Aktivist verteidigt Störaktion bei ARD-Sommerinterview mit Alice Weidel
Pfiffe, Trillerpfeifen und laute Musik: Philipp Ruch und sein Künstlerkollektiv haben das ARD-Interview mit AfD-Chefin Alice Weidel gestört. Im Gespräch mit "Blick" zeigt sich Ruch nicht reuig – im Gegenteil. Man habe, so sagt er, nicht gestört, sondern verschönert: "Niemand will Nazis zur Hauptsendezeit im deutschen Fernsehen sehen." Der Staat habe die AfD schließlich vor zwei Monaten als "gesichert rechtsextrem" eingestuft. Das Maß sei voll für ihn: "Es reicht jetzt langsam."
"In Deutschland ist man sehr schnell wieder beim Ausrotten"
Dass durch die Proteste ein sachliches Interview verhindert wurde, sei nicht bedauerlich, sondern bewusstes Ziel gewesen. Ruch betont, sein Kollektiv wolle keine ruhigen Gespräche mit Rechtsextremen ermöglichen, schon gar nicht zur besten Sendezeit. "Wir möchten nicht, dass sachliche Gespräche mit rechtsextremen Wahlschweizerinnen stattfinden – allerhöchstens unsachliche."
Die AfD dürfe keine Bühne erhalten, um ihre Propaganda als seriöse politische Debatte zu tarnen, meint Ruch. Deutschland sei durch seine Geschichte besonders verpflichtet, frühzeitig zu reagieren. "In Deutschland ist man sehr schnell wieder beim Ausrotten", warnt er.
Regelmäßige Zuschriften mit Morddrohungen und Tötungsfantasien
Auf den Einwand, diese Formulierung sei überzogen, verweist Ruch auf die Realität rechtsextremer Gewalt. Er bekomme regelmäßig Zuschriften mit Morddrohungen und Tötungsfantasien, sagt er. Als drastisches Beispiel nennt er den Mord am CDU-Politiker Walter Lübcke, der von einem früheren AfD-Wahlkampfhelfer erschossen wurde.
Auch die Frage, ob Meinungsfreiheit nicht auch für Weidel und die AfD gelten müsse, weist Ruch entschieden zurück. Wer Menschenverachtung und Deportationspläne formuliere, könne sich nicht auf Grundrechte berufen. "Wenn man den Tatbestand, im Jahr 2025 offen menschenfeindlich aufzutreten und im stillen Kämmerchen Deportationen zu planen, als ‚Meinung‘ bezeichnet, dann gilt sie nicht für die AfD." In einem Buch habe er die Inhalte der Partei analysiert. Er sehe dort keine Meinung, sondern "Knallhart-Pläne".
"Die AfD wäre so dumm"
Teilweise klingt Ruchs Kritik drastisch, etwa wenn er vor einem Angriff auf sein Heimatland warnt. Dass die AfD-geführte Bundeswehr 2038 in die Schweiz einmarschiere, sei keineswegs nur Satire, betont er. "Sie müssen mit allem rechnen. Die AfD wäre so dumm." Auf Nachfrage stellt er klar: "Ich meine das ernst. Im Grunde genommen sind sie ja schon da. Die Schweiz ist ein Eldorado für deutsche Rechtsextreme."
Ruch betont, dass er keine eigene politische Agenda vertrete. Sein Engagement ziele auf den Schutz der demokratischen Ordnung. "Wir vertreten keine Position, sondern die Verfassung, die wehrhafte Demokratie." Dass ein Viertel der Deutschen eine rechtsextreme Partei wähle, sei mit der deutschen Geschichte nicht vereinbar: "Der Rechtsextremismus hat kein Anrecht – schon historisch gesehen nicht – in Deutschland ein Viertel aller Wähler einzusammeln."
"Da hätten die eigentlich auch selbst drauf kommen können"
Besonders scharf kritisiert Ruch die ARD. Es sei schwer nachvollziehbar, dass ein als rechtsextrem eingestufter Akteur wie die AfD überhaupt eingeladen werde – noch dazu an einen idyllischen Ort im Regierungsviertel. "Da hätten die eigentlich auch selbst drauf kommen können, dass das unanständig ist."
Auch die Art des Interviews sei für ihn bezeichnend gewesen. Schon die erste Frage des Moderators: "Frau Weidel, warum ist Ihnen Ehrlichkeit in der Politik so wichtig?", sei aus seiner Sicht ein Verrat am journalistischen Anspruch: "Ich sehe in so etwas den größeren Schaden für die Pressefreiheit."
Moment der Fernsehgeschichte
Dass nun viele Medien der ARD vorwerfen, sie habe sich durch die Störaktion blamiert, sieht Ruch anders. Für ihn habe der Sender mit dem Moment Fernsehgeschichte geschrieben. "Wozu haben wir das Fernsehen, wenn nicht genau für diese Momente?"
Dass Alice Weidel nun in der Opferrolle erscheine, sei aus Ruchs Sicht nicht problematisch - im Gegenteil: "Ich sehe Weidel und die AfD gerne in der Opferrolle. Ich denke, niemand hätte Interesse daran, den deutschen Rechtsextremismus noch mal in der Täterrolle zu sehen."
"Das ist ein völliger Widerspruch"
Sein Engagement gegen die AfD sei kein persönlicher Feldzug, betont er zum Abschluss. Die Partei gefährde für ihn ganz Europa. "Ich glaube, dass die AfD Europa ins Verderben führen würde." Besonders unverständlich sei für ihn, dass eine queere Frau wie Weidel, die in der Schweiz lebt und dort auch Steuern zahlt, sich in Deutschland über das "stramme deutsche Volk" äußert. "Das ist ein völliger Widerspruch. Und die Politik wehrt sich kaum dagegen."