„Entwicklung geht schneller, als man denkt“: Langenbachs Bürgermeisterin warnt vor Antidemokraten
Langenbachs Bürgermeisterin Susanne Hoyer warnt davor, die Gefahr durch Rechtsextremisten zu verharmlosen. Und sie gibt der großen Politik einen Rat.
Langenbach – Eine der rund 4000 Besucher der Demo gegen Rechtsextremismus am Dienstag in Freising war Langenbachs Bürgermeisterin Susanne Hoyer. Im Interview sagt die 54-Jährige, die bei der jüngsten Kommunalwahl für die Freien Wähler an den Start gegangen war, wieso es aus ihrer Sicht höchste Zeit ist, für den Erhalt der Demokratie aktiv zu werden. Und sie erklärt, was sich die große Politik hierfür von den Kommunen abschauen sollte.
Frau Hoyer, Sie waren am Dienstag keine Rednerin, sondern standen in der Besuchermenge. Was hatte Sie bewegt, zur Demo nach Freising zu fahren?
Für mich war das eine Selbstverständlichkeit. Ich glaube, jetzt ist definitiv der Zeitpunkt, an dem man aufstehen muss. Es heißt immer „Wehret den Anfängen“. Die Frage ist, ob man überhaupt noch von den Anfängen reden kann, oder ob wir diesen Moment nicht schon ein wenig verpasst haben.
Waren Sie alleine auf der Versammlung?
Mein Bruder und meine Mama waren auch da. Wir sind einfach schon immer tief in der Mitte der Gesellschaft verankert. Im Vorfeld der Demo hab’ ich auch noch einen kurzen Rundruf gemacht und in die WhatsApp-Gruppe der ILE-Bürgermeister geschrieben, um einen gemeinsamen Treffpunkt auszumachen. Leider war der Dienstag dafür ungünstig: Es war Sitzungstag, gab einige Krankheiten oder auch Verpflichtungen bei der Feuerwehr. Die meisten Kollegen waren also in Terminen gebunden und haben sich höflich entschuldigt. Einige haben aber geschrieben, dass sie gern dabei wären. Vor Ort hab’ ich dann noch Hörgertshausens Bürgermeister Michael Hobmaier getroffen.
Was glauben Sie: Wie ernst ist die Lage für die Demokratie?
(holt tief Luft) Also ich bin kein Wissenschaftler. Mein Gefühl sagt mir aber: So ernst war es noch nie. Ich mache mir große Sorgen. Diese Entwicklung geht einfach schneller, als man denkt – sonst hätte es damals auch nicht passieren können. Die große Gefahr ist, dass man ein bisschen zu naiv und ahnungslos ist. Ich warne schon lange davor, dass rechte Gruppen so einen Zulauf haben, vor allem wenn man in den letzten Jahren nach Ostdeutschland geschaut hat. Ich glaube, dass sich viele gesagt haben: „Ach, die paar Spinner, die hat’s schon immer gegeben. Das macht ja Demokratie aus, dass man auch einen rechten Rand hat.“ Ja – aber man darf da auch nicht arglos sein.
In kleineren Gemeinden kann man sich viel abschauen: Wenn wir nicht parteiübergreifend arbeiten würden, kämen wir zu keinem Ergebnis.
Wie war Ihr Eindruck der Demo am Marienplatz?
Eigentlich hat sie meine Befürchtungen noch verstärkt. Ich hab’ mich plötzlich in einer Situation wiedergefunden, die ich so nicht erwartet hätte. Wir kommen doch aus einer Generation, die noch von den Eltern überliefert bekommen hat, was damals passiert ist. Dass man jetzt wieder auf die Straße gehen muss, um die Demokratie zu verteidigen, ist ein Stück weit beängstigend und beklemmend. Bei den Sprechgesängen hatte ich Gänsehaut. Ich glaube, Andreas Hauner (Sprecher Grüne Jugend Freising, Anm. d. Red.) hat es gesagt: „Die Demo zeigt, dass wir viele sind.“ Für so eine große Stadt wie Freising waren es aber wenig Teilnehmer, find’ ich. Ich hätte mir schon erhofft, dass die Stadt voll ist. Aber natürlich lag das wohl auch an der kurzfristigen Ladung und daran, dass es kein freier Sonntag war wie in München. Daher hoffe ich, dass es künftig noch mehr werden.
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Was von der Demo ist Ihnen besonders positiv im Kopf geblieben?
Sehr, sehr gut fand ich, dass die demokratischen Parteien jetzt zusammenstehen. Dass sich viele Redner in die Richtung geäußert haben, dass sie vielleicht über Inhalte streiten, aber nicht um die Sache, wenn’s um den Erhalt der Demokratie geht. Dieses Versprechen muss jetzt umgesetzt werden, die Parteien müssen zusammenrücken und dürfen sich nicht wieder auseinanderdividieren lassen. Das hilft nichts! Mit Blick auf die Wahlen in Ostdeutschland müssen regierungsfähige Bündnisse ohne die AfD zustandekommen.
Haben Sie eine konkrete Idee, wie die große Politik da besser handeln kann?
Vielleicht insgesamt mehr miteinander reden und sich weniger in Klausurtagungen zurückziehen, sondern gemeinsam arbeiten. Auch nach unten: In kleineren Gemeinden wird das ja gelebt. Wenn wir nicht parteiübergreifend arbeiten würden, kämen wir zu gar keinem Ergebnis. Da kann man sich viel abschauen: mehr Zusammenhalt, weniger Besserwissen. Diese Schwachpunkte kann natürlich eine antidemokratische Partei ausnutzen. Die Ampel macht’s vor: Wenn sich die Regierenden schon nicht entscheiden können, dann bricht natürlich das Vertrauen der Bürger weg.
Glauben Sie, die Freisinger Demo hat etwas bewirkt?
Ja, und ich möchte den Organisatoren noch danken. Alle, die da waren, haben das Richtige getan. Wir müssen Aufmerksamkeit erregen, die Leute dazu bringen, dass sie sich trauen, aufzustehen und unsere Demokratie zu verteidigen. Bei der Demo fiel dieser Satz: „Viele haben noch gar nicht gemerkt, dass es eine Gefährdungslage ist, dass man aktiv werden muss.“ Es braucht jetzt Vorbilder.
Wie blicken Sie in die Zukunft, Frau Hoyer?
Ich bleibe wachsam, aber hoffnungsvoll.