Nach Terror-Anschlag in Ankara: Türkei-Geheimdienst und Armee fliegen dutzende Angriffe in Syrien und Irak
Beim Terror-Angriff in Ankara sind fünf Menschen ums Leben gekommen. Die Türkei reagiert mit Luftangriffen gegen die PKK in Syrien und Irak.
Ankara – Nach dem tödlichen Terror-Anschlag gegen den türkischen Luft- und Raumfahrtkonzern „Tusas“ in der Hauptstadt Ankara, bei dem fünf Menschen ums Leben kamen, hat die Türkei nach eigenen Angaben in Syrien und im Irak Stellungen der verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) und ihrer Verbündeten wie etwa des syrischen Ablegers YPG angegriffen.
Türkei greift in Syrien und Irak an: Reaktion auf Terror-Anschlag in Ankara
Es sei „eine Luftoperation gegen terroristische Ziele im Nordirak und Syrien durchgeführt“ worden, erklärte das türkische Verteidigungsministerium am Mittwochabend (23. Oktober). Auch der türkische Geheimdienst „Milli Istihbarat Teşkilatı“ (MIT) war an den Angriffen beteiligt. Die Stellungen der verbotenen Organisation wurden mit Kampfjets, Drohnen sowie Artillerie attackiert, wobei Kampfflugzeuge in erster Linie im Norden des Irak zum Einsatz kommen. In Syrien werden die Angriffe hauptsächlich mit bewaffneten Drohnen und Artillerie durchgeführt.
Sowohl der Geheimdienst als auch das Verteidigungsministerium veröffentlichten später Aufnahmen der Luftangriffe, bei denen 47 Ziele erfolgreich zerstört worden seien. Man habe in erster Linie logistische Standorte der PKK-Terrororganisation und des Ablegers YPG ins Visier genommen. Auf den Aufnahmen ist zu sehen, wie Jets ihre Bomben abwerfen und Kommandoposten sowie Munitionsdepots in unter anderem den Bergen die Luft gesprengt werden. Auch sekundäre Explosionen aufgrund der gelagerten Munition sind zu erkennen.
Terror-Attacke in türkischer Hauptstadt Ankara: Angreifer als PKK-Mitglied identifiziert
Zuvor hatte der türkische Innenminister Ali Yerlikaya die verbotene Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) für die Tat verantwortlich gemacht. Später meldete er schließlich, man habe einen der Angreifer, der durch die türkischen Sicherheitskräfte neutralisiert wurde, identifiziert: Es handle sich um das PKK-Mitglied Ali Örek mit dem Codenamen „Rojger“.
Im Facebook-Profil von Örek, dessen Screenshots von türkischen Nutzern auf X veröffentlicht wurden, sind zahlreiche verherrlichende Beiträge über die PKK sowie Abdullah Öcalan, den inhaftierten Chef der verbotenen Gruppe, zu erkennen.
Innenminister Yerlikaya teilte außerdem mit, man arbeite weiterhin daran, die Identität der weiblichen Angreiferin festzustellen. Beobachter vermuten, dass sie aus Syrien gekommen sein könnte, da es länger als üblich dauere, ihre Identität festzustellen. Ein dritter Angreifer hatte sich vor dem Eingangstor mit einem Sprengstoffgürtel selbst in die Luft gesprengt. Nun versuche man auch seinen Namen herauszufinden.
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Türkei droht mit Bodenoffensive in Syrien: PKK-Ableger YPG wird beschossen
Die türkischen Angriffe in Syrien sind von besonderer Bedeutung, da Ankara immer wieder damit droht, eine erneute Bodenoffensive starten zu wollen, um den syrischen Ableger der PKK, die als sogenannte „Volksverteidigungseinheiten“ bekannte YPG, zu zerschlagen. Die Organisation hält derzeit die Kontrolle über einen Großteil des Gebiets östlich des Euphrat-Flusses. In östlichen Gebieten wie etwa Hasakah besteht eine gemeinsame Präsenz mit amerikanischen Soldaten. Die USA betrachten die YPG als Verbündeten im Kampf gegen die IS-Terrormiliz.
In westlicheren Städten wie Ain al-Arab oder Tal Rifaat hingegen sind vor allem russische Soldaten mit der YPG präsent. Die Türkei hat bislang dreimal militärisch bedeutend im Norden von Syrien eingegriffen. 2017 wurde mit der „Operation Euphrat-Schild“ sowohl gegen die IS als auch gegen die YPG gekämpft. Im Jahr 2018 wurde mit „Operation Olivenzweig“ das Gebiet Afrin westlich des Euphrat-Flusses eingenommen. 2019 wurden mit der „Operation Friedensquelle“ weitere Gebiete und Großstädte wie Ras al-Ain und Tal Abyad östliches des Euphrat unter türkische Kontrolle gebracht.
Im Zuge der jüngsten Angriffe wurden Stellungen der YPG in Ain al-Arab sowie Tal Rifaat beschossen. In der östlichen Stadt Qamischli wurde ein Hauptquartier der YPG-nahen „Asayish“-Einheit zum Ziel. Außerdem wurden auch Ölfelder unter Kontrolle der überwiegend kurdischen Gruppe attackiert sowie Stromleitungen beschädigt. Auch am Donnerstag setzten türkische Drohnen und Artillerie gemeinsam mit von der Türkei unterstützten syrischen Rebellen ihre Angriffe fort. Schon vor dem Terror-Anschlag in Ankara wurde der Norden Syriens regelmäßig mit Drohnen beschossen.
Terror-Angriff in Ankara: Erdogan beschreibt Attacke als „abscheulich“
Präsident Recep Tayyip Erdogan sprach mit Blick auf den Vorfall in Ankara von einem „abscheulichen Terroranschlag“, der „eines der Zugpferde der türkischen Verteidigungsindustrie“ getroffen habe. „Keine Struktur, keine terroristische Organisation (…), die auf unsere Sicherheit abzielen, wird ihre Ziele erreichen“, schrieb er auf X. „Unser Kampf gegen jegliche terroristische Bedrohung wird entschieden fortgesetzt“, fügte Erdogan hinzu.
In Bezug auf die PKK sagte Verteidigungsminister Yasar Güler, „wie sie es immer tun, haben sie versucht, den Frieden unserer Nation durch einen schändlichen und entehrenden Angriff zu stören“. „Wir werden diesen Schurken der PKK immer die Strafe zukommen lassen, die sie verdienen“, fügte er hinzu.
Die PKK kämpft seit 1984 gegen den türkischen Staat und wird von Ankara und seinen westlichen Verbündeten als Terrororganisation eingestuft. Der im Gefängnis sitzende ehemalige Vorsitzende der pro-kurdischen DEM (ehemals HDP), Selahattin Demirtas, verurteilte den Anschlag, der „die Suche nach Lösungen für einen Dialog“ im Konflikt mit den Kurden erschwere. Auch der Chef der wichtigsten Oppositionspartei CHP, Özgur Özel, verurteilte den Terroranschlag.
Aus dem Ausland gab es Solidaritätsbekundungen. „Wir verurteilten Terrorismus in jeder Form aufs Schärfste“, schrieb der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell auf X. „Die EU ist in dieser schwierigen Zeit solidarisch mit der Türkei.“ Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte: „Wir verurteilen Terrorismus in jeder Form aufs Schärfste und stehen an der Seite unseres Partners Türkei.“ (bb/AFP)