Betrüger im Straßenverkehr: Benzinbettler unterwegs – „Als ich ablehnte, begann er zu verhandeln“
Sogenannte Benzinbettler versuchen, die Hilfsbereitschaft anderer Verkehrsteilnehmer auszunutzen. Einige Fälle sind nun auch im Kreis Gießen aufgetreten. Die Polizei rät daher, skeptisch zu bleiben.
Kreis Gießen - Gudrun R. kann sich noch genau an die Situation erinnern, als sie ihren Wagen in der Nähe der Autobahnzufahrt Grünberg stoppte. »Da stand ein Mann an seinem Auto und winkte mit einer Landkarte. Ich dachte erst, er hätte sich verfahren«, erzählt die Licherin. Doch als sie das Fenster herunterließ, erzählte ihr der Mann, dass er dringend nach Dortmund müsse, da seine Frau in den Wehen läge. »Ihm sei das Benzin ausgegangen, sagte er und er fragte, ob ich ihm nicht 200 Euro für Benzin leihen könnte.«
Gudrun R., die ihren Nachnamen nicht in der Zeitung lesen möchte, war an einen sogenannte Benzinbettler geraten. Das Vorgehen dieser Täter ist immer dasselbe: In der Nähe einer Autobahn täuschen sie eine Panne vor oder eben, dass ihnen das Benzin ausgegangen ist. Danach versuchen sie, vorbeifahrende Autofahrer auf ihre vermeintliche Notlage aufmerksam zu machen und bitten schließlich, wenn jemand anhält, um Benzin oder Geld, um den Kraftstoff selbst zu kaufen.
Betroffene erzählt von Diskussion mit Benzinbettlern
Im Fall der Licherin Gudrun R. habe der Mann zudem sofort einen Kugelschreiber in der Hand gehabt. Er wollte sich ihre Bankdaten notieren, um ihr das Geld zurücküberweisen zu können, erzählt sie.
Normalerweise wäre die Licherin durchaus zur Hilfe bereit gewesen, erzählt sie, doch die hohe Summe machte sie stutzig: »Hätte er nach 10 oder 20 Euro gefragt, hätte ich das ja verstanden. Als ich dann ablehnte, begann er zu verhandeln, fragte nach 150, 100 oder 50 Euro.«
Die Masche ist im Polizeipräsidium Mittelhessen bekannt, erklärt Pressesprecher Pierre Gath. Im Landkreis Limburg-Weilburg warnte die Polizei Anfang vergangener Woche vor einer Häufung der Betrugsmasche. Im Kreis Gießen sieht die Polizei dagegen derzeit noch keine Zunahme. Einzelfälle gebe es jedoch immer wieder und die Dunkelziffer sei, wie bei vielen Betrugsdelikten, vermutlich hoch. Zudem bleibt die Frage der Strafbarkeit: »Was man bedenken muss ist, jemanden anzubetteln, ist erstmal keine Straftat«, sagt Gath. Sollte die Polizei auf auffällige Vorgänge aufmerksam gemacht werden, ginge sie diesen nach. Um sich vor solchen Maschen zu schützen, rät Gath: »Skeptisch, aber hilfsbereit bleiben.«
„Wenn man die Polizei eine halbe Stunde später informiert, ist es meist schon zu spät“
Denn genau das ist die Krux an der Sache: Man sollte Menschen in Not helfen, sagt Gath, andererseits versuchen Kriminelle diese Hilfsbereitschaft auszunutzen. »Zivilcourage ist etwas Wünschenswertes, sagt Gath. »Nicht jeder will einen betrügen, sondern vielleicht braucht derjenige wirklich Hilfe.«
Die Chancen, mögliche Täter zu erwischen, hängen maßgeblich von der Zeit ab: »Wenn man die Polizei eine halbe Stunde später informiert, ist es meist schon zu spät und sie sind weg«, sagt Gath.
Letztlich sei es ratsam, sich die Bitten der Leute anzuhören und Nachfragen zu stellen. »In solchen Situationen ist gesunder Menschenverstand gefragt«, erklärt Gath. Und im Zweifel oder bei dem Verdacht, einer Betrugsmasche aufzusitzen, kann man die Polizei verständigen. »Letztlich leben wir hier in Deutschland und hier bekommt jeder in einer solchen Notsituation Hilfe, sei es durch Polizei, Feuerwehr oder ADAC«, sagt Gath.
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Die Licherin machte alles richtig und blieb dem Mann gegenüber skeptisch. Schließlich drückte sie aufs Gas, fuhr davon. Kurz nachdem sie zuhause ankam, habe sie dann die Polizei über den Vorfall verständigt - diese hätten jedoch niemanden mehr an der Autobahnzufahrt angetroffen, erzählt sie. Zwar hatte der Vorfall kein finanzielles Nachspiel für sie, aber ein emotionales: »Diese Dreistigkeit hat mich einfach erzürnt. Man kann einfach niemandem mehr trauen«, sagt Gudrun R. Was sie an dem Fall besonders ärgert, ist jedoch etwas anderes. »Wenn jemand wirklich Hilfe benötigt, hält durch die Taten solcher Gauner niemand mehr an. Die Leidtragenden sind immer andere.« (con)