Neue Idee für die Rente: Boomer sollen Extra-Soli zahlen
Experten fordern einen „Boomer-Soli“ zur Rentensicherung. Die Abgabe belastet gezielt ältere Gutverdiener. Junge sollen verschont bleiben.
Berlin – Die Rentenkassen in Deutschland geraten zunehmend unter Druck. Grund dafür ist der Eintritt der geburtenstarken Jahrgänge (1950 bis 1964) – der sogenannten Babyboomer – in den Ruhestand. Bis 2036 sind es insgesamt rund 15 Millionen. Experten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) schlagen nun eine kontroverse Lösung vor: den sogenannten „Boomer-Soli“. Dabei handelt es sich um eine Sonderabgabe, die gezielt auf Alterseinkünfte erhoben werden soll, um die Finanzierung der Renten langfristig zu sichern, ohne jüngere Generationen zusätzlich zu belasten.
Babyboomer gehen in Ruhestand: Was ist der „Boomer-Soli“ genau?
Die Idee des „Boomer-Soli“ wurde erstmals im DIW-Wochenbericht 29/2025 vorgestellt. Die Autoren Stefan Bach, Maximilian Blesch und Kollegen betonen darin, dass das umlagefinanzierte Rentensystem Deutschlands durch die demografische Entwicklung massiv unter Druck gerät. Laut DIW-Experte Maximilian Blesch fließen bereits jetzt rund 20 Prozent des gesamten Bundeshaushalts in die Rente. „Der Boomer-Soli ist ein Vorschlag, der die Chance bieten würde, dass alle Generationen an der Bewältigung der Aufgabe mitarbeiten“, so Blesch im DIW-Bericht.
Die vorgeschlagene Sonderabgabe würde auf sämtliche Alterseinkünfte, also gesetzliche, betriebliche und private Renten sowie Pensionen und Versorgungsbezüge, erhoben. Optional könnten auch Vermögenseinkommen einbezogen werden. Dabei sollen Einkünfte oberhalb eines Freibetrags progressiv belastet werden, um vor allem einkommensstarke Rentnerhaushalte moderat zur Kasse zu bitten. Laut Berechnungen des DIW könnten dadurch einkommensschwache Rentnerhaushalte um bis zu elf Prozent entlastet werden, während die Belastung für wohlhabendere Senioren zwischen drei und vier Prozent läge.
Deutschlands kritische Demografie: Boomer-Soli für weniger Altersarmut
Diese Umverteilung könnte die Altersarmut in Deutschland von aktuell gut 18 Prozent auf knapp 14 Prozent senken, so die DIW-Forscher. Besonders attraktiv erscheint dabei, dass jüngere Generationen nicht direkt belastet werden, da die Umverteilung ausschließlich innerhalb der älteren Generation erfolgt. Das DIW hebt hervor, dass der „Boomer-Soli“ im Gegensatz zu anderen Vorschlägen, wie etwa einer Umverteilung von Rentenanwartschaften, kurzfristig und flexibel umsetzbar wäre.
Allerdings ist der Vorschlag nicht unumstritten. Kritiker sehen darin eine Art „Strafsteuer“ für jene Generation, die ohnehin bereits jahrzehntelang Beiträge gezahlt hat. Zudem könnte eine solche Sonderabgabe rechtliche Herausforderungen mit sich bringen. Der DIW-Bericht räumt zudem ein, dass Eingriffe in bestehende Rentenanwartschaften verfassungsrechtlich problematisch sein könnten und daher nur langfristig umsetzbar wären. Die Sonderabgabe auf Alterseinkünfte hingegen sei verfassungsrechtlich einfacher zu realisieren.
IW Köln kritisiert: Boomer-Soli schafft Fehlanreize statt gezielter Hilfe
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln sieht den Vorschlag des DIW kritisch. Laut IW-Ökonom Jochen Pimpertz entpuppt sich der „Boomer-Soli“ als ungenaue Hilfe, die wichtige Faktoren wie Vermögen nicht ausreichend berücksichtigt. Da ältere Haushalte in Deutschland im Durchschnitt über ein Nettovermögen von mehr als 172.500 Euro verfügen, könnten Vermögende durch geschickte Strategien – etwa die Auszahlung betrieblicher Altersvorsorge in einer Summe – die Sonderabgabe umgehen, was zu erheblichen Fehlanreizen führen würde.
Pimpertz fordert, bei der Unterstützung finanziell schwacher Rentnerhaushalte das gesamte Vermögensbild zu betrachten und gezielt Bedürftige zu identifizieren, statt pauschale Abgaben einzuführen, die am eigentlichen Ziel vorbeischießen.
15 Millionen Babyboomer-Rentner belasten Kassen: Bundesrechnungshof schlägt Alternativen vor
Bemerkenswert ist, dass der Bundesrechnungshof in seinem aktuellen Bericht „Maßnahmen zur Stärkung der Einnahmenbasis“ vom April 2025 eine solche Sonderabgabe nicht in Betracht zieht. Stattdessen fordert der Rechnungshof eine grundlegende Stärkung der Einnahmenbasis durch den Abbau unwirksamer Steuervergünstigungen sowie eine konsequentere Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Maßnahmen wie die Abschaffung der Steuerermäßigung für Handwerkerleistungen könnten demnach jährlich 2,1 Milliarden Euro zusätzlich in die Staatskasse spülen.
Trotz dieser Alternativen bleibt der DIW-Vorschlag attraktiv, da er gezielt die Generation belastet, die von der aktuellen Rentensituation am meisten profitiert. Die DIW-Experten argumentieren, dass die Lebenserwartung bei höheren Einkommen systematisch höher sei, was eine zusätzliche Umverteilung rechtfertige. Zudem könnte die Sonderabgabe flexibel wieder abgeschafft werden, sobald sich die finanzielle Lage der Rentenkassen entspannt hat. Die Politik steht nun vor der Herausforderung, den Vorschlag sorgfältig zu prüfen und abzuwägen. Union und SPD planen bereits, eine neue Rentenkommission einzusetzen, die langfristige Vorschläge erarbeiten soll. (ls)