„Unkonventionelle Taktik“: Wie die Ukraine Russlands Kriegsplan im Schwarzen Meer scheitern lässt

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Russische Kriegsschiffe liegen im Hafen von Sewastopol. (Archivbild) © Ulf Mauder/dpa

Die militärische Lage der Ukraine ist angespannt. Ihre Entschlossenheit jedoch ist ungebrochen – und die Taktik im Schwarzen Meer zeigt Erfolge. Das hat auch Einfluss auf die Wirtschaft.

Moskau – Im Ukraine-Krieg geraten Kiews Truppen zunehmend unter Druck. Die zögerlichen Waffenlieferungen des Westens machen sich auf dem Schlachtfeld durch Munitionsmangel bemerkbar. Erfolge gelingen der Ukraine jedoch weiterhin im Kampf in der Tiefe, etwa gegen die russische Schwarzmeerflotte. Aus Sicht mancher Militärexperten könnten die ukrainischen Seeoperationen im Schwarzen Meer sogar der „erfolgreichste Aspekt der Gegenoffensive“ sein.

Russland verlor im Ukraine-Krieg 20 Prozent seiner Schwarzmeerflotte in vier Monaten

Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine vor über zwei Jahren teilte der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj mit, die am Schwarzen Meer gelegene Halbinsel zurückerobern zu wollen. Russland hatte die Krim im Jahr 2014 völkerrechtswidrig annektiert. Auch ohne konventionelle Marine gelangen der Ukraine immer wieder entscheidende Schläge gegen die russische Schwarzmeerflotte. Kurz nach Kriegsbeginn versenkten Kiews Truppen etwa das russische Kriegsschiff „Moskwa“, zuletzt die „Caesar Kunikow“.

Im Laufe des Krieges verlor Moskau laut der Datenbank Oryx insgesamt 20 Marineschiffe und U-Boote (Stand: 26. Februar 2024). Dies entspräche Verlusten in Höhe von 20 Prozent der Schwarzmeerflotte innerhalb von vier Monaten, sagte der britische Verteidigungsminister Grant Shapps im vergangenen Dezember.

Ukrainische Seeoperationen im Schwarzmeer „erfolgreichster Aspekt der Gegenoffensive“

Kiew selbst gab im Februar dieses Jahres an, die russischen See-Operationen „erheblich erschwert, wenn nicht sogar lahmgelegt“ zu haben. Entscheidend dabei: ukrainische Seedrohnen. Die Operationen mit den unbemannten Wasserfahrzeugen würden „immer stärker zu einem wichtigen Bestandteil moderner Seekriegsführung“ und könnten „gegen die Schwachstellen der russischen Seeversorgungswege eingesetzt werden“, hieß es dazu in einem Geheimdienstbericht des britischen Verteidigungsministeriums im vergangenen August.

Laut einer aktuellen Einschätzung der Briten vom vergangenen Sonntag (25. Februar) hat die Ukraine „die russische Bedrohungswahrnehmung durch kombinierte Angriffe an Land und auf See auf ein neues Niveau gehoben und die Einheiten der Schwarzmeerflotte gezwungen, ihre Hauptoperationsgebiete ins östliche Schwarze Meer zu verlagern.“ Der pensionierte Nato-General Ben Hodges zog im Gespräch mit Newsweek das Resümee: „Ich denke, die Bemühungen, die [Schwarzmeerflotte] von der Krim und vom westlichen Schwarzen Meer zu vertreiben, waren der erfolgreichste Aspekt der Gegenoffensive.“ Im September vergangenen Jahres eroberten ukrainische Spezialtruppen auch eine wichtige Öl- und Gasplattform im Schwarzen Meer zurück.

Ukraine mit „unkonventioneller“ Herangehensweise im Schwarzen Meer

Immer wieder stellte die ukrainische Armee im Laufe des Krieges ihren Erfindungsreichtum unter Beweis – ob mit Bomben aus dem 3D-Drucker oder speziellen Tricks, um Minen aufzuspüren. Obwohl die Ukraine über keine klassische Marine verfügt, gelingen ihr mit unkonventionellen Mitteln erfolgreiche Schläge, bescheinigt das britische Verteidigungsministerium in seinem Bericht am Sonntag. Im Schwarzen Meer habe die Ukraine einen anhaltenden Erfolg, der die russische Schwarzmeerflotte in eine Rückwärtsbewegung dränge, so der Geheimdienstbericht.

Russland sei zwar weiterhin in der Lage, die Ukraine mit Schiffen im relativ sicheren östlichen Schwarzen Meer anzugreifen. Moskau wolle mit einer „defensiven Haltung [...] die unkonventionelle Herangehensweise der Ukraine an den Seekrieg“ abschwächen. Doch das funktioniere „nicht wie beabsichtigt“. Auch Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg sprach Mitte Februar von einem „großen Erfolg“ für die ukrainischen Streitkräfte im Schwarzen Meer. Die Ukraine habe der russischen Marine dort „schwere Verluste“ zugefügt, so Stoltenberg.

Taktik der Ukraine im Schwarzen Meer sichert auch wichtige Getreideexporte

Auch und gerade in Kriegszeiten muss die Ukraine als Volkswirtschaft weiter funktionieren, das Land ist einer der größten Getreideexporteure der Welt. Unter der Vermittlung der Türkei hatte es von Juli 2022 bis Juli 2023 ein Abkommen mit Moskau gegeben, welches die Ausfuhr von Getreide über das Schwarze Meer ermöglichte. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte die Vereinbarung jedoch nicht verlängert, in der Folge war eine weltweite Nahrungsmittelkrise befürchtet worden. Seit dem Austritt Moskaus griff das russische Militär auch verstärkt ukrainische Hafeninfrastruktur und Getreidelager an.

Doch der Ukraine gelang es, einen militärischen Sicherheitskorridor einzurichten. Laut ukrainischen Angaben seien innerhalb von sechs Monaten 20 Tonnen Fracht über das Schwarze Meer exportiert worden, davon 70 Prozent Agrarprodukte. Im Januar habe man das monatliche Vorkriegsniveau bei den Gesamtexportmengen auf dem Seeweg erreicht, hieß es. Das bestätigte auch das britische Verteidigungsministerium in seinem aktuellen Bericht. Das Handelsvolumen entspräche wieder Vorkriegsniveau, so die Analyse. Weiter hieß es: „Auf strategischer Ebene hat der Ansatz der Ukraine Russland die Möglichkeit genommen, sich in seine Seerouten einzumischen.“

Im Dezember hatte Großbritannien mitgeteilt, der Ukraine zwei Minenräumschiffe zur Verfügung stellen zu wollen. Denn die Gefahr durch Seeminen war zuletzt erheblich gestiegen.

Indes bleibt die Lage an der Front schwierig. „Das operative Umfeld ist äußerst komplex und belastend“, erklärte der neue ukrainische Armeechef Oleksandr Syrskyj unlängst nach einem gemeinsamen Truppenbesuch mit Verteidigungsminister Rustem Umerow. „Die russischen Besatzer verstärken weiterhin ihre Bemühungen und haben einen zahlenmäßigen Vorsprung an Personal“, fügte er hinzu. Die Ukraine beklagte zuletzt einen Mangel an Artilleriemunition, Flugabwehr und weitreichenden Waffen. 

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