Warum war die Einladung der AfD durch den Unternehmerverband für so viel Aufsehen? Weil es wirkt, als hätte jemand versucht, heimlich Politik zu machen – und dann erwischt wurde.
Der Verband der Familienunternehmer lud Vertreter der AfD zu einem parlamentarischen Abend ein. Nach außen mit der Begründung: Man wolle ihnen erklären, dass ihre Positionen wirtschaftsfeindlich seien. Klingt hochpädagogisch – fast schulmeisterlich.
Der Verband wollte vermitteln – aber sendete das Gegenteil
Doch der Effekt war ein anderer: Viele Mitglieder verstanden die Einladung als politische Annäherung. Gerade große Firmen reagieren bei solchen Signalen empfindlich, weil gesellschaftliche Haltung längst Teil ihrer Markenidentität ist. Darum folgten Austritte.
Der Verband wollte vermitteln – aber sendete das Gegenteil. Und in der heutigen Kommunikationsrealität zählt nicht die Absicht, sondern das Bild: Wer einlädt, wertet auf. Punkt.
War die Entscheidung strategisch durchdacht – oder einfach schlecht kommuniziert? Wenn es eine Strategie gab, wurde sie unterwegs liegen gelassen. Die Kommunikation des Verbandes wirkte wie ein Dreisprung ohne Absprungbrett: Erst Einladung, dann Gegenwind, dann Rückzieher. Diese Volte ist das Gegenteil von souveräner Interessenvertretung.
Das Vertrauen war schneller weg als die Einladung formuliert
Ein Verband, der Unternehmen repräsentiert, lebt von Klarheit, Haltung und Berechenbarkeit. Doch hier wirkte alles fahrig, irritiert und nachträglich repariert.
Dass namhafte Firmen wie Rossmann oder Vorwerk sofort reagierten, zeigt: Das Vertrauen war schneller weg als die Einladung formuliert.
Extreme Parteien werden durch Kooperation nicht moderater
Führungskommunikation heißt nicht: ausprobieren, scheitern, entschuldigen. Sondern: vorab denken, Konsequenzen kalkulieren und klare Linien setzen. Hier war die Reihenfolge genau andersherum.
Hilft Dialog mit extremen Parteien – oder macht man sie damit stärker? Die Idee, man könne extreme Parteien „entzaubern“, indem man sie in Diskussionen einbindet, klingt vernünftig. Die Forschung sagt jedoch: Funktioniert nicht.
Öffentlichkeit versteht Nähe als Anerkennung – nicht als Belehrung.
Die Humboldt-Universität untersuchte dies im Projekt CounterRight. Ergebnis: Rechtsextreme Parteien werden durch Kooperation oder Regierungsbeteiligung nicht moderater. Im Gegenteil – sie gewinnen Sichtbarkeit, Legitimität und Einflussräume. Nähe schwächt sie nicht, sie stärkt sie.
Wer mit ihnen an einem Tisch sitzt, hilft ihnen dabei, normal zu wirken. Kein Widerspruch, kein erhobener Zeigefinger ändert daran etwas. Öffentlichkeit versteht Nähe als Anerkennung – nicht als Belehrung.
Ist ein Dialog überhaupt sinnvoll, wenn Überzeugbarkeit keine Option ist? Nein. Dialog braucht eine Grundvoraussetzung: Beide Seiten könnten theoretisch ihre Position verändern. Bei der AfD – gerade in wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Fragen – ist das kaum realistisch.
Wenn eine Seite ideologisch statt argumentativ verankert ist, dann wird aus Dialog ein Bühne. Und Bühne ist genau das, was diese Partei sucht.
Der Verband wollte „aufklären“. Die AfD hätte dagegen nur profitieren können: mediale Bilder, Gesprächsgleichstand, institutionelle Anerkennung. Ein Austausch ohne Bewegung ist kein politischer Dialog – sondern gratis PR für die härtere Seite.
Welche Lehren bleiben für Mitglieder, das Image und den Einfluss des Verbandes?
Zuerst: Vertrauensverlust. Verbände leben davon, dass ihre Mitglieder sicher sein können: Diese Institution vertritt meine Werte und meine Interessen. Diese Sicherheit ist erschüttert.
Zweitens: wirtschaftlicher Schaden. Wenn große Unternehmen austreten, verliert ein Verband Gewicht – politisch, finanziell und reputationsbezogen.
Drittens: Positionierungschaos. Wer heute einlädt, morgen zurückzieht und übermorgen erklärt, es sei alles ganz anders gemeint gewesen, signalisiert: Wir wissen selbst nicht, wofür wir stehen. Und wer nicht weiß, wofür er steht, wird irgendwann bedeutungslos.
Fazit: Wer demokratische Verantwortung trägt, darf nicht spielen wie jemand, der versehentlich an einem falschen Tisch sitzt. Haltung zeigen ist manchmal unbequem – aber Schweben zwischen Nähe und Distanz ist das sicherste Rezept für einen Vertrauens-Totalschaden.
Christoph Maria Michalski, bekannt als „Der Konfliktnavigator“, ist ein angesehener Streit- und Führungsexperte. Mit klarem Blick auf Lösungen, ordnet er gesellschaftliche, politische und persönliche Konflikte verständlich ein. Er ist Teil unseres EXPERTS Circle. Die Inhalte stellen seine persönliche Auffassung auf Basis seiner individuellen Expertise dar.