Merz-Plan für rasches Atom-Revival in der Kritik: „In der Praxis völlig anders, als versprochen“

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

CDU und CSU wollen zurück zur Kernkraft. Ein Antrag soll jetzt vorgebracht werden. Doch die Energiewirtschaft zweifelt an dem Vorhaben.

Berlin – Die Union will den Betrieb alter Atomkraftwerke wieder aufnehmen. Das Vorhaben soll auf dem CSU-Parteitag am Wochenende vorgestellt werden und auch den Bau neuer Reaktoren beinhalten. Doch die Betreiber der Kraftwerke glauben selbst nicht mehr an eine Renaissance der Kernenergie in Deutschland.

Sollte die Union die Bundestagswahl für sich entscheiden, beabsichtigen CDU und CSU, die zuletzt stillgelegten Atomkraftwerke schnellstmöglich wieder in Betrieb zu nehmen. Dies geht aus einem Bericht des Handelsblatts hervor, der sich auf einen Antrag der CSU beruft. In diesem Antrag wird die „Weiternutzung und Weiterentwicklung der Kernenergie“ gefordert. Ein entsprechender Beschluss, für den die Antragskommission bereits grünes Licht gegeben hat, soll demnach auf dem CSU-Parteitag in Augsburg gefasst werden.

Union strebt Rückkehr zur Atomenergie an – Ist Atomstrom für die deutsche Industrie notwendig?

Die Union möchte zur Kernenergie zurückkehren, um die deutsche Wirtschaft zu unterstützen. Obwohl alle Kernkraftwerke inzwischen stillgelegt sind, habe „der Rückbau hat aber noch nicht begonnen“, so Sebastian Brehm, der Vorsitzende der Mittelstandsunion der CSU, gegenüber der Zeitung. Er habe bereits die Machbarkeit überprüfen lassen. Fünf noch intakte Atomkraftwerke könnten ihm zufolge „unkompliziert reaktiviert und schnellstmöglich wieder ans Netz gehen“. Dies sei von Framatome, einer Tochtergesellschaft des französischen Energiekonzerns Areva, gegenüber Brehm bestätigt worden.

Die Energiewirtschaft zweifelt am Vorhaben der Union, Kernkraftwerke zu reaktivieren.
Die Energiewirtschaft zweifelt am Vorhaben der Union, Kernkraftwerke zu reaktivieren. © IMAGO/Frank Hoermann / SVEN SIMON

Brehm argumentiert, dass die Industrie auf „günstigen und grundlastfähigen“ Strom angewiesen ist. Beim Wasserstoff seien man „noch nicht so weit“, daher müsse man auf Braunkohle zurückgreifen, so der Chef der CSU-Mittelstandsunion gegenüber dem Blatt. Um die Versorgung zu gewährleisten, importiere Deutschland derzeit Atomstrom von seinen europäischen Nachbarn.

Union wirft Grünen Irreführung der Öffentlichkeit vor – Untersuchungsausschuss soll entscheiden

Auf Bundesebene macht die Union ebenfalls Druck. Bereits im Juli beantragte die CDU/CSU-Fraktion einen Untersuchungsausschuss, um „die Umstände der Abschaltung der letzten drei Atomkraftwerke in der Bundesrepublik“ zu klären. Laut dem CSU-Bundestagsabgeordneten Andreas Lenz soll untersucht werden, „ob die Öffentlichkeit bei der Entscheidung zur Abschaltung der letzten drei Kernkraftwerke getäuscht wurde“. Es bestehe der „begründete Verdacht, dass die versprochene ergebnisoffene Prüfung eines Weiterbetriebs nie erfolgte“, so Lenz im Juli gegenüber der Nachrichtenagentur dpa.

Der Vorwurf lautet konkret, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) den Weiterbetrieb von Atomkraftwerken 2022 nicht neutral geprüft hätten. Es bestehe der Verdacht, dass mögliche Einwände in ihren Ministerien ignoriert und eine ideologische Entscheidung getroffen wurde.

Die Energiebranche setzt „klar“ auf erneuerbare Energien – und spricht sich gegen Atomenergie aus

Trotz des Vorstoßes der Union ist es umstritten, ob eine Rückkehr zur Kernenergie überhaupt sinnvoll ist. Diese sei sehr kostenintensiv, warnte Kerstin Andreae, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Energiewirtschaft, bereits im Januar gegenüber Reuters. Für die Energiewirtschaft stünden „klar“ die erneuerbaren Energien im Mittelpunkt. Schwankungen sollen ihr zufolge so lange mit flexiblen Gaskraftwerken ausgeglichen werden, bis diese mit Wasserstoff betrieben werden können. Man dürfe „den Druck hinter dieser Kraftwerkstrategie nicht mindern, indem wir eine andere Option in den Raum stellen“, so König. Auch alle bisherigen Betreiber von Atomkraftwerken sagten damals, dass eine Reaktivierung der Meiler keine Option sei.

„Fakt ist, dass sich der Bau von Atomkraftwerken sowohl zeitlich als auch ökonomisch in der Praxis völlig anders darstellt, als es versprochen wird“, so Wolfram König, der ehemalige Chef des Bundesamts für Sicherheit der nuklearen Entsorgung, gegenüber der dpa. Es habe immer wieder Phasen großer Versprechungen der Kernenergie gegeben. Dass diese derzeit wieder so unkritisch übernommen würden, zeuge von einem rasanten Wissensverlust in Bevölkerung und Politik. Wer heute die Rückkehr zur Kernenergie anstrebe, blende alle Risiken aus, die die Unfälle in Tschernobyl und Fukushima aufgezeigt hätten. (tpn)

Auch interessant

Kommentare