Rechtsaufsichtsbehörde klar.

Ich koche.

„Ich koche“, so Indersdorfs Gemeindechef Obesser. Seine Gemeinde bekomme immer mehr Aufgaben zugewiesen, aber zu wenig Mittel von Freistaat und Bund dafür. Die Folge: Indersdorf müsse den Hebesatz für die Gemeindesteuern erhöhen, Stellen in der Gemeinde würden nicht mehr besetzt, Projekte für die Bürger nicht mehr gemacht.

Ich koche schon nicht mehr, ich brodele.

„Ich koche schon nicht mehr, ich brodele“, meinte Karlsfelds Bürgermeister Stefan Kolbe (CSU). Er sei auf Grund der finanziellen Lage seiner Kommune „nicht mehr in der Lage, in die Zukunft zu denken“. Er rechnete vor: Karlsfeld habe 40 Millionen Euro Einnahmen, müsse aber 16 Millionen Euro Kreisumlage sowie 15 Millionen für sein Verwaltungspersonal zahlen. Kolbe: „Uns steht das Wasser bis zum Hals!“ Und bis auf drei, vier stünden alle Landkreisgemeinden „mit dem Rücken zur Wand“.

„Trotz der verschiedenen Aggregatszustände, ich verstehe Sie“, entgegnete Weber. Sie sei nicht in erster Linie da zu kontrollieren, sondern den Kreis „vertrauensvoll zu beraten“. Jedoch: „Sie haben im Verwaltungshaushalt einen Fehlbetrag, den können Sie nicht durch Kredite ausgleichen.“ Dreh- und Angelpunkt der rechtlichen Genehmigung, so Weber, sei die „dauerhafte Leistungsfähigkeit“.

Gibt es keinen genehmigungsfähigen Haushalt, übernimmt die Regierung die Haushaltsführung

Gebe es keinen genehmigungsfähigen Haushalt, dann erfolge eine vorläufige Haushaltsführung seitens der Regierung, und der Landkreis „unterliegt enormen Beschränkungen“. Webers Fazit: „Es wird ohne einen ernsthaften Blick auf die Kreisumlage nicht gehen!“

Mit der Einreichung eines nicht genehmigungsfähigen Haushalts habe er „kein Problem“, entgegnete Dachaus OB Florian Hartmann – „weil die dramatische Situation nicht gesehen wird“. Vielleicht müssten die Landkreisgemeinden „drastische Maßnahmen ergreifen“. Die Stadt Dachau habe zwar keine Traktoren für Demos, „aber dann machen wir es halt mit den Fahrzeugen des Bauhofs“!

Die Sparliste der Fraktionen von CSU, FW Landkreis, SPD und Grünen

In ihrem Eilantrag bitten die vier Fraktionen die Verwaltung – unter Abwägung der Machbarkeit – folgende Bereiche auf Einsparungen zu prüfen:

. Jobrad (Leasing-Fahrräder für Mitarbeiter); Radverkehrsexperte und ADFK-Mitgliedschaft; Projekt „Zwischen Dorf und Metropole“; Dachau Agil; Dachau summt; Zeitschrift Kreisblick; Gesundheitsregion plus; Mint-Campus; Klimaschutzbeauftragte; Wirtschaftsförderung, gegebenenfalls Umstrukturierung und interkommunale Bündelung.

. Bei der Kultur könnte es Einsparungen geben durch eine Deckelung der Ausgaben für den Zweckverband Galerien und Museen auf 600 000 Euro für die nächsten fünf Jahre sowie durch eine Konzentration der musealen Standorte. Zudem soll eine kritische Überprüfung der übrigen Finanzansätze im Kulturbereich erfolgen.

. Untersuchung der Standards in allen Aufgabenbereichen.

. ÖPNV: Einsparungen insbesondere durch Evaluation priorisierter Maßnahmen und Neudefinition der Grundversorgung.

. Um dem Bestandspersonal auch künftig die Großraumzulage gewähren zu können, sehen die Fraktionen einen Einstellungsstopp unter den folgenden Voraussetzungen als dringend angebracht: Stellenzuwachs 2024 nur im Umfang der fünf Azubi-Stellen. Alle restlichen Stellenbedarfe sollen durch Umstrukturierungen und aus dem Pool der zurzeit nicht besetzten Stellen kompensiert werden.

. Des Weiteren bitten die Fraktionen um eine Klarstellung, inwieweit die Haushaltsansätze im Bereich des Gebäudemanagements mit Pauschalansätzen versehen sind.

. Insgesamt sollen zehn Prozent der Kosten eingespart werden. „Sollten gewisse Einsparmöglichkeiten nur möglich sein, wenn bestehende Kreistagsbeschlüsse ausgesetzt werden würden“, so die Antragsteller, „bitten wir um entsprechende Information, um gegebenenfalls eine Rückabwicklung dieser vornehmen zu können. Ebenso stehen wir weiteren Vorschlägen im Bereich der freiwilligen Leistungen wie auch Pflichtaufgaben verwaltungsseitig offen gegenüber.“

dn

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