Ukraine fehlt die Munition: Russland geht an der Front in die Offensive

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Ukrainische Soldaten bereiten sich auf den Abschuss einer 2S1-Artillerieeinheit auf russische Stellungen in der Region Charkiw vor (November 2023). © IMAGO/Madeleine Kelly/Zuma Wire

Weitere US-Militärhilfen an die Ukraine sind in der Schwebe. Indes macht sich der akute Munitionsmangel Kiews auf dem Schlachtfeld bemerkbar. Russland gelingen Vorstöße.

Kiew – Die Ukraine warnt seit Beginn des Jahres immer dringlicher vor akutem Munitionsmangel. Nun scheint sich das Fehlen von Geschossen und Raketen konkret in Stellungen auf dem Schlachtfeld niederzuschlagen. Russland gelingen im Ukraine-Krieg an verschiedenen Frontabschnitten Vorstöße, während sich Kiews Truppen teilweise zurückziehen müssen.

„Mangel an Munition“ im Ukraine-Krieg sorgt für russische Gebietsgewinne

Der ukrainische General Najew sprach Anfang Januar vom akuten Munitionsmangel der ukrainischen Luftabwehr. Die Munition für die mobilen Flugabwehrsysteme der Ukraine reiche zwar aus, „um den nächsten heftigen Angriffen standzuhalten“, sagte Najew der Nachrichtenagentur AFP bei einem Truppenbesuch nahe Kiew.

Mittel- und langfristig brauche sein Land aber „natürlich die Hilfe der westlichen Länder“, um die Raketenbestände wieder aufzufüllen. „Der Mangel an Munition ist ein sehr reales und dringliches Problem, mit dem unsere Truppen derzeit konfrontiert sind“, erklärte auch Verteidigungsminister Rustem Umerow vergangene Woche. Der Krieg in der Ukraine sei zu einer „Schlacht um Munition“ geworden, gab Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg zu Bedenken. Die fehlende Munition wirkt sich nun offenbar auf dem Schlachtfeld aus.

„Taktische Fortschritte“ für Russland im Ukraine-Krieg: Putins Armee mit Geländegewinnen an der Front

So will Russland etwa die Ortschaft Wesele in der Region Donezk „befreit“ haben, wie das Verteidigungsministerium in Moskau vergangene Woche erklärte. Das Dorf liegt etwa 20 Kilometer entfernt von der Industriestadt Bachmut, welche die russischen Truppen im Mai nach monatelangen und besonders heftigen Kämpfen eingenommen hatten. Trotz zahlreicher strategischer Probleme im russischen Militär gelang es Moskaus Truppen unlängst auch „geringfügige taktische Fortschritte zu erzielen, insbesondere bei Kupjansk im Gebiet Charkiw und bei Awdijiwka im Gebiet Donezk“, wie die Kriegsexperten der US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) am Dienstag berichteten.

Zudem zeigen geolokalisierte Aufnahmen, dass die russischen Streitkräfte nordöstlich von Nowomichailiwka im Südwesten von Donezk vorgerückt sind. Auch in Richtung Swatowe-Kreminna gelang den Russen laut Kriegsexperten des ISW ein geringfügiger Vorstoß nach Westen. Indes mussten sich die ukrainischen Truppen aus dem Dorf Krochmalne im Südosten von Kupjansk zurückziehen, wie ein Sprecher der Bodentruppen am Dienstag im ukrainischen Fernsehen sagte.

Mangelnde Munition macht sich auch in Luftabwehr bemerkbar: Schwere Luftangriffe auf Kiew und Charkiw

Die russische Armee griff die Ukraine in der Nacht auf Dienstag mit 41 Raketen an, wie die Militärführung in Kiew am Dienstag mitteilte. Davon seien 21 abgefangen worden, hieß es. Mindestens acht Menschen kamen bei den Luftangriffen ums Leben, fast 80 weitere wurden verletzt. Russland habe eine neue Kombination aus Waffen eingesetzt, die „wahrscheinlich die ukrainische Luftabwehr durchdringen soll“, analysierten die ISW-Experten. Erstmals seit langem seien dabei keine Shahed-Drohnen zum Einsatz gekommen, aber womöglich Täuschkörper, um die „Wirksamkeit zu testen“, so die Analyse weiter.

