Trotz Klimaabkommen: Industrie-Giganten stoßen weltweit mehr Treibhausgase aus

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57 Unternehmen sind für 80 Prozent der globalen Industrie-Emissionen verantwortlich. Eine Untersuchung zeigt, was sich seit dem Klimaabkommen verändert hat.

Paris/Berlin – Mehr als sieben Jahre ist es her, dass sich 197 Staaten auf das globale Pariser Klimaabkommen geeinigt haben. Das Ziel, die Erderwärmung möglichst auf 1,5 Grad zu begrenzen. Trotz der Einigung treiben die Global Player in der fossilen Brennstoff- und Zementindustrie ihre Treibhausgasemissionen seit der Unterzeichnung des Klimaabkommens weiter voran, wie eine Untersuchung der Carbon Majors Database nun zeigt.

Im Zeitraum zwischen 2016 und 2022 waren demzufolge 80 Prozent der globalen Emissionen zurückzuverfolgen auf nur 57 Öl-, Gas-, Kohle- und Zementproduzenten, berichtete der Guardian. Nicht nur sei der größte Teil dieser Unternehmen in staatlicher Hand, deren Vertreter sich 2016 auf die Reduktion von Treibhausgasen geeinigt haben, auch haben die meisten staatlichen Unternehmen der Untersuchung zufolge den Ausstoß seitdem weiter erhöht. Gleiches gelte für Firmen, die im Besitz von Investoren sind.

ARCHIV - 15.11.2023, Brandenburg, Schwedt/Oder: Verschiedene Anlagen der Rohölverarbeitung auf dem Gelände der PCK-Raffinerie GmbH. Der Energiekonzern Shell will seinen Anteil von 37,5 Prozent an der ostdeutschen Großraffinerie PCK Schwedt an die britische Prax-Gruppe verkaufen. (zu dpa «PCK Schwedt: Shell will Anteile an britische Öl-Firma verkaufen») Foto: Patrick Pleul/dpa +++ dpa-Bildfunk
Brandenburg: Verschiedene Anlagen der Rohölverarbeitung auf dem Gelände der PCK-Raffinerie GmbH (Archivbild) © Patrick Pleul/dpa

Die Datenbank Carbon Majors untersucht mithilfe von Produktionsdaten über 122 der weltweit größten Hersteller fossiler Brennstoffe und Zement und die verursachten Emissionen der Unternehmen. In der neuesten Untersuchung, die nun veröffentlicht wurde, zeigt sich, dass 65 Prozent der staatlichen Einheiten und 55 Prozent der Unternehmen aus dem privaten Sektor ihre Produktion seit 2016 erweitert haben.

Auch 13 von 23 untersuchten europäischen Unternehmen haben laut Bericht ihre Emissionen in dem Untersuchungszeitraum erhöht. Außerdem seien die Emissionen staatlicher Unternehmen rasant gestiegen. Besonders stark habe sich der Ausstoß im asiatischen Kohle-Sektor erhöht.

Europas Hauptimporteur China: Kohle-Sektor verantwortlich für ein Viertel des globalen Ausstoßes

In den vergangenen sieben Jahren seien dem staatlichen chinesischen Kohle-Sektor rund 25 Prozent der globalen CO₂-Emissionen zuzuschreiben, zeigt der Bericht. Finanziert wurde der Ausbau des chinesischen Kohlemarktes auch aus Deutschland. Nach Berechnungen des Projekts Banking Climate Chaos soll die Deutsche Bank zwischen 2016 und 2022 insgesamt rund 2,3 Milliarden US-Dollar an Krediten für mehrere Unternehmen hinter Chinas größten Kohle-Minen bereitgestellt haben, berichtete das ZDF. Die Deutsche Bank sagte gegenüber dem ZDF, sie habe sich seit 2016 nicht mehr an der Kreditfinanzierung von neuen Kraftwerkskohleminen und am Ausbau bestehender Minen beteiligt. Über laufende Verträge könne das Unternehmen nichts sagen und bis 2025 werde Deutsche Bank weltweit alle Engagements im Kohleabbau beenden.

