Dreiviertelblut im Circus Krone: Heimspiel der Teufelskerle
Die beste bayerische Band, Dreiviertelblut, stellte am Dienstagabend ihr neues Album „Prost Ewigkeit“ im Münchner Circus Krone vor. Die Fans feierten sie frenetisch.
München – Sebastian Horn und der Monat Mai, sie werden nicht mehr die dicksten Freunde. Schon beim Evergreen „Im Mai“ fürchtet der Sänger von Dreiviertelblut ja die Vergänglichkeit, die sich durch die schneienden Apfelblüten ankündigt. Nach zehn Minuten des triumphalen Konzerts im Circus Krone präzisiert er: „Im Mai ist die Selbstmordrate am höchsten.“ Kein Wunder, schließlich werde man von Lebenskrisen im November nicht so kalt überrascht wie im lauen Lenz. Tröstlich, immerhin: „Alles schreit jetzt nach Vermehrung. Jeder will nur bestäubt werden, er will einfach weiterleben!“ Und dann singt Horn mit seinem gaumigen Gottvaterbass die Moritat „Wos übrig bleibt“ vom Gleichmacher Tod: Wenn man den Leuten die Haut abzieht, sind alle rot.

So kennt man den Barden des Bavarian Gothic, und so schön schaurig wie Kapellmeister Gerd Baumann schreibt keiner solch düstere Stücke. Aber Dreiviertelblut können längst auch anders, und das zeigen sie deutlich wie nie auf ihrer neuen LP „Prost Ewigkeit“, die sie an diesem Dienstagabend ihren Fans im fast ausverkauften Zirkus-Rund live vorstellen. „Nichts außer Licht“ tänzelt durch die Disco und feiert das Leben, „Palmkatzerl“ walzt neckisch, die Liebe erwacht und die Bläser könnten von Haindling sein.
Das Septett sprengt mit seiner Musik längst alle Genre-Grenzen
So breit ist die Palette dieser Teufelskerle, dass mittlerweile alles geht. Hip-Hop, Tarantella, Ska, Jazz, Zwiefacher, harter Rock. Man taucht in diese Musik, auch in die Klang-Experimente zwischendurch, ein wie in einen Film. Gerd Baumann sagte im Interview mit unserer Zeitung, dass er für das Septett grenzenlos arrangieren kann. Weil sie eben auch Virtuosen sind: Dominik Glöbl könnte mit Trompete und Flügelhorn als Alleinunterhalter auftreten, Florian Riedl hastet auf Klarinette und Bassklarinette durch die Skalen, und Luke Cyrus Goetze lässt die Lap-Steel-Gitarre im Country-Heuler „Woana“ wonnig weinen.

Horn kündigt das Lied mit einer rührenden Geschichte an: Der fünffache Vater erzählt von seinen Zwillingen Gustav und Mathilda und wie der Bub einmal mit Mittelohrentzündung im Bett lag. Seine Schwester tröstete ihn: „Gustav, wenn du stirbst, wirst du wieder ganz gesund.“ Horn ruft ins Gelächter: „Dieser Satz hat mein Leben verändert – Mathilda, ich liebe dich!“

Wir erkennen: Dreiviertelblut sind vor allem Komödianten, die in einem Zirkus hervorragend aufgehoben sind. Baumann hangelt sich durch fast schon valentineske Ansagen über grüne Ziegen und „Kümmelbiber“ und zieht den Freund und Sänger wegen dessen Pulli auf. „Die Katze macht mich nervös.“ Tatsächlich prangt auf Horns Top eine Mieze mit Flammenschwert. Durch fast alle Lieder zieht sich das Leitmotiv: Der Tod ist nur für die Hinterbliebenen eine Katastrophe, für die Verstorbenen gibt’s zum Frühstück Raum und Zeit – so singt Horn im künftigen Klassiker „Frei“. Getreu seiner Muse: Wer stirbt, wird wieder ganz gesund.

Die Fans und Freunde feiern, spenden frenetisch Ovationen – es ist ein Heimspiel für die Teufelskerle, die am Ende natürlich die Publikumslieblinge „Deifedanz“ und das Lied von den schneienden Apfelbäumen bringen, bevor sie die Leute im Handyscheinwerfer-Meer zu „Paradies“ nach Hause schicken. Beseelt und beeindruckt geht’s dann durch die laue Nachtluft. Mai, wo sind nun deine Schrecken?