Rente, Strompreis, Bürgergeld: Drohendes Ampel-Aus hängt an diesen Punkten

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Die Ampel-Koalition will am Mittwoch über ihr Fortbestehen entscheiden. Bei wichtigen Punkten stehen sich die Parteien gegenüber – können sie sich auf einen Weg einigen?

Berlin – Showdown in Berlin: Kanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) wollen heute nach mehreren Krisengesprächen möglicherweise entscheiden, ob es für diese Koalition weitergeht. Die Ampel ist sich in zentralen Fragen zur Wirtschafts- und Finanzpolitik nicht einig. Derweil brennt die Hütte in zentralen Bereichen der deutschen Wirtschaft: Autoindustrie, Stahl, Chemie, Pharma – überall werden Stellen abgebaut und Sparpläne geschmiedet. Noch dazu müssen sich deutsche Unternehmen auf die Folgen des Siegs von Donald Trump bei der US-Wahl einstellen – insbesondere was seine versprochenen Zölle angeht.

Wie kann die Ampel also einen Weg aus dieser Krise finden? Es gibt einige Streitpunkte, die alles entscheiden könnten.

Ampel-Streit über die Rente geht weiter: FDP und SPD stehen sich gegenüber

Eines der zentralen Streitthemen, bei denen sich die Ampel-Parteien nie wirklich einig waren, sind die Sozialleistungen. Das hat auch einen Grund: Mit fast 37 Prozent geht der größte Teil des Kuchens im Haushalt an das Sozialressort, das meiste davon wird für die gesetzliche Rente ausgegeben. Fast 130 Milliarden Euro gehen 2024 in die gesetzliche Rente, die Grundsicherung im Alter und in die Erwerbsminderungsrente.

Angesichts des Spardrangs der Koalition, aber insbesondere der FDP, ist es daher nur logisch, dass Renten-Reformen zu einem Streitthema werden würden. Seit fast einem ganzen Jahr streitet die Ampel mittlerweile über das Rentenpaket II, die FDP verweigert im Bundestag ihre Zustimmung, obwohl Christian Lindner im Kabinett zugestimmt hat. Durch das Rentenpaket II, das die Stabilisierung des Rentenniveaus auf 48 Prozent des Durchschnittslohns vorsieht, wird aber enorme Mehrkosten für den Bundeshaushalt bedeuten. Der Bundesrechnungshof geht von Ausgaben von 500 Milliarden Euro im Jahr 2045 aus.

Einen Teil dieser Kosten sollen nach dem Willen der SPD, für die das Rentenpaket ein zentrales Wahlversprechen ist, auf höhere Beiträge umgetragen werden. Bis in die 2030er Jahren sollen die Rentenbeiträge auf 22,3 Prozent des Bruttolohns steigen – aktuell liegt der Beitragssatz bei 18,6 Prozent. Nach Ansicht der FDP macht das den Wirtschaftsstandort unattraktiv, da hohe Lohnnebenkosten von Unternehmern als Standortrisiko genannt werden.

Ampel-Streit zum Bürgergeld: Kosten gehen in die Höhe – Lindner will wieder kürzen

Wie genau man diese Diskrepanz lösen will, ist nicht klar. Die Bundesregierung hatte sich eigentlich auf Möglichkeiten verständigt, die das Weiterarbeiten im Alter attraktiver machen sollten. Dazu gehört auch die Rentenaufschubprämie. Bisher ist diese aber nicht verabschiedet worden – und Lindner würde gerne noch weitergehen. In seinem „Wirtschaftswende“-Dokument fordert er zudem höhere Abschläge für Personen, die früher in Rente gehen und eine Anpassung der Berechnung des Rentenniveaus. Wie SPD und Grüne zu diesen Vorschlägen stehen, ist nicht ganz klar.

Zweites sozialpolitisches Thema, das die Ampel seit Jahren umtreibt: das Bürgergeld. Der Widerstand der FDP um Christian Lindner lässt sich auch in diesem Fall anhand des Haushalts gut beleuchten: Mit 47 Milliarden Euro für 2024 sind auch die Leistungen für Arbeitslose ein enormer Posten im Budget. Lindner hat in seinem neuen Papier erneut einen Vorschlag gemacht, um die Kosten hier zu drücken: Anstatt die Kosten für Unterkunft und Heizen der Bürgergeld-Empfänger 1:1 zu übernehmen, solle der Staat eine Pauschale zahlen. Damit würde es vermieden werden, dass der Steuerzahler für überhöhte Mieten der Arbeitslosen aufkommen muss.

Kritik an diesem Vorschlag kam indes von den Jobcentern. „Ich kann nicht erkennen, wie Pauschalen für die Miete von Bürgergeldbeziehern Kosten sparen könnten“, sagte Jana Siebig, Personalrätin der Jobcenter, gegenüber der WirtschaftsWoche. Im Gegenteil erwarte sie sich von der Vereinheitlichung sogar noch Mehrkosten. Denn laut der Expertin existierten bereits regionale Angemessenheitsgrenzen, die Bürgergeldempfänger, die darüber lägen, bereits zum Umzug in eine günstigere Wohnung aufforderten. Konkret legen derzeit die Kommunen – mit Unterstützung des Bundes – die entsprechenden Grenzlegung vor.

