Lukaschenko provoziert mit Feierlichkeiten in Belarus – „Die Menschen haben Angst“

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Vorbei die Großproteste, Alexander Lukaschenko geht scheinbar unangefochten in eine siebte Amtszeit in Belarus. Warum ist das so?

Er gehört zu den letzten Diktatoren Europas – und er scheint einfach nicht weichen zu wollen: Am Dienstag (25. März) lässt sich Alexander Lukaschenko in Belarus‘ Hauptstadt Minsk ins Amt einführen. Zum mittlerweile siebten Mal seit 1994. Der Machthaber nimmt Kurs auf mindestens 35 Jahren als Präsident.

Dass Lukaschenko tatsächlich eine Mehrheit von nahezu 90 Prozent der Menschen in Belarus hinter sich hat, glaubt indes kaum jemand. Selbst, wenn das Ergebnis der „Präsidentschaftswahl“ im Januar satte 87,6 Prozent für den Amtsinhaber präsentierte. Die dürfte ebenso manipuliert gewesen sein wie die vorangegangene Wahl im Sommer 2020. Damals folgten massive Proteste.

Lukaschenko feiert wieder ungeniert: Prodemokratische Kräfte in Belarus in beständiger Gefahr

Diesmal gönnt sich Lukaschenko offenbar sogar eine Art Mini-Parade zur Amtseinführung. Lukaschenko werde mit einer „Amtseinführungs-Autokolonne“ „entlang der zwei Hauptstraßen der Hauptstadt“ zu seiner Vereidigung fahren, meldete die Staatsagentur Belta – und wies auf 1.1000 geladene Gäste und Live-Übertragungen der folgenden Zeremonie in nicht weniger als fünf TV-Kanälen hin.

All das könnte sich durchaus als Provokation deuten lassen, eine bescheidenere Anreise durch die Hintertür wäre schließlich denkbar gewesen. Mindestens aber ist es wohl als Machtdemonstration zu verstehen, viereinhalb Jahre nachdem hunderttausende Menschen in anhaltenden Protestaktionen quer durch ganz Belarus Lukaschenkos Rücktritt forderten.

Alexander Lukaschenko Mitte März bei einem Treffen mit der Chefin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwienko.
Blumen vom Regime: Alexander Lukaschenko Mitte März bei einem Treffen mit der Chefin des russischen Föderationsrates, Valentina Matwienko. © IMAGO/Sergei Bulkin/Tass

Hat es mittlerweile einen Stimmungswandel gegeben? Olga Dryndova, Expertin der Forschungsstelle Osteuropa der Uni Bremen, verneinte das anlässlich der Wahl im Gespräch mit unserer Redaktion. „Das bedeutet nicht, dass die prodemokratische Stimmung verschwunden ist. Sondern, dass es einfach nicht mehr sicher ist, irgendeine Art von Aktivität zu zeigen“, sagte sie mit Blick auf ausbleibende Proteste in Belarus. Die Chance auf eine Wiederauflage der Großdemos bezifferte sie damals auf „null“.

Proteste erschütterten Belarus-Regime – Lukaschenko änderte den Kurs

Tatsächlich habe Lukaschenkos Regime von den Wahlen 2020 zu denen Anfang 2025 den Kurs geändert. 2020 habe Lukaschenko dem Westen einen Anschein von Demokratisierung präsentieren wollen. In diesem Jahr sei es ihm um „Kontrolle“ gegangen. Schon der Konsum nicht-staatlicher Medien – etwa über ein VPN-System – auf dem Handy sei gefährlich. Und die Haftbedingungen für politische Gefangene in Belarus‘ Gefängnissen stünden „in den schlechtesten Traditionen der Sowjetunion“, sagte Dryndova.

„Die Menschen haben Angst, zu protestieren. Oder sie sind schon verhaftet. Oder sie mussten das Land verlassen“, erklärte die Expertin. Eine Zivilgesellschaft gebe es zwar noch – aber sie sei angesichts massiver Repression weitestgehend handlungsunfähig. Lukaschenko verhöhnte vor der Wahl im Januar sogar offen die verbliebene Opposition.

Lukaschenkos Schicksal hängt an Putin

Ob Lukaschenko die kompletten fünf Jahre ab Amtseinführung oder gar darüber hinaus Amtsinhaber in Belarus bleibt, dürfte insofern einerseits in seiner eigenen Hand liegen – andererseits aber auch in der eines mächtigen Verbündeten: Wladimir Putin gilt als Machtgarant für den Belarusen.

Das ist für Lukaschenko durchaus ein Problem: Einerseits macht Russland Druck, den „Unionsstaat“ mit Belarus zu vertiefen, was de facto einen schleichenden Machtverlust bedeutet. Und es sei nicht gesagt, dass Russland nicht doch Appetit auf eine vollständige Einverleibung Belarus bekomme, sagte Christopher Forst, Belarus-Repräsentant der Friedrich-Ebert-Stiftung, unserer Redaktion im Januar. Noch kurz vor seiner „Amtseinführung“ hat Lukaschenko nun in Moskau eine „Sicherheitsvereinbarung“ unterschrieben. Sie erlaubt unter anderem eine stärkere Militärpräsenz Russlands in Belarus.

Die bekannteste Vertreterin der Exil-Opposition, Swetlana Tichanowskaja, sieht indes Lukaschenkos Zeit ablaufen. „Er genießt keine öffentliche Unterstützung. Selbst sein Umfeld weiß, dass er vollständig von russischer Unterstützung abhängt. Ohne russische Unterstützung ist Lukaschenko politisch tot“, sagte sie der österreichischen Presse am Sonntag. Viele in Belarus‘ Verwaltung suchten nach „Ausstiegsmöglichkeiten“. Tichanowskaja warnte vor Einflussnahme aus Russland in Belarus – und forderte den Westen auf, ein gemeinsames Konzept für eine Zeit nach Lukaschenko zu erarbeiten. (fn)

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