Die ukrainischen Streitkräfte hätten eigenen Angaben zufolge alle Raketen vom Typ Kh-101/555/55, fünf Raketen vom Typ Iskander und zwei Raketen vom Typ Kh-59 abgeschossen. „Natürlich will man mehr, man will 100 Prozent des Ergebnisses“, räumte der Sprecher der ukrainischen Luftwaffe, Yuriy Ignat, in einem Beitrag in der ukrainischen Zeitung New Voice am Dienstag ein. Wo es möglich war, russische Angriffe abzuwehren, habe die Luftabwehr der Ukraine dies getan, betonte der Sprecher weiter. Gleichzeitig hob Ignat hervor, wie wichtig es sei, die bei einer solchen Abwehr verwendeten Granaten für Geparden, Flugabwehrraketen des Typ Iris-T oder Patriots wieder aufzufüllen.

Fehlende US-Waffenlieferungen im Ukraine-Krieg: Munitionsmangel ist mittel- und langfristiges Problem

Seit Beginn des Kriegs waren die USA der wichtigste Unterstützer der Ukraine. Ende des Jahres ging das bislang letzte US-Hilfspaket im Gesamtumfang von 250 Millionen US-Dollar (etwa 230 Millionen Euro) an Kiew. Weitere 60 Milliarden US-Dollar (etwa 55 Millionen Euro) hat US-Präsident Joe Biden angefragt, doch die Republikaner blockieren die Freigabe der Mittel derzeit im US-Kongress.

Im Streit um den Bundeshaushalt stimmte der Kongress vergangene Woche zwar für eine Übergangslösung, diese nimmt die von der Regierung beantragten Hilfen für Kiew allerdings aus. Ohne die US-Unterstützung könnte Putin den Krieg gegen die Ukraine gewinnen, so die Befürchtung in Kiew und Washington.

Militäreinheiten der Ukraine verfügen „nicht über die nötigen Vorräte an Munition“ im Kampf gegen Russland

Einige Militäreinheiten der Ukraine würden „nicht über die [...] Vorräte an Munition verfügen, die sie benötigen“, mahnte auch die stellvertretende US-Verteidigungsministerin Celeste Wallander am Dienstag, wie Newsweek berichtete. Die Ukraine selbst tut was sie kann: Das Ministerkabinett in Kiew hatte jüngst rund 657 Millionen Griwna (etwa 16 Millionen Euro) für die Stärkung der Verteidigungskapazitäten der Ukraine bereitgestellt, unter anderem für den Erwerb von Munition, Drohnen und die Wartung von Waffen. Im Vergleich zu den bisherigen Hilfspaketen der USA ein Tropfen auf den heißen Stein.

Immerhin: Großbritannien hat der Ukraine für dieses Jahr bereits Militärhilfen über 2,5 Milliarden Pfund (2,9 Milliarden Euro) zugesagt. Die Nato schloss am Dienstag Verträge über 200.000 Artilleriegranaten im Wert von 1,1 Milliarden Euro ab – Teile davon könnten auch an Kiew gehen.

Unterstützung aus Deutschland: Diese Militärhilfen sollen 2024 an die Ukraine gehen

Deutschland will die Ukraine ebenfalls weiterhin militärisch unterstützten. Es seien weitere Lieferungen geplant, unter anderem weitere Iris-T-Flugabwehrsysteme und Gepard-Panzer, Artillerie und Artilleriemunition, über 80 Kampfpanzer vom Leopard 1 A5 sowie zusätzliche Schützenpanzer, Pionierpanzer und Brückenlegepanzer. Darüber hinaus sollen 450 geschützte Fahrzeuge, Systeme zur Minenräumung sowie Drohnen, Radar-Einheiten und Aufklärungssysteme an die Ukraine gehen, wie Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius am Dienstag mitteilte.

Des Weiteren sollen sechs Mehrzweckhubschrauber vom Typ Sea King Mk41 im zweiten Quartal des Jahres an Kiew gehen. Insgesamt stellte die Bundesrepublik seit Beginn des Ukraine-Krieges Militärhilfen im Umfang von sechs Milliarden Euro zur Verfügung.

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