Diese Rentner haben 17 Jahre lang keine Rentenerhöhung bekommen – und klagen jetzt vor Gericht

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Nicht alle Menschen bekommen im Alter eine regelmäßige Rentenerhöhung. Eine Gruppe von Rentnern hat jetzt wegen jahrelang unveränderter Bezüge geklagt – und recht bekommen.

Magdeburg – Für die 21 Millionen Rentner und Rentnerinnen in der gesetzlichen Rentenversicherung hat es Anfang März eine gute Nachricht gegeben: Ihre Renten werden erneut um 3,74 Prozent angehoben. Im Juli wird die Rentenerhöhung regulär ausgezahlt, in diesem Jahr erfolgt es allerdings etwas anders.

Nicht alle sind aber in der gesetzlichen Rente versichert. Über eine Million Menschen sind in sogenannten kammerfähigen Berufen tätig – sie sind also Ärzte, Anwälte, Apotheker, Notare – und damit bei einem berufsständischen Versorgungswerk versichert. Genauso wie gesetzlich Versicherte zahlen sie 18,6 Prozent ihres Bruttolohns in ihr Versorgungswerk ein und die spätere Rentenhöhe wird dann aus den Versicherungszeiten und der erworbenen Punktzahl errechnet.

Über eine Million Rentner bekommen regelmäßig keine Rentenerhöhung

Anders als bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird bei den Versorgungswerken die Rentenerhöhung jedoch nicht nach einem festen Kriterium bestimmt. Jedes Versorgungswerk bestimmt den Anpassungsmechanismus in seiner Satzung individuell. Wie das Fachportal für Zahnmedizin dzw.de berichtet, werden die Renten in den Versorgungswerken in der Regel um null bis ein Prozent pro Jahr angepasst.

Das hat mit der Finanzstruktur der Versorgungswerke zu tun, die die Mitgliederbeiträge in unterschiedliche Projekte anlegen und eine bestimmte Rendite (in der Regel um die 2-3 Prozent) erwirtschaften müssen, um die bestehenden Renten finanzieren zu können. Rentenpassungen können nur dann finanziert werden, wenn die Rendite deutlich höher ausfällt.

Die Rente bleibt ein stetiges Gesprächsthema in Deutschland. (Symbolbild) © Zoonar/Imago

Das führt aber unweigerlich zu Kaufkraftverlusten. Über einen besonders krassen Fall berichtet nun die Welt am Sonntag: So hat das Versorgungswerk der Zahnärzte in Sachsen-Anhalt zwischen 2003 und 2020 die Renten ihrer Mitglieder kein einziges Mal erhöht. In dieser Zeit sind die Lebenshaltungskosten aber um 25 Prozent gestiegen.

17 Jahre lange keine höhere Rente bekommen: Gericht bemängelt System des Versorgungswerks

Aus diesem Grund haben ein paar der Betroffenen Klage eingereicht. In einer ersten Instanz hatte das Verwaltungsgericht Halle im Sinne der Kläger entschieden. Wie die Welt berichtet, habe das Gericht entschieden, dass das Versorgungswerk mindestens ein System haben sollte, durch das die Renten regelmäßig angepasst werden könnten. Es könne aber auch niemand erwarten, dass die Renten immer an die Inflation angepasst würden, so das Gericht weiter.

Diesem Grundsatz folgt das Oberlandesgericht in Magdeburg nun auch im Berufungsverfahren. Die Satzung des Versorgungswerks sei zu vage formuliert und daher unwirksam. Konkret steht in der Satzung der Zahnärztekammer Sachsen-Anhalt: „Laufende Renten werden prozentual geändert, um nach Möglichkeit dem Kaufkraftschwund entgegenzuwirken. Die Höhe des Punktwertes und die Höhe der Änderung laufender Renten werden jährlich vom Verwaltungsausschuss im Einvernehmen mit dem versicherungsmathematischen Sachverständigen des Altersversorgungswerkes festgesetzt.“ Wie dem Kaufkraftschwund konkret entgegengewirkt werden kann, wird nicht weiter erläutert.

Versorgungswerke hatten es in der Niedrigzinsphase schwer: Rendite für die Renten hart zu erarbeiten

Das hat für das Versorgungswerk nun erhebliche Konsequenzen. Die Satzung müsse neu gefasst werden, so berichtet die Welt weiter von der Gerichtsentscheidung. Das könne auch dazu führen, dass die Renten aller Bestandsrentner neu berechnet werden müssten.

Grundsätzlich hatten es die Versorgungswerke im vergangenen Jahrzehnt nicht leicht. In der Niedrigzinsphase war es sehr schwer, die Beiträge der Mitglieder so anzulegen, dass sie eine gute Rendite erzielen konnten. In dem vergangenen Jahrzehnt des Niedrigzinses waren Festzinsanlagen, in die noch im Jahr 2000 gut 77 Prozent der Kapitalanlagen der Versorgungswerke investiert waren, nicht mehr besonders attraktiv. Die schmalen Renditen dienten nicht mehr dazu, die versprochenen Renten der Mitglieder zu decken – und das Geld wurde anders, und zwar risikoreicher, angelegt. Ende 2020 betrug der Anteil der Kapitalanlagen in Festzinsangeboten entsprechend nur noch 46 Prozent.

Rentner waren von einer Insolvenz betroffen: Daher braucht es immer Rücklagen

Risikoreiche Anlagen, das bedeutet oft: Immobilien und Unternehmensbeteiligungen – die jetzt aber in der Wirtschaftsflaute ins Kriseln kommen. Das kann sich auch negativ auf die Renten der Versicherten auswirken, wie jüngst auch die Insolvenz der Versicherungsfirma ELEMENT gezeigt hat. Die Beiträge von rund 10.000 pflichtversicherten Zahnärzten sind teilweise in diese Versicherung geflossen.

Zu betonen ist jedoch, dass Versorgungswerke grundsätzlich verpflichtet sind, die Gelder ihrer Mitglieder sicher anzulegen. Versorgungswerke müssen auch Reserven aufbauen, um im Krisenfall die Renten weiter zahlen zu können. Der Aufbau einer solchen Rücklage bedeutet aber auch: weniger Spielraum für Rentenerhöhungen.

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