Bürgergeld-Kürzungen müssen im Einklang mit der Verfassung sein

Zudem macht sie verfassungsrechtlich Bedenken an Lindners Vorschlag geltend: Es sei anzuzweifeln, dass ein Verfassungsgericht die Kürzung dieser Leistung erlauben würde. Bereits 2019 hatte der BGH geurteilt, dass der Staat das Existenzminimum seiner Bürgerinnen und Bürger zu decken hat. Dabei hatte das Gericht explizit darauf hingewiesen, dass „die Kosten der Unterkunft und Heizung oder Mehrbedarf stets weiter zu zahlen sind“. Begründet wird das damit, dass Erwerbslosen sonst die Wohnungslosigkeit drohen könnte – was das Problem der Arbeitslosigkeit in der Regel nur verschärft.

Unklar ist also, wie die Koalition die Bürgergeld-Kosten wirklich kurzfristig senken kann. Einzig die Erhöhung der Erwerbstätigkeit – also mehr Menschen in Arbeit bringen – scheint das Problem wirklich angehen zu können. Hier hat die Ampel aber auch schon einiges in Bewegung gesetzt: Es gibt Prämien für Bürgergeld-Empfänger, die in Arbeit kommen, Ein-Euro-Jobs werden als Maßnahme ergriffen und wer sich nicht an die Regeln hält, dem drohen heftige Leistungskürzungen. Angesichts der aktuellen Wirtschaftsmisere und dem Stellenabbau in vielen Bereichen werden es aktuell eher mehr Arbeitslose, als weniger.

Wirtschaft in der Krise: Strompreise als Schlüssel zum Erfolg?

Um diese Wirtschaftsmisere in den Griff zu bekommen, nennen Unternehmen immer und immer wieder einen zentralen Hebel: die Energiekosten. In Deutschland und in der EU im Allgemeinen sind vor allem die Strompreise im internationalen Vergleich nicht wettbewerbsfähig. Alle drei Ampel-Partner nennen die Senkung der Strompreise als zentrale Maßnahme für mehr Wirtschaftswachstum; doch beim Wie streiten sie nach wie vor. Die FDP fordert eine Abschaffung der Subventionen für erneuerbare Energien, vor allem für Wind und Solar. Tatsächlich soll im Kabinett auch in dieser Woche eine Änderung der Solarförderung beschlossen werden. Im Lindner-Papier ist von „untragbar finanziellen Dimensionen“ bei den Erneuerbaren-Subventionen die Rede.

SPD und Grüne fordern hingegen einen anderen Ansatz. Im Oktober hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck ebenfalls ein „Impulspapier“ veröffentlicht und eine Absenkung der Stromsteuer auf das EU-Minimum gefordert sowie eine Senkung der Netzentgelte. Die EU verlangt eine Stromsteuer von mindestens 0,1 Cent pro kWh – in Deutschland liegt sie bei 2,05 Cent/kWh. Die FDP ist gegen die Abschaffung dieser Steuer, da sie eine wichtige Einnahmequelle des Bundes ist: 6,3 Milliarden Euro hat der Staat 2023 dadurch eingenommen.

SPD will Industriestrompreis – auch der Bundeskanzler wirbt für niedrige Strompreise

Die SPD fordert daher schon seit über einem Jahr einen Industriestrompreis – bisher ohne Erfolg. Nach zähem Ringen hat man sich Ende letzten Jahres auf eine Kompensation für eine sehr begrenzte Anzahl an Unternehmen einigen können, mehr aber nicht. Der Kanzler hat Anfang Oktober aber diesbezüglich ein Versprechen an die Wirtschaft gegeben:  Der SPD-Politiker sagte bei einem Unternehmertag des Außenhandelsverbands BGA in Berlin, es solle sichergestellt werden, dass die Übertragungsnetzentgelte nicht immer weiter steigen. Kurzfristig könne dies durch einen Bundeszuschuss zu den Übertragungsnetzentgelten umgesetzt werden.

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer hatte vorgeschlagen, die Intel-Fördergelder zur Entlastung bei den Strompreisen zu nutzen. „Die Bundesregierung sollte die jetzt nicht benötigten Intel-Milliarden nutzen, um die Netzentgelte und damit die Stromkosten zu senken“, sagte DIHK-Präsident Peter Adrian der Deutschen Presse-Agentur. Die Intel-Milliarden will Lindner aber zur Stopfung von Haushaltslöcher nutzen.

Die Spitzen der Ampel-Koalition
Scholz, Habeck und Lindner treffen sich diese Woche mehrmals zu Krisensitzungen. (Archivbild) © Kay Nietfeld/dpa

Für die Regierungskoalition stehen also schwierige Verhandlungen an – hier wurden nur drei Themen skizziert, über die die Koalition verhandelt. Ob sie hier oder in einem anderen Bereich einen Weg finden, den Haushalt am 14. November zu verabschieden und die Wirtschaft wieder anzukurbeln, wird sich in den kommenden Stunden zeigen.

Auch interessant

Kommentare