„Gefährliche Entwicklung“: Boomer-Soli könnte Probleme der Rentenkrise verschärfen
Der Boomer-Soli soll Rente retten, doch Experten warnen vor einer „gefährlicher Entwicklung“. Die umstrittene Sonderabgabe könnte Bemühungen zur Altersvorsorge „bestrafen.“
Berlin – Eine umstrittene Sonderabgabe für wohlhabende Ruheständler soll das deutsche Rentensystem stabilisieren. Doch der sogenannte „Boomer-Soli“ stößt auf heftige Kritik: Experten warnen vor negativen Folgen für die Altersvorsorge und das Vertrauen in das System. Die Debatte zeigt, wie schwierig es ist, die Herausforderungen des demografischen Wandels zu bewältigen, wenn die geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre in den Ruhestand gehen.
Boomer-Soli sorgt für Kritik – was hinter der Idee zur Rettung der Rente steckt
Das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hatte das Konzept einer Sonderabgabe für Rentner mit höheren Einkommen vorgeschlagen. Ziel ist es, wohlhabende Ruheständler „moderat“ zur Finanzierung des Rentensystems heranzuziehen und gleichzeitig ärmere Rentner zu entlasten. Dadurch soll das Risiko der Altersarmut verringert werden.
Die Berliner Forscher analysierten unterschiedliche Varianten: Ein Modell sieht eine Abgabe auf alle Altersbezüge vor – von der gesetzlichen Rente bis hin zu betrieblichen und privaten Alterseinkünften. Eine erweiterte Version bezieht auch Vermögenseinkünfte ein. Beide Konzepte arbeiten mit einem monatlichen Freibetrag von 1.000 Euro. Darüber hinausgehende Einkünfte würden mit zehn Prozent zusätzlich belastet. Die Wissenschaftler betonen: „Erwerbseinkommen werden in keinem Szenario zusätzlich besteuert, um keine negativen Erwerbsanreize zu erzeugen.“

Unterstützung erhält das Konzept von prominenter Seite: Monika Schnitzer, Vorsitzende des Sachverständigenrates Wirtschaft, plädiert für eine noch umfassendere Heranziehung der Babyboomer. „Die Rentenlast der Babyboomer kann nicht allein der immer kleineren Zahl von jungen Beitragszahlern aufgebürdet werden, die Babyboomer-Generation selbst muss einen Beitrag dazu leisten“, erklärte die Wirtschaftsweise gegenüber den Funke-Zeitungen.
Kritik am Boomer-Soli: Wirtschaftsvertreter befürchten weniger Arbeitsanreize
Der Boomer-Soli stößt jedoch auf breite Ablehnung. Besonders der CDU-Wirtschaftsrat kritisiert, dass der Boomer-Soli die Motivation zum längeren Arbeiten untergrabe. Dies steht im Widerspruch zu den Plänen der Bundesregierung unter Kanzler Friedrich Merz (CDU), die mit Maßnahmen wie der Aktivrente das Arbeiten im Alter attraktiver gestalten will.
Aus Sicht des Wirtschaftsrates konterkariert die geplante Abgabe diese Bemühungen. Stattdessen müssten Bürger zu größeren Eigenanstrengungen bei der Altersvorsorge ermutigt werden. „Länger arbeiten, härter arbeiten und somit mehr in die Rentenkasse einzahlen, selbst betrieblich und privat fürs Alter vorsorgen – das muss sich für jeden lohnen“, betonte Wolfgang Steiger, Generalsekretär des CDU-Wirtschaftsrates, gegenüber der Fuldaer Zeitung.
Boomer-Soli hat Folgen für Vertrauen in die Altersvorsorge
Darüber hinaus sehen Kritiker die Gefahr, dass die Sonderabgabe private Vorsorgebemühungen „bestrafen“ könnte. Der Wirtschaftsrat warnt, dass das Vertrauen in das Alterssicherungssystem Schaden nehmen könnte. Falls der Staat zusätzliche Alterseinkünfte teilweise abschöpft, stelle sich die grundsätzliche Frage nach dem Nutzen privater und betrieblicher Vorsorge. Das DIW-Konzept stelle eine „gefährliche Entwicklung“ dar.
Diese Einschätzung teilt Jochen Pimpertz vom Institut der Deutschen Wirtschaft. „Der Boomer-Soli würde die Altersvorsorgeplanung derjenigen Menschen ad absurdum führen, die im Vertrauen auf die gesetzliche Rente jahrzehntelang eingezahlt und zusätzlich vorgesorgt haben“, äußerte der Rentenexperte gegenüber dem Tagesspiegel.
Scharfe Kritik kommt auch aus der Union. „Jemand, der in die Rente eintritt, der sein Portfolio berechnet hat, (…) dem kann ich nicht so mal über Nacht sagen, ich nehme dir davon zehn Prozent weg“, kritisierte die Mittelstandsbeauftragte der Bundesregierung, Gitta Connemann (CDU), im Gespräch mit RTL/ntv. Spontane Konzepte seien eine Katastrophe und auch Gift für den Standort.
Boomer-Soli löst Debatten aus – Demografischer Wandel als Hintergrund
Die kontroverse Diskussion um den Boomer-Soli spiegelt die grundlegenden Herausforderungen des deutschen Rentensystems wider. Mit dem schrittweisen Renteneintritt der geburtenstarken Jahrgänge der 50er und 60er Jahre entstehen neue Fragen zur Generationengerechtigkeit. Ökonomen kritisieren, dass der aktuelle Koalitionsvertrag diese Problematik noch verschärft.
„Anstelle von Vorschlägen zu einer Begrenzung des künftigen Beitragsanstiegs gibt es hier teure Versprechungen wie beispielsweise ein stabiles Rentenniveau und eine ausgeweitete Mütterrente“, bemängelte DIW-Chef Marcel Fratzscher. Union und SPD würden Zumutungen für ihre Wählerinnen und Wählern scheuen.