Kommentar - Wegen fünf Problemen wirken die Grünen wie eine Partei abgehobener Besserverdiener
Robert Habeck führt die Grünen als Kanzlerkandidat in die Bundestagswahl. Und die Grünen haben ein neues Führungsduo: Franziska Brantner und Felix Banaszak. Das wird von dieser Bundesdelegiertenkonferenz in Wiesbaden bleiben. Aber nicht viel mehr. Den Grünen gelang es auf diesem Parteitag nicht zu definieren, wofür sie stehen.
Eine vertane Chance. Der Zufall wollte es, dass die Grünen zehn Tage nach dem Aus der Ampelkoalition mit dem seit langem geplanten Treffen in Wiesbaden als erste Partei in den Wahlkampf starten konnten. Diese Chance haben sie nicht genutzt.
Der Dauerstreit um die Migrationspolitik wurde mit einem Formelkompromiss zugeklebt, in dem sich von der Grünen Jugend bis zu den Realos alle wiedererkennen können. Die Partei will die Schuldenbremse reformieren, aber nicht abschaffen und ein bisschen Vermögenssteuer einführen.
Zuviel Rückblick, zu wenig Zukunftskonzepte
Wer seine Konturen so abschleift, droht auch für den Wähler kaum erkennbar zu werden. Eine klare Botschaft, wohin sie mit dem Land wollen, hatten die Grünen in Wiesbaden nicht für die Bürger. Dazu passt, dass Habeck sich als „Kandidat für die Menschen in Deutschland“ bezeichnet – und die Entscheidung, ob diese Kandidatur auf das Kanzleramt abzielt, den Wählern überlassen will.
Habeck will demütig erscheinen, strahlt damit aber keine Entschlossenheit aus. Stärken hatte seine Rede in Wiesbaden vor allem in der Beschreibung von Fehlern in der Vergangenheit – seinen eigenen wie denen der Konkurrenz.
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Er räumte dabei ein, dass das zunächst falsch aufgesetzte Heizungsgesetz wie ein „Damoklesschwert“ über seine Kandidatur hänge. Doch nach späten Korrekturen sei es nun ein „gutes Gesetz“. Scharf ging Habeck mit der verkorksten Energiepolitik der Großen Koalition ins Gericht, die zu einer Abhängigkeit von Russlands Präsident Wladimir Putin geführt hat.
Viel zu kurz kam dagegen, wie Habeck das Land aus der Wirtschaftskrise führen will. Am Freitag, zu Beginn des Parteitags, hatte er nach vor zu viel Rückblick gewarnt. In Wiesbaden solle man drei Tage diskutieren, wie man die drei nächsten Monate den Wahlkampf angehen wolle, sagte er. Das war der richtige Ansatz. Umgesetzt haben ihn Habeck und die Partei allerdings nicht.
Wegen fünf Problemen wirken die Grünen wie eine Partei abgehobener Besserverdiener
Worunter die Grünen leiden, machte in ihrer Abschiedsrede die frühere Parteivorsitzende Ricarda Lang deutlich. Der Partei fehlen klare Führungsstrukturen, Selbstvertrauen, Wehrhaftigkeit, griffige Botschaften und eine nachvollziehbare Sozialpolitik, um nicht als Partei abgehobener Besserverdiener zu wirken.
Keines dieser Probleme haben die Grünen in Wiesbaden angepackt.
Von Caspar Schwietering
Das Original zu diesem Beitrag "Eine vertane Chance: Habeck und den Grünen fehlt die Botschaft für den Wahlkampf" stammt von Tagesspiegel.