Streit um Wachstumschancengesetz: Was würde der deutschen Wirtschaft wirklich helfen?

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Streit um Wachstumschancengesetz: Ökonomen zeigen, was der deutschen Wirtschaft wirklich helfen würde

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Die Ampel-Koalition will der schwächelnden deutschen Wirtschaft mit dem Wachstumschancengesetz helfen, doch die Union blockiert. Ökonomen haben berechnet, was wirklich helfen würde.

Berlin – Seit Monaten streiten Politiker und Experten über den Zustand der Volkswirtschaft. Während Kanzler Olaf Scholz (SPD) betonte, dass die Lage besser sei als die Stimmung, halten Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) zusätzliche Impulse für die Konjunktur für nötig.

Wachstumschancengesetz: Steuererleichterungen von Union blockiert

Die Zahlen geben allerdings eher Habeck und Lindner recht: Aktuell steht die deutsche Wirtschaft mit einem Bein in der Rezession. Sie schrumpfte im vierten Quartal 2023 um 0,3 Prozent. Kommt es im laufenden ersten Vierteljahr zu einem erneuten Rückgang, wird von einer technischen Rezession gesprochen. Die Bundesbank rechnet „bestenfalls“ mit einer Stagnation von Januar bis März

Was also tun? Momentan soll vor allem das Wachstumschancengesetz aus der Feder von Lindner Abhilfe schaffen, dessen Light-Variante heute im Bundestag zugestimmt wurde. Jedoch ist es unwahrscheinlich, dass das Gesetz im März durch den Bundesrat kommt – denn die oppositionelle Union blockiert dies trotz massiver Kritik von Wirtschaftsverbänden, die schon lange auf die im Gesetz versprochenen Hilfen warten.

Bauarbeiter
Im Gegenlicht der Morgensonne stehen zwei Arbeiter auf einem Gerüst auf einer Baustelle und unterhalten sich. Welche Steuermodelle können der deutschen Wirtschaft helfen? (Symbolbild) © Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/dpa

„Dieses Wachstumschancengesetz ist ein laues Lüftchen“

Dabei wurde das Gesetz nach der ersten Blockade im Bundesrat im vergangenen Jahr schon deutlich entschlackt. Nun sieht es Entlastungen für Unternehmen in Höhe von rund drei Milliarden Euro vor. Unter anderem sollen bessere steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten den kriselnden Wohnungsbau ankurbeln. Zur Förderung von Investitionen soll eine sogenannte degressive Abschreibung eingeführt werden. Für kleine und mittlere Unternehmen soll die Sonderabschreibung substanziell verbessert werden. Forschung und Entwicklung von Unternehmen soll ebenfalls stärker steuerlich gefördert werden. 

Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) wehrte sich dagegen, das Gesetz aus politischen Gründen zu blockieren und der Wirtschaft wichtige Hilfe zu verweigern: „Dieses Wachstumschancengesetz wird ja nicht von uns blockiert, dieses Wachstumschancengesetz ist ein laues Lüftchen“, sagte er am Freitag im ZDF-„Morgenmagazin“, schließlich könne es nur 0,05 Prozent Wachstum mobilisieren. „Wir haben es mit einem Feuer zu tun in der Wirtschaft – und das löscht man ja nicht mit einem Gartenschlauch, sondern mit einem Feuerwehrschlauch.“ 

Forscher berechnen Steuermodelle in Bezug auf den internationalen Wettbewerb

Doch was könnte wirklich helfen? Mit Steuererleichterungen zu arbeiten, scheint immerhin schon eine gute Idee zu sein: Dem Leibniz-Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) zufolge fallen für eine deutsche Firma auf ein rentables Investitionsprojekt bei Berücksichtigung aller Vergünstigungen und Abschreibungsmöglichkeiten im Schnitt 28,5 Prozent Steuern an. Das seien beinahe zehn Prozent mehr als im EU-Mittel, berichtet die Süddeutsche Zeitung (SZ).

Das ZEW hat nun berechnet, welche Reform sich am günstigsten im globalen Steuerwettbewerb für Deutschland auswirken würde. Demnach würde laut der SZ sowohl die Rückkehr zur degressiven Afa als auch das Soli-Aus die effektive Steuerlast der Betriebe von 28,5 auf 28,3 Prozent bzw. 27,8 Prozent senken. Ersteres ist im Wachstumschancengesetz geplant, letzteres eine weitere Idee von Linder.

Eine stärkere Wirkung hätte dagegen laut der Forscher eine hundertprozentige „Superabschreibung“ nach dem Vorbild Großbritanniens, die sich auch im Koalitionsvertrag findet. Dabei handelt es sich um eine Möglichkeit, Investitionskosten sehr schnell steuerlich abzusetzen. Mit dieser Maßnahme würde die effektive Steuerlast auf 27,4 Prozent sinken.

Am stärksten auswirken würden sich allerdings Senkungen der Körperschaft-, Einkommen- oder Gewerbesteuersätze, die dann insgesamt die nominale Zahlungsverpflichtung der Betriebe von gut 31 auf 25 Prozent verringern. Unter Berücksichtigung von Steuersparmöglichkeiten sinke damit die Durchschnittsbelastung auf 23,5 Prozent, berichtet die SZ. Damit befände sich Deutschland plötzlich im Mittelfeld der westeuropäischen Investitionsstandorte. 

Nachteil: Hohe Einnahmeverluste für den Staat

Der Nachteil: Dieser Reformen führen alle zu deutlichen Einnahmeverlusten für den Staat – wahrscheinlich in Milliardenhöhe. „Insgesamt bleibt festzuhalten“, so Katharina Nicolay, Vizechefin des ZEW-Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft, „dass eine deutliche Verbesserung der steuerlichen Standortattraktivität ohne erhebliche kurzfristige Steuermindereinnahmen nicht möglich ist.“

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