Rentenpaket II umstritten: Wer die „Verlierer der Rentenreform“ sind
Die Bundesregierung will die Rente retten. Zugleich wächst die Sorge, dass die Pläne auf Kosten der jungen Generation gehen wird.
Berlin – Das Rentensystem in Deutschland wackelt: Die Bevölkerung altert schneller, während die Anzahl der Beitragszahlenden sinkt. Die Bundesregierung hat daher eine Rentenreform auf den Weg gebracht. Am Freitag (27. September 2024) wurde im Bundestag erstmals das Rentenpaket II beraten. Doch es wächst die Sorge, dass die Rentenpläne vor allem einer Gruppe zur Last fällt.
Entwurf zum Rentenpaket II – was die wesentlichen Punkte sind
Der Gesetzentwurf zum sogenannten Rentenpaket II enthält unter anderem ein längeres Festschreiben des Rentenniveaus von 48 Prozent. Diese sogenannte Haltelinie gilt aktuell nur noch bis nächstes Jahr. Laut Gesetzentwurf soll sie bis einschließlich zur Rentenanpassung im Juli 2039 gelten – damit würde sie sich auf die Rentenauszahlungen bis Juni 2040 auswirken.
Bis zu diesem Zeitpunkt würde das Niveau sonst laut Regierung auf 44,9 Prozent sinken. Das Rentenniveau drückt aus, bei wie viel Prozent des Durchschnittseinkommens die Standardrente liegt. Diese wiederum wird nach 45 Beitragsjahren mit Durchschnittsgehalt gezahlt. Die individuelle Rentenzahlung kann davon deutlich abweichen.
Pläne für Rente: Ampel plant sogenanntes Generationenkapital
Zudem will die Regierung ein sogenanntes Generationenkapital errichten. Vorgesehen ist, dass der Bund dafür noch 2024 zwölf Milliarden Euro als Darlehen zur Verfügung stellt; in den Folgejahren steigt die Summe jeweils um drei Prozent. Eine noch zu gründende Stiftung soll das Geld verwalten und gewinnbringend am Kapitalmarkt investieren.
Ab 2036 sollen so Ausschüttungen von durchschnittlich zehn Milliarden Euro jährlich an die Rentenversicherung ermöglicht werden. Dies soll „einen Beitrag zur Stabilisierung der Beitragssatzentwicklung“ erbringen. Ohne Generationenkapital würde der Beitragssatz laut Regierung im Jahr 2045 bei 22,7 Prozent liegen.
„Verlierer der Rentenreform“ – Rentenpaket II ist vor allem wegen steigender Beitragssätze umstritten
Das Rentenpaket II ist allerdings umstritten, insbesondere wegen der steigenden Beitragssätze. So warnen Vertreter der FDP vor einer übermäßigen Belastung der jungen Generation und wollen nachverhandeln. „Das Rentenpaket II in seiner derzeitigen Form wäre ein Bärendienst für die junge Generation. Es darf so nicht durch den Bundestag gehen“, sagte der sächsische FDP-Bundestagsabgeordnete, Philipp Hartewig.
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Auch eine Analyse des Ifo-Instituts in Dresden fällt kritisch aus: „Im Ergebnis zählen alle Kohorten, die jünger als 26 Jahre sind, zu den Verlierern der Rentenreform“, heißt es in einem Aufsatz von Ende August. Außerdem helfe das Rentenpaket II nicht, die „Nachhaltigkeit der Rentenfinanzierung“ zu erhöhen.
Zur Aufklärung: Der Rentenbeitragssatz liegt seit 2018 bei 18,6 Prozent des Bruttolohns. Die Verlängerung der Haltelinie „führt unter Berücksichtigung aller Maßnahmen ab dem Jahr 2028 zu einer stärkeren, aber vertretbaren Erhöhung des Beitragssatzes als nach geltendem Rechtstand“, heißt es im Gesetzentwurf. Demnach wird der Beitrag 2028 bei 20,0 Prozent liegen, 2030 bei 20,6 Prozent und ab 2035 bei 22,3 Prozent. Ohne die geplanten Änderungen geht die Regierung von 21,3 Prozent bis ins Jahr 2045 aus.
Bundesregierung will Rente retten – wie wirksam ist das geplante Generationenkapital?
Auch am Generationenkapital gibt es Kritik. Die Deutsche Rentenversicherung weist darauf hin, dass „ein nennenswerter Kapitalaufbau und damit auch eine spürbare Entlastung ist bei diesem Zeitraum kaum zu erwarten“ sei. „Ob mit dem Generationenkapital der Beitragssatz wie geplant entlastet werden kann, hängt davon ab, ob die Erwartungen im Hinblick auf die Kapitalerträge erfüllt werden.“
Das Generationenkapital werde zudem nicht ausreichen, um das Rentensystem zu finanzieren. Denn Ausschüttungen aus dem Generationenkapital an die Rentenversicherung sollen erst Mitte der 2030er Jahre erfolgen. „Die Kosten des Rentensystems werden aber schon in den nächsten Jahren steigen, sogar etwas stärker, wenn das Rentenniveau auf 48 Prozent festgeschrieben werden sollte“, sagte Johannes Geyer vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin) gegenüber dem WDR.
Das DIW Berlin fordert, Selbstständige in die Rentenversicherung einzubeziehen. Daneben sollten weniger Menschen verbeamtet werden – Beamte zahlen während ihrer Dienstzeit keine Sozialversicherungsbeiträge. Ebenfalls hält das DIW Berlin ein Ausbau der Umverteilung im Rentensystem für sinnvoll. Denkbar wäre, dass Rentenzahlungen für Personen mit hohen Rentenansprüchen geringer ausfallen würden, um Renten für Menschen mit geringeren Ansprüchen zu stabilisieren. (bohy mit Material der AFP)