„Super Suchoi“: Russlands Luftwaffe steuert optimierte Su-30-Kampfjets gegen die F-16
Die ukrainischen F-16 bekommen einen neuen Gegner – so die russische Propaganda. Wahrscheinlich ist, dass Putin eine Antwort auf die Patriots sucht.
Moskau – „Su-30SM2 soll F-16-Jets angreifen“, behauptet aktuell das indisch-kanadische Medium Eurasian Times – was wahrscheinlich aus der Luft gegriffen ist. Allerdings schickt Wladimir Putin jetzt verbesserte Versionen seines SU-30-Mehrzweck-Zweisitzers an die Front – und das scheint tatsächlich der Ankunft der westlichen F-16 in die Ukraine geschuldet zu sein.
„Unsere Militärpiloten haben sozusagen gezeigt, dass sie auf die Ankunft der Nato-Flugzeuge durchaus vorbereitet sind und ihnen gebührend entgegenkommen werden“, schrieb das Magazin Newsweek im Mai unter Berufung auf das russische Online-Medium Top War: Demnach böten die Maschinen eine verbesserte Avionik, also vornehmlich ein Radar mit erhöhter Reichweite, weil genau das auch die Kompetenzen der F-16 charakterisiert. Ebenfalls soll die Su-30 mit ebenso in der Reichweite verbesserten Raketen nachgerüstet worden sein.
„Super Suchoi“: Upgrade-Paket für Russlands Exportschlager
Top War spricht vom Upgrade-Paket „Super Suchoi“ und hatte das schon im Februar 2022 als künftigen russischen Exportschlager anmoderiert. Und das deutsche Magazin Flugreue will schon im Juni vergangenen Jahres mindestens zwei „Super Suchoi“ innerhalb der russischen Marineflieger ausgemacht haben.
„Wer zuerst feuert und trifft, gewinnt. Moderne Luft-Luft Raketen, einmal abgeschossen, schleichen sich quasi an ihr Ziel heran und aktivieren erst kurz vor dem Einschlag ihr auffälliges Radar. Dann ist es oft zu spät, um auszuweichen. Mit wilden Manövern, Maschinengewehrfeuer und Hollywood hat das meist wenig zu tun.“
Jetzt scheinen also auch die Invasionstruppen diese neuen Maschinen bekommen zu haben. Die russische Nachrichtenagentur Tass hat jetzt gemeldet, dass die aufgewerteten Maschinen offenbar gerade erst an das Verteidigungsministerium übergeben worden seien. Laut der Eurasian Times soll das die erste Charge an Jets für dieses Jahr gewesen sein, in Videomaterial in Sozialen Netzwerken sind wohl zwei Maschinen zu sehen. Möglicherweise isst das dann auch die komplette Lieferung gewesen.
„Während das russische Militär voraussichtlich einige Dutzend neu gebaute Su-30SM2- Kampfflugzeuge erwerben wird, stellt das neue Flugzeug in erster Linie ein Upgrade-Paket für ältere Su-30SM dar, die alle auf diesen Standard gebracht werden sollen“, schrieb Top War vor zwei Jahren – offensichtlich hat die Realisierung dieses Upgrade-Pakets so lange gedauert. Die hauptsächliche Verbesserung läge danach nicht in der erweiterten Radar-Technologie, sondern eher in der Integration des Triebwerks der Su-35.
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Putins Offensiv-Flieger: Höhere Steigrate, kleinerer Wenderadius, längere Lebensdauer
Laut Top War verspricht das neue Aggregat 16 Prozent mehr Schub als das ältere Triebwerk und werde dem Kampfflugzeug ermöglichen, „mit einer größeren Waffennutzlast abzuheben, besser zu manövrieren und aufgrund seiner höheren Effizienz länger zu fliegen“, so das Magazin. Laut dem Magazin Armyrecognition verspricht der neue Modell-Typ verbesserte Leistungen in „Steigrate, Wenderadius und Motorlebensdauer“. Die Flugzeug-Typen SU-30 und F-16 werden sich gegenseitig aber eher weniger in einen Luftkampf verwickeln, als dass sie sich gegenseitig auf Distanz zu halten versuchen.
Das neue Radar soll vor allem die Möglichkeit bieten, „Kh-59-Abstandsraketen und eine Reihe neuer gelenkter Bomben einzusetzen“. Laut der Flugrevue soll die Su-30SM2 künftig sogar „in der Lage sein, Informationen mit Drohnen auszutauschen und sie sogar zu steuern“, wie das Magazin aus der russischen Zeitung Iswestija erfahren haben will. Neben einem breiten Arsenal konventioneller UAV (Unmanned Aerial Vehicle) stehe der Su-30SM2 dann auch die neu entwickelte Stealth-Kampfdrohne S-70 Ochotnik zur Seite, wie das Magazin berichtet. Die Su-30SM2 ist als Zweisitzer für solche Missionen geeignet, wie die Flugrevue urteilt.
