„Gegen die Maloche bis zum Tode“ – Wieso Millionen Rentner weiter arbeiten wollen oder müssen
Obwohl sie in den Ruhestand könnten, arbeiten viele Deutsche weiter. Aus Spaß an der Arbeit oder wegen zu wenig Geld? Ein Blick auf die Zahlen überrascht.
Berlin – Geht es um die Rente, ist die Verunsicherung vieler Menschen groß. Obwohl im Wahlkampf die Themen Migration und Wirtschaft im Fokus standen, betrifft gerade das Altersgeld alle Menschen in Deutschland unmittelbar. Es droht ein Absinken des Rentenniveaus, die Altersarmut ist hoch und ob das Umlagesystem auch funktioniert, wenn die Babyboomer in Rente gehen, besorgt viele. Inmitten vieler Unsicherheiten und Umwälzungen arbeiten immer mehr Menschen auch im Alter weiter, obwohl sie schon in den Ruhestand könnten. Die Entwicklung ist eindeutig, die Gründe dafür dagegen sind verschieden.
Niedrige Rente und aktiv im Alter: Immer mehr Menschen arbeiten
Von den rund 21 Millionen Rentnerinnen und Rentnern in Deutschland arbeiten rund 1,5 Millionen im Ruhestand weiter. Das ergeben neu veröffentlichte Zahlen der Deutschen Rentenversicherung zum Stichtag des 31. Dezember 2023, aktuellere Daten gibt es noch nicht. Der Linke-Bundestagsabgeordnete Matthias W. Birkwald erkundigte sich bei der noch geschäftsführenden Bundesregierung nach auch im Alter weiterarbeitenden Menschen. So arbeiteten knapp 400.000 Menschen in sozialversicherungspflichtiger Teil- oder Vollzeit. Fast 1,1 Millionen Menschen, die schon eine Rente beziehen, arbeiten geringfügig als Minijobber weiter, wie die Bundesregierung angibt. Tendenz steigend.

Für Birkwald, renten- und alterssicherungspolitischer Sprecher seiner Partei im Bundestag, für den er bei der Bundestagswahl aber nicht mehr antrat, sind die Zahlen keine gute Nachricht. „Ein Teil der Rentner und Rentnerinnen arbeitet, weil er seine sozialen Bezüge erhalten will und weiter produktiv tätig sein möchte. Dies betrifft vor allem Menschen mit akademischer Bildung und einem hohen Grad an Selbstbestimmung und Selbstbestätigung in ihrem Beruf“, so Birkwald gegenüber der Frankfurter Rundschau. „Viele Menschen arbeiten aber im Rentenalter weiter, weil die Rente nicht zum Leben reicht. Die Durchschnittsrente über alle 21,3 Millionen Rentnerinnen und Rentner liegt derzeit bei nur 1209 Euro. Und selbst nach 35 und mehr Versicherungsjahren werden durchschnittlich nur 1441 Euro an Rente aufs Konto überwiesen“, beklagt der Linken-Politiker.
Arbeiten im Alter: aus Spaß oder finanzieller Not?
Birkwald hat besonders die Menschen ohne viel Geld im Blick. „Die Linke ist gegen die Maloche bis zum Tode! Einen stummen Zwang der ökonomischen Verhältnisse, über das eh zu hohe Renteneintrittsalter hinaus arbeiten zu müssen, darf es nicht geben. Darum brauchen wir dringend höhere Renten.“ Wer ohne ökonomische Zwänge weiterarbeiten möchte, solle das gerne weiter tun – allerdings seien Arbeitgeber dann in der Pflicht, Arbeitsplätze altersgerecht zu gestalten.
Neuer Newsletter „Unterm Strich“
Was? Exklusive Einblicke in den Politik-Betrieb, Interviews und Analysen – von unseren Experten der Agenda-Redaktion von IPPEN.MEDIA
Wann? Jeden Freitag
Für wen? Alle, die sich für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft interessieren
Wo? Direkt in ihrem E-Mail-Postfach
Wie? Nach einer kurzen Registrierung bei unserem Medien-Login USER.ID hier kostenlos für den Newsletter anmelden
Doch welche Menschen arbeiten aus der Not heraus, welche aus der Freude? Der Alterssicherungsbericht (ASID) des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales aus dem letzten Jahr präsentiert dazu Zahlen. „Vor dem Hintergrund des Anstiegs der Erwerbstätigkeit Älterer in den letzten Jahren wird auch diskutiert, welchen Stellenwert Erwerbseinkommen im höheren Alter hat, also in der Lebensphase, die üblicherweise als ‚Ruhestand‘ bezeichnet wird“, heißt es darin. Und weiter: „Entgegen der These, dass dies Ausdruck steigender Altersarmut sei, zeigen die Daten der ASID – wie auch die anderer Studien – dass die höhere Erwerbstätigkeit im Alter vor allem Ausdruck veränderter Lebensentwürfe, weg von einem passiven Lebensabschnitt hin zu einer aktiven Teilnahme an Wirtschaft und Gesellschaft zu werten ist.“
Meine News
Zukunft der Rente ungewiss
Dazu wurden Rentnerinnen und Rentner im Rahmen der repräsentativen Studie befragt. Das Ergebnis: Mit 27 Prozent gaben die meisten an, aus „Spaß an der Arbeit“ weiterzuarbeiten. Es folgen soziale Aspekte, wie weiterhin eine Aufgabe zu haben und der Kontakt zu Menschen mit jeweils 21 Prozent. 14 Prozent der Befragten gaben an, aus der finanziellen Not heraus arbeiten zu müssen, 13 Prozent wollten sich mit dem extra Geld „etwas mehr leisten können.“
Für Linken-Politiker Birkwald sind das Absinken des Rentenniveaus, die steigenden Lebenshaltungskosten und die jeder und jedem Fünften drohende Altersarmut ein Alarmsignal, besonders was die Zukunft und weitere Entwicklung der Rente angeht. „Das alles zeigt: aus reiner Freude an der Arbeit werden viele der arbeitenden Rentnerinnen und Rentner nicht weiterarbeiten.“