„Minister wird in Taschen der Beitragszahler greifen“: Jetzt müssen Sie die Pflegeversicherung retten

  1. Startseite
  2. Politik

Kommentare

Politiker und Verbände betonen, die Pflegeversicherung sei „nicht pleite“. Doch gerettet wird sie wohl nur durch höhere Beiträge. Das deutet eine Ampel-Partei bereits an.

Die deutsche Pflegeversicherung erwartete für dieses und das kommende Jahr ohnehin rote Zahlen. Doch offenbar ist die finanzielle Situation schlechter als angenommen. Schon im Februar droht scheinbar die Zahlungsunfähigkeit, wenn die Bundesregierung nicht eingreift.

Das berichtet das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) unter Verweis auf Regierungskreise. Die finanziellen Reserven seien aufgebraucht. Die Regierung arbeite daher an einer „Notoperation“. Durch die Pflegeversicherung erhalten die Beitragszahler Geld, wenn sie pflegebedürftig werden. Finanzielle Unterstützung gibt es zum Beispiel für Pflegeheime oder andere Pflegedienste. Was ist dran am drohenden Pflege-Kollaps?

Die gute Nachricht: Die Pflegeversicherung kann quasi nicht pleitegehen. Die schlechte Nachricht: Vieles deutet darauf hin, dass die Beitragszahler selbst für die Rettung aufkommen. So heißt es unter anderem von den Grünen. Vor allem Rentner wären von Einsparungen betroffen. Sie müssen ohnehin mehr für Krankenkasse und Pflegeversicherung zahlen.

Pflegeversicherung: „Minister wird flink in die Taschen der Beitragszahler greifen“

Der Arbeitgeberverband Pflege ist dementsprechend alarmiert: Die pflegerische Versorgungssicherheit „geht langsam zu Grunde“, sagt Präsident Thomas Greiner gegenüber IPPEN.MEDIA. Er betont aber auch: „Die Pflegeversicherung geht nicht wirklich pleite. Das wird nicht passieren, weil der Gesundheitsminister flink in die Taschen der Beitragszahler greifen wird, um mit deren Geld seine Löcher zu stopfen.“ Heißt im Klartext: Die Beiträge werden teurer und die Beitragszahler kommen für die „Rettung“ der Pflegeversicherung auf.

Um den Pflegebedürftigen zu helfen, „braucht es jetzt Pflegepolitiker, deren Horizont weiter reicht als von der Tagesschau bis zur Wetterkarte“, so Greiner. „Sie müssen verstehen, dass Geld nicht pflegt.“ Vielmehr brauche es eine bessere Infrastruktur oder einen einklagbaren Anspruch auf einen Pflegeplatz.

Grüne erwarten Beitragserhöhungen: „Pflege wird immer teurer“

Dass es zu Beitragserhöhungen kommen wird, erwarten auch die Grünen. „Wir müssen uns der Realität stellen, dass Pflege immer teurer wird“, sagt die zuständige Pflegepolitikerin Martina Klein-Schmeink dieser Redaktion. „Das liegt an der steigenden Zahl der Pflegebedürftigen und der Tatsache, dass endlich Tariflöhne in der Pflege gezahlt werden. Um das System dennoch tragfähig zu gestalten, werden Beitragserhöhungen unausweichlich sein.“

Die FDP ist anderer Meinung. Die Pflegeversicherung könne auch gerettet werden, ohne die Beiträge zu erhöhen, sagt uns der pflegepolitische Sprecher der FDP, Jens Teutrine. „Stattdessen braucht es mehr Kapitaldeckung in den sozialen Sicherungssystemen, eine Gleichstellung von Betriebsrenten und betrieblicher Pflegevorsorge und einen Boost der privaten Vorsorge.“

Passiert das nicht, werde sich die Lage „perspektivisch weiter verschärfen.“ Denn: „Mit dem demografischen Wandel sinkt die Zahl der Beitragszahler, während der Pflegebedarf steigt – eine Schere, die sich ohne Reformen nicht schließen lässt.“

 Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Jens Teutrine (FDP).
In Ihrer Partei für Pflegepolitik zuständig: Maria Klein-Schmeink (Grüne) und Jens Teutrine (FDP). © Imago/Future Image/photothek (Montage)

Lauterbach über Pflegeversicherung: „Schwäche bei den Einnahmen und hohe Ausgaben“

Eine solche Reform sei bereits in Arbeit, heißt es aus dem Gesundheitsministerium. Ein Sprecher wollte den Bericht des RND auf Anfrage in der Form auch nicht bestätigen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach erklärte am Montagnachmittag: „Die Pflegeversicherung ist nicht insolvent, ihr droht auch nicht die Insolvenz.“

Lauterbach räumte aber ein, dass die Pflegeversicherung derzeit finanziell erheblich unter Druck steht. „Wir haben eine Schwäche bei den Einnahmen und hohe Ausgaben“, sagte er. Das liege an einem starken Anstieg der Zahl der Pflegebedürftigen und der schwachen konjunkturellen Lage. Der Minister kündigte an, „in Kürze“ eine größere Pflegereform auf den Weg bringen zu wollen. „Wir sind da in der Feinabstimmung“, sagte er. Zu konkreten Beitragserhöhungen äußerte sich der SPD-Politiker nicht.

Gesundheitsminister Karl Lauterbach im August beim Besuch einer Tagespflegeeinrichtung in Köln.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach im August beim Besuch einer Tagespflegeeinrichtung in Köln. Der SPD-Politiker arbeitet nach eigenen Aussagen aktuell an einer neuen Pflegereform. © IMAGO/Malte Ossowski / SVEN SIMON

Insolvenz der Pflegeversicherung? „Bankrotterklärung dieser Bundesregierung“

Ob dieses Konzept die Lage in der Pflege nachhaltig verbessert, ist noch fraglich. Kritik kommt aus der Union: „Die jetzt drohende Insolvenz der Pflegeversicherung ist eine Bankrotterklärung für die Gesundheits- und Sozialpolitik dieser Bundesregierung“, sagt der Münchner CSU-Gesundheitspolitiker Stefan Pilsinger zu unserer Redaktion. „Das hieße ja, dass Pflegeheime, Pflegedienste und Pflegebedürftige sowie deren Angehörige ab Februar kein Geld mehr bekommen“. Die Pflegereform scheitere an politischem Willen. „Will die Ampel kranke, alte und schwache Menschen wirklich hilflos in ihren Betten liegen lassen?“

Nun brauche es vor allem eines: mehr Geld für die Pflegekasse. „Als erste Akutmaßnahme muss der Bund der Pflegekasse jetzt die fast sechs Milliarden Euro vollständig zurückzahlen, die die Pflegeversicherungen für Corona-Tests und für Boni für Pflegepersonal vorgestreckt hatten.“ Hintergrund: Während der Pandemie hatte die Kasse Mehrkosten, die laut einem neuen juristischen Gutachten aus Steuermitteln hätten finanziert werden müssen.

Anschließend brauche es „Leitplanken für eine echte, nachhaltige Pflegereform“. Doch: „Ich fürchte nur, dass das in dieser Wahlperiode nichts wird und wir als Union diese Suppe in der nächsten Bundesregierung auslöffeln dürfen.“

Auch interessant

Kommentare