Unser Arbeitsalltag beginnt lange bevor die ersten Fahrgäste einsteigen. Noch bevor wir losfahren, prüfen wir das Fahrzeug, kontrollieren Technik und Sicherheitseinrichtungen, lesen Dienst- und Streckeninformationen und bereiten uns mental auf die bevorstehende Schicht vor.
Wir wissen, dass sich viele Menschen auf unsere Fahrt verlassen, und dieser Verantwortung begegnen wir mit Respekt und Konzentration.
Zwischen Planung, Realität und Verantwortung
Wenn unsere Linien starten, betreten wir nicht nur den Straßenverkehr, sondern ein komplexes Zusammenspiel aus Zeitplan, Verkehrsdynamik, Sicherheit, Kommunikation und Erwartungshaltungen.
Während für viele eine verspätete Fahrt wie ein persönlicher Ärger wirkt, müssen Busfahrer ständig beobachten, reagieren, einschätzen, entscheiden und gleichzeitig höflich bleiben. Jede Sekunde am Steuer verlangt volle Aufmerksamkeit, denn wir tragen Verantwortung für alle Menschen im Bus.
Bei Verspätung aufs Gaspedal drücken? Das würde wir niemals machen
Von außen sieht man oft nicht, wie viele Faktoren eine pünktliche Fahrt beeinflussen können:
- Baustellen
- Staus
- Halteprobleme
- überfüllte Haltestellen
- defekte Ampelschaltungen
- verspätete Anschlussfahrgäste
- medizinische Zwischenfälle
- oder auch nur ein einziger falsch parkender Wagen können den gesamten Fahrplan beeinflussen.
Viele Fahrgäste glauben, dass wir in solchen Situationen schneller fahren oder „irgendwie eine Lösung finden“ könnten. In Wahrheit jedoch dürfen und wollen wir niemals Zeit gegen Sicherheit tauschen.
Wenn wir also sagen, dass wir eine Verzögerung nicht beeinflussen können, dann ist das kein Ausweichen und keine Ausrede. Es ist ein ehrlicher Hinweis, denn wir können nur innerhalb der Regeln handeln, die notwendig sind, um Sie sicher zu befördern.
Wir können den Verkehrsfluss nicht beschleunigen, keine Störung aufheben und keine gefährliche Situation ignorieren, nur um einer Uhrzeit zu entsprechen.
Martin Binias, bekannt als „Herr Busfahrer“, ist Influencer und aktiver Busfahrer. Mit Humor und Reichweite macht er den ÖPNV nahbar, schafft Verständnis für den Berufsalltag und wurde mehrfach ausgezeichnet. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.
Kommunikation im Fahreralltag
Neben dem Fahren selbst spielt Kommunikation eine große Rolle. Meine Kollegen und Kolleginnen sind Ansprechpartner, Informationsquelle und manchmal auch Ziel von Emotionen. Fragen beantworten wir gern, doch häufig entstehen sie während Situationen, in denen unsere volle Aufmerksamkeit dem Verkehr gelten muss.
Kritik oder Ungeduld hören wir ebenso wie Dank und Verständnis – beides wirkt, beides bleibt. Worte können aufbauen oder belasten, und wir spüren deutlich, dass die Stimmung im Bus den Verlauf einer Schicht beeinflussen kann.
Trotz aller Herausforderungen ist unser Beruf erfüllend. Meine Kollegen und Kolleginnen tragen täglich zur Mobilität vieler Menschen bei: Schüler, Berufspendler, Senioren, Menschen mit Beeinträchtigungen, Familien, Besucherin und Besucher oder Menschen mit wenig finanziellen Möglichkeiten.
Wir sehen täglich viele Gesichter, Geschichten und Schicksale und jedes davon verdient einen sichere Beförderung im ÖPNV.
Was wir Busfahrer uns für die Zukunft wünschen
Für eine langfristige Verbesserung wünschen sich meine Kolleginnen und Kollegen, realistischere Fahrpläne, verständliche Echtzeit-Informationen für Fahrgäste, moderne technische Ausstattung und eine stadtplanerische Infrastruktur, die den öffentlichen Verkehr stärkt.
Auch gesellschaftliche Wertschätzung gegenüber dem Fahrpersonal wäre ein wichtiger Schritt, denn wir sind Teil des Systems, nicht dessen Ursache.
Am Ende zählt das sichere Ankommen
Wir fahren den Bus, weil wir unseren Beruf ernst nehmen und weil wir die Verantwortung für unsere Fahrgäste achten. Wir handeln nicht absichtlich gegen Pläne oder Erwartungen.
Wenn es zu Verzögerungen kommt, dann weil äußere Faktoren Einfluss nehmen, die wir nicht verändern können. Unser Ziel ist immer dasselbe wie Ihres: sicher ankommen.
Dafür bitten wir um Verständnis, Respekt, Geduld und die Bereitschaft, nicht sofort Schuld irgendwo suchen zu müssen. Denn am Ende sitzen wir alle im selben Alltag! Nur auf unterschiedlichen Plätzen.