Russlands-Propaganda-Feldzug: Piloten sehen sich gegen die F-16 gewappnet
„So könnten ‚die Flugzeuge den Feind erkennen und ihn in einer Entfernung von Hunderten und Tausenden von Kilometern angreifen‘.“ Die Su-30SM2-Kampfflugzeuge seien die nächste Entwicklungsstufe der von den russischen Streitkräften eingesetzten Flugzeuge, lobte gegenüber der Tass ein Sprecher der United Aircraft Corporation (UAC); hergestellt werden sie im Irkutsker Luftfahrtwerk – das ist eine Tochtergesellschaft von UAC und Teil des staatlichen Konzerns Rostec. Der Sprecher behauptete, dass ihr Kampfpotenzial der Maschinen nach der Modernisierung gestiegen sei. Russland verspricht sich den Verkauf des Upgrade-Pakets an seine bisherigen Su-30-Kunden Algerien, Belarus, Indien, Malaysia und Vietnam;
Bereits im Juli hatte Armyrecognition berichtet, dass die Su-30-Piloten Strategien entwickelten, um F-16-Kampfflugzeugen entgegenzuwirken – zu der Zeit hatte die Lieferung der ersten Maschinen in die Ukraine unmittelbar bevorgestanden. „Russische Piloten sind zuversichtlich, dass sie mögliche Konfrontationen mit der F-16 bewältigen können, da sie die Aerodynamik der Maschine und ihre wahrgenommenen Schwächen im Nahkampf gut kennen“, schrieb Armyrecognition über die Zuversicht der russischen Luftstreitkräfte.
Nahkampf nahezu illusorisch: Su-30SM2 und F-16 sehen sich wohl nur auf dem Radar
Allerdings nehmen Experten von der Wahrscheinlichkeit eines Nahkampfes eher Abstand: „Wer zuerst feuert und trifft, gewinnt. Moderne Luft-Luft Raketen, einmal abgeschossen, schleichen sich quasi an ihr Ziel heran und aktivieren erst kurz vor dem Einschlag ihr auffälliges Radar. Dann ist es oft zu spät, um auszuweichen. Mit wilden Manövern, Maschinengewehrfeuer und Hollywood hat das meist wenig zu tun“, schreibt beispielsweise Lukas Stock für die Deutsche Welle über die Realität des Luftkrieges.
Die gegnerischen Maschinen werden sich höchstwahrscheinlich lediglich auf dem Radarschirm begegnen. Die F-16-Kampfjets sollten zunächst defensiv agieren. Zur Vorbereitung habe die Ukraine wohl versucht, gezielt Batterien mit S-300 oder S-400-Luftabwehr-Raketen mit hoher Reichweite zu neutralisieren – letztendlich um den F-16-Kampfjets in der Luft in einem halbwegs sicheren Luftraum Ellbogenfreiheit zu verschaffen; um dann ihrerseits gegen Iskander-Stellungen oder anfliegende Marschflugkörper angreifen zu können – „das soll den F-16 eine hohe Möglichkeit des Überlebens geben“, sagt Oberst Markus Reisner vom österreichischen Bundesheer im ZDF.
Ukraine muss warten: Piloten brauchen Jahre für ihr neues System
Luftkämpfe gegen russische Piloten, die erfahren sind auf russischen Systemen, wären für die ukrainischen Piloten zum jetzigen Zeitpunkt wahrscheinlich ohnehin Himmelfahrtskommando – Analysten rechnen damit, dass die neu geschulten Besatzungen Jahre bräuchten, um die F-16 auch unter Nahkampf-Bedingungen zu beherrschen.
„Obwohl ukrainische Kampfpiloten bereits über grundlegende Flugfähigkeiten verfügen, erfordert die Anpassung an ein Flugzeug mit einer grundlegend anderen Cockpitoberfläche und Instrumentenanordnung, die auf einem anderen Konzept der Ergonomie basiert, eine andere Denkweise. Diese Realität bedeutet, dass auch erfahrene Kampfpiloten Zeit brauchen werden, um sich effektiv umzustellen“, schreiben beispielsweise Christopher Koeltzow, Brent Peterson und Eric Williams.
Russlands wahrer Albtraum: Patriots drängen die Luftwaffe zurück
Darüber hinaus ließe sich ihre Flugerfahrung mit Kampfflugzeugen aus der Sowjetzeit nicht unbedingt auf die Fly-by-Wire-Steuerung und das Design der F-16 übertragen, warnen die Wissenschaftler des Center for Strategic and International Studies (CSIS). Allein die Dauer der taktischen Ausbildung kalkulieren sie mit mindestens einem Jahr.
Im Gegenteil werden die neu ausgerüsteten Su-30-Maschinen wohl prognostisch vor allem gegen die ukrainischen Patriot-Stellungen wirken. „Die Patriot hat in der Ukraine eine ziemlich spektakuläre Leistung gezeigt“, sagte Justin Bronk, gegenüber dem Magazin Business Insider (BI) bereits Anfang des Jahres. Der Analyst des britischen Thinktank Royal Services Institute (RUSI) fügte gegenüber dem BI an, dass „die ukrainischen Bediener offensichtlich gut ausgebildet sind und sehr gut herausgefunden haben, wie sie das System in ihren eigenen taktischen Szenarien einsetzen können.“
Insofern laufen die Luft-Boden-Duelle offenbar darauf hinaus, dass die Su-30SM2 Jagd machen werden auf die Patriot und Atacms-Stellungen, so wie die F-16 die S-300 und S-400-Batterien unter Feuer nehmen werden. Dass die russische Luftwaffe mehr Leistung aus ihren Maschinen herausholen muss, ist also Folge der ukrainischen Finesse im Umgang mit den westlichen Waffen – wie dadurch, dass sie die Reichweite der Patriot-Raketen geschickt auszunutzen verstünden, wie Justin Bronk im Business Insider vermutet hat: Dass die Ukraine dies tun könnte, habe Russland dazu veranlasst, einige Kampfjets weiter von der Frontlinie entfernt zu stationieren. (Karsten Hinzmann)