Die Bayreuther Festspiele sind eröffnet: Zeit für Veränderungen
Die Bayreuther Festspiele 2024 starten mit Open Air, Kinderoper und Zukunftsmusik auf dem Grünen Hügel. Es weht der Wind der Veränderung.
Ein, zwei Jahre noch, und man bekommt vielleicht gar kein Rasenplätzchen mehr. Dort, unterhalb des Festspielhauses, zwischen den hohen Bäumen und neben der Siegfried-Wagner-Allee. Wo an diesem Vorabend des Festivalstarts kleine Fress- und Bierbuden stehen plus zwei Krankenwagen, man weiß ja nie. Das Bayreuther Open-Air-Konzert ist vielleicht noch nicht Kult, aber Magnet. Für Wagnerianer und für Einheimische, denen das brünftige Heldengeschrei oben am Grünen Hügel ziemlich wurscht ist.
Dementsprechend schmeckt das Programm nach Schweinsbraten mit Vanillesoße. Wagners „Rienzi“-Ouvertüre nebst dem Parallelstück aus Bizets „Carmen“, das Scherzo aus Bruckners Siebter neben einem Häppchen aus Verdis „Don Carlo“ plus Lloyd Webbers „Phantom der Oper“, das muss man erst mal riskieren. Ebenso wie den Stimmungskiller vor tausenden Gästen zum Finale: Wagners „Parsifal“-Vorspiel, so fein das auch von Dirigentin Nathalie Stutzmann und dem Festspielorchester erfühlt wird. Catherine Foster, im Festspielhaus als Brünnhilde gebucht, tremolierte sich vorher durch ihre Nummern, für den Rest gab es sehr wackere Solisten aus der zweiten Reihe.
Katharina Wagner hat früher Undenkbares organisiert
Wer auch immer wohlfeil Strukturveränderungen für Bayreuth anmahnt, hat also nicht genau hingeschaut und -gehört: Sie sind längst da. Seit ihrem Amtsantritt 2008 hat Katharina Wagner früher Undenkbares organisiert. Neben dem Open Air etwa die weltweiten Kino-Übertragungen oder die Reihe „Wagner für Kinder“, mit der die überlangen Dramen ihres Uropas auf kurzweilige, nachwuchsgerechte 70 Minuten zusammenschrumpfen. Heuer war wieder einmal „Der Fliegende Holländer“ dran. Als Vorpremiere am Mittwochvormittag zur „großen“ Premiere am Spätnachmittag, zu „Tristan und Isolde“.

Und noch weitere Änderungen kündigen sich an. Katharina Wagner möchte demnächst zwei Neuproduktionen pro Sommer herausbringen, die dann wesentlich kürzer laufen. Die Novitäten-Dichte wird also erhöht. Und der „Parsifal“, Bayreuths Gründungsstück, soll bald in jedem Jahr zu sehen sein. Ob dafür der Werk-Kanon erweitert wird, ist allerdings fraglich. Bislang dürfen „Der fliegende Holländer“, „Tannhäuser“, „Meistersinger“, „Lohengrin“, „Tristan und Isolde“, die vier „Ring“-Stücke und der „Parsifal“ gespielt werden. 2026 kommt bekanntlich „Rienzi“ dazu, die übrigen beiden Wagner-Opern „Die Feen“ und „Liebesverbot“ sind eher untauglich (nicht nur) für den Grünen Hügel.
Auch mit der Renovierung des Festspielhauses geht es voran. Bund und Freistaat Bayern stellen für die Generalsanierung jeweils knapp 85 Millionen Euro bereit. Vor der „Tristan“-Premiere wurde dazu eine Vereinbarung unterzeichnet. „Mit vereinten Kräften ertüchtigen wir das Festspielhaus – unser ikonisches Monument des Wagner-Mythos“, teilte Bayerns Kunstminister Markus Blume (CSU) mit. Auch Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) sieht die Sanierung gesichert. Mit dem Geld aus Berlin und München beginnt der zweite Umbau-Abschnitt, in der ersten Phase vor einigen Jahren wurde die Fassade erneuert.

Noch stärker sanierungsbedürftig ist allerdings die Struktur der Festpiele. Ein Gremienwirrwarr aus Verwaltungsrat, Stiftungsrat und Trägern wie Land, Bund, Stadt, Sponsoren und Wagner-Sippe verhindert schnelle Entscheidungen und eine effektive Führung. Wie dagegen vorgegangen werden könnte, darüber hat sich bislang noch keine Ministerin, kein Minister ausgelassen – außer dem ständigen Ruf nach Veränderungen. Vielleicht hilft ja hier der silbrig glitzernde „Wunschstein“, der seit Mittwochvorrmittag über die Probebühne 4 geschoben wird.
Meine news
Er ist ein wichtiges Detail des neuen Kinder-„Holländers“. Einfach den Lieblingswunsch auf ein Blatt Papier malen, auf den Stein kleben, dann wird das schon. Anders als sonst ist bei der Nachwuchsproduktion von Regisseur Kerem Hillel verstärkt das Publikum gefragt („Ruft mal den Steuermann!“), das prompt mehr Dezibel als Brit Tone-Müllertz (Senta) entwickelt.
Das Brandenburgische Staatsorchester unter Azis Sadikovic liefert Klangmächtiges. Die Kulissen von Sarah Wolters lassen sich schnell von der kleinen Bucht zum Daland-Haus und zur finalen Party umbauen. Der Holländer (Michael Kupfer-Radecky) tritt mit Handpuppen-Papagei auf, ist daher nur bedingt gruselig. Erik (Martin Koch), eigentlich Sentas Verlobter, trägt Atze-Schröder-Gedächtnisperücke und verzichtet am Ende schnell auf Senta. Die will künftig mit dem Holländer kreuzfahrten und begründet das Papa Daland (Lucas Singer) gegenüber recht einleuchtend: Der sei schließlich dauernd unterwegs – „jetzt bin ich mal dran“.