China ist für die EU der wichtigste Handelspartner. Nach Deutschland wurden im Jahr 2023 Waren im Wert von 156,7 Milliarden Euro aus der Volksrepublik importiert. China steht damit auf Platz eins, Deutschlands wichtigster Handelspartner. Und auch als Produktionsstandort wird China von europäischen Unternehmen gerne genutzt. Informationen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) zufolge arbeiten in China allein rund 5000 deutsche Unternehmen.

Europa nach wie vor die meisten Emissionen

Während Guardian zufolge chinesische, saudi-arabische und russische Unternehmen die Top 10 der meisten Emissionen anführt, erscheint mit dem US-Unternehmen ExxonMobil das erste Unternehmen eines westlichen Staates auf Platz elf. Eine Grafik der Untersuchung verdeutlicht allerdings, dass Unternehmen mit Hauptsitz in Europa nach wie vor seit Beginn der 1990er Jahre den höchsten Ausstoß an Treibhausgasen, im Vergleich zu anderen Regionen der Welt haben.

Mit Blick auf die Unternehmen, die in der Hand von Investoren liegen, hat das US-amerikanische Unternehmen ExxonMobil die meisten Treibhausgase ausgestoßen. ExxonMobil ist demzufolge verantwortlich für 1,4 Prozent des globalen Ausstoßes. Dicht dahinter liegen der Untersuchung zufolge Shell, BP, Chevron and TotalEnergies mit jeweils einem Prozent der weltweiten Emissionen.

Konzerne versuchen Verantwortung für Klimawandel abzuwälzen

„Es ist moralisch verwerflich, dass Unternehmen die Erforschung und Produktion von Kohlenstoffbrennstoffen weiter ausbauen, obwohl sie schon seit Jahrzehnten wissen, dass ihre Produkte schädlich sind“, sagte Gründer der Carbon Majors Datenbank, Richard Heede, gegenüber Guardian. Verbraucherinnen und Verbraucher sollen dabei aus der Verantwortung gezogen werden, erklärte der Gründer.

Unternehmen wie der Ölkonzern BP versuchten in der Vergangenheit ihre Verantwortung zu verschleiern. Den CO₂-Rechner, mit dem Menschen ihren eigenen CO₂-Fußabdruck berechnen können, machte BP weltweit bekannt. Das Unternehmen InfluenceMap, das auch den Bericht der Carbon Majors Datenbank veröffentlicht, schrieb in einem Bericht aus dem Jahr 2022, dass die fünf Öl-Giganten BP, Shell, Chevron, ExxonMobil, and TotalEnergies jedes Jahr Hunderte von Millionen Dollar für eine „systematische Strategie ausgeben, um sich selbst als positiv und proaktiv gegenüber dem Klimawandel darzustellen“.

Unternehmen zur Verantwortung ziehen: Öl-Konzern Shell vor Gericht

Im Jahr 2022 stellten die Philippinen unter Berufung auf die Ergebnisse der Datenbank fest, dass es eine rechtliche Grundlage dafür gebe, Unternehmen für ihre Emissionen und die dadurch verursachten Klimaschäden zu Verantwortung zu ziehen. Im Mai 2022 veröffentlichte die philippinische Menschenrechtskommission den Bericht über die menschenrechtlichen Auswirkungen des Klimawandels, die sich aus den Aktivitäten der „Carbon Majors“ ergeben. 

Weltweit werden immer öfter Klimaklagen, auch gegen Unternehmen, erhoben. Zurzeit läuft das Berufungsverfahren des Unternehmens Shell vor dem Gerichtshof in Den Haag. Der Konzern wurde im Jahr 2021 verurteilt, seinen CO₂-Ausstoß bis 2030 um 45 Prozent gegenüber dem Stand von 2019 zu senken. Erstmals wurde in diesem Fall die Verantwortung für den Beitrag zu Klimawandel eines Unternehmens gerichtlich festgelegt.

Ziel der Untersuchung der Carbon Majors Datenbank sei seit der ersten Veröffentlichung von Heede im Jahr 2013, „Produzenten fossiler Brennstoffe für ihre klimabedingten Auswirkungen in akademischen, regulatorischen und rechtlichen Kontexten zur Rechenschaft zu ziehen“. Heede argumentierte gegenüber Guardian, dass die Produzenten fossiler Brennstoffe eine „moralische Verpflichtung hätten, für die Schäden aufzukommen, die sie durch Verzögerungstaktiken verursacht und verschärft hätten“. (pav)

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