„Eher trete ich zurück“: Baerbock zieht vor Wahl rote Linie
Deutschland finanziert die humanitäre Hilfe im Gaza-Streifen. Vor der Bundestagswahl streiten CDU und Grüne über das Palästinenserhilfswerk UNRWA.
Hamburg – Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) bekannte sich beim Wahlkampfabschluss der Grünen in Hamburg am Freitag demonstrativ zur humanitären Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Es hätte Forderungen an sie gegeben, die Hilfen einzustellen, so Baerbock. „Und ich habe gesagt, eher trete ich zurück, als dass ich die humanitäre Hilfe einstelle“, sagte die Außenministerin der Bild zufolge in ihrer Rede. Ende Januar hatte die Unionsfraktion eine Neuorganisation der Hilfen für palästinensische Zivilpersonen verlangt. Bei Wählerinnen und Wählern spielte Außenpolitik kurz vor der Bundestagswahl eine geringe Rolle.
Streit um Palästinenserhilfswerk UNRWA – Bundesregierung zahlte Millionen für Gaza-Hilfen
Die außenpolitische Debatte dreht sich um das Palästinenserhilfswerk der Vereinten Nationen UNRWA, dem Israels Regierung die Unterstützung der Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 und die Verbreitung von Antisemitismus vorwirft. In Einzelfällen fand eine UN-Untersuchung im August Belege für die Vorwürfe der Regierung von Premier Benjamin Netanjahu. Gleichzeitig seien in anderen Fällen unzureichende Beweise vorgelegt worden.
Das Hilfswerk bleibe eine „humanitäre Lebensader“ für die vom Krieg zwischen Israel und der Hamas getroffene Zivilbevölkerung Gazas. Seit Ende Januar untersagt die Netanjahu-Regierung UNRWA die Arbeit auf Israels Territorium. Die Organisation arbeitet jedoch weiter, in Gaza und im besetzten Westjordanland. Nach Angaben der UNRWA bezahlte die Bundesregierung 2023 etwa 48,5 Millionen Euro an die Organisation.
Baerbocks Außenministerium kritisiert UNRWA-Verbot in Israel – CDU will Finanzierung stoppen
Das Auswärtige Amt, Baerbocks Ministerium, kritisierte das vom israelischen Parlament Ende Oktober beschlossene Verbot der UNRWA scharf: Israel müsse sicherstellen, dass die Organisation ihre „lebensrettende humanitäre Unterstützung“, sowie ihre Bildungs- und Gesundheitsversorgungsangebote aufrechterhalten könne.
Der CDU-Abgeordnete Michael Brand, der in der Fraktion Fragen von Menschenrechten und humanitärer Hilfe verantwortet, verlangte hingegen Ende Januar von Baerbock, die Zahlungen an die UNRWA zu stoppen. Kinder würden dort einer „Gehirnwäsche“ unterzogen, es dürften „keine deutschen Steuergelder an Organisationen fließen, die Hass, Terror und die Vernichtung von Juden propagieren“, so Brand in einer Mitteilung der Fraktion. Die Hilfe für die palästinensische Zivilbevölkerung müsse mit den moderaten arabischen Staaten der Region, etwa Ägypten oder Jordanien „neu organisiert“ werden.
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In Umfragen gaben zuletzt etwa 30 Prozent der Befragten an, am Sonntag bei der Bundestagswahl die Union wählen zu wollen. Die Grünen lagen zuletzt mit 13 Prozent deutlich auf Platz vier hinter AfD und SPD. Außenpolitische Fragen spielten für Wählerinnen und Wähler dabei allerdings eine geringe Rolle. Dem ZDF-Politbarometer zufolge gaben Anfang 2025 weniger als zehn Prozent der Menschen den Ukraine-Krieg, der noch deutlich näher liegt, als das Leid in Gaza, als wichtiges Problem Deutschlands an.
UN: Hilfslieferungen nach Gaza auf Vorkriegsniveau
Während des Gaza-Krieges kam es immer offenbar wieder vor, dass Hamas-Angehörige oder bewaffnete Banden, die knappen Hilfsgüter stahlen, wie etwa eine Recherche der Wochenzeitung Zeit rekonstruieren konnte. Israels Regierung wurde während des gesamten Kriegsverlaufes dafür kritisiert, sie hätte zu wenig Hilfsgüter nach Gaza passieren lassen. Die wenige Hilfe konnte ebenso wegen der Kämpfe wegen der Hamas nicht koordiniert verteilt werden. Diverse Hilfsorganisationen sprachen von einer Hungerkatastrophe in Gaza. Seit dem Waffenstillstand zwischen Israel und der Hamas liegt die Menge an Hilfsgütern, die in das vom Krieg weitgehend zerstörte Gebiet fließt, wieder auf Vorkriegsniveau, so die UN Ende Januar.

Zivilisten in Gaza fürchten nächsten Angriff – Hamas instrumentalisiert Geiseln
Während in Deutschland die Frage nach humanitärer Hilfe für Zivilisten in Gaza eine Randnotiz im Wahlkampf ist, fürchtet man dort, dass die Stille des Waffenstillstands nur „eine Pause vor dem nächsten Angriff“ sein könnte, so eine Palästinenserin gegenüber der israelischen Tageszeitung Haaretz. Währenddessen instrumentalisiert die Hamas die Überstellungen der israelischen Geiseln für antisemitische Propaganda-Bilder und die Verschärfung des Traumas, das die Massaker und Entführungen vom 7. Oktober in der israelischen Gesellschaft hinterlassen haben. (kb)