Das letzte Glied vor dem Müll
Jährlich landen in Deutschland elf Millionen Lebensmittel im Müll und werden verschwendet. Eine Umweltorganisation will dem ein Ende setzen.
Dachau – Jeden Tag fahren die Dachauerin Birgit Baumer (61) und Michaela Ban (49) aus Schwabhausen zu Supermärkten wie Edeka Schermelleh und Bäckereien wie Bäckerei Denk in der Umgebung. Nicht um einzukaufen. Die Botschafterinnen der Ortsgruppe Dachau von Foodsharing – zu deutsch: Lebensmittel teilen – holen die übrig gebliebenen Lebensmittel ab und verteilen diese dann an ihre Freunde, Bekannte oder an weitere Interessenten.
Nach dem Film „Taste the Waste“ fing alles an
Am 12.12.2012 fing alles an: Auf den Film „Taste the Waste“ hin wurde in Köln die Organisation Foodsharing gegründet. Seitdem hat sich viel getan: Was in Deutschland begann, verbreitete sich schnell, jetzt gibt es Foodsharing auch in Österreich, der Schweiz und vereinzelt in Europa. In der Ortsgruppe Dachau beteiligen sich allein 200 qualifizierte freiwillige Helfer. Alles ist ehrenamtlich: „Jeder macht es auf seine eigenen Kosten, alles abzuholen und weiterzugeben“, so Birgit Baumer.
Das „Lebensmittelretten“ selbst läuft meist so ab: Supermärkte oder Betriebe haben am Ende der Woche noch genießbare Lebensmittel übrig, die sie eigentlich wegschmeißen müssten. Dann können sie über E-Mail die Helfer bei Foodsharing kontaktieren, einen Abholtermin vereinbaren. Auch ein Notfallteam ist bereit, wenn es mal schnell gehen muss. Foodsharing selbst kommt nach der Tafel und karitativen Einrichtungen und ist somit: „das letzte Glied vor dem Müll“.
Bestimmte Abholzeiten gibt es nicht
Die Betriebe selbst müssen bei der Abholung nicht viel machen, die sogenannten „Foodsharer“ verpacken und laden die Lebensmittel eigenständig auf. Bestimmte Abholzeiten gibt es nicht: „Wir holen ab, wann es den Betrieben am besten passt.“ Nach dem Abholen wird die Ware kostenlos verteilt – neben Bekannten und Freunden profitieren auch Senioren, Bedürftige oder das Bürgertreffcafé. Michaela Ban selbst hat außerdem ein Regal vor ihrer Haustüre in Schwabhausen stehen, an dem sich jeder selbst bedienen kann: „Die ganze Ortschaft kommt vorbei und jeder kann sich nehmen, was er möchte.“ Auch am Dachauer Volksfest haben sie Lebensmittel „gerettet“ (wir berichteten).
„Foodsharing richtet sich an alle, die Lebensmittel vor dem Müll retten wollen und die nicht wollen, dass noch genießbare Lebensmittel verschwendet werden“, so Ban. Ein gutes Konzept, denn Foodsharing ist für jeden gedacht, „auch für Millionäre“. Das Ziel von Foodsharing: „sich selbst abzuschaffen“, denn wenn keine Lebensmittel mehr verschwendet werden, muss sie auch niemand mehr retten. Foodsharing ist auf einem guten Weg dorthin, manche Betriebe haben keine Lebensmittel mehr übrig, wenn die Leute von Foodsharing kommen, es wurde alles verwendet, sagt Birgit Baumer.
Man kann sogenannte Essenskörbe erstellen
„Auch als Einzelperson kann man Lebensmittel retten.“ Ob man in den Urlaub fährt und der Kühlschrank noch voll ist oder eine Veranstaltung hatte und die Hälfte der Gäste nicht kam, es ist einfach. Man kann nämlich sogenannte Essenskörbe erstellen: Dies sind „Pakete“ oder Körbe mit den Lebensmitteln, die man nicht mehr braucht. Das funktioniert so: einfach auf der Foodsharing-Website mit der eigenen E-Mail-Adresse anmelden und auf das Korb-Symbol klicken. Dort kann man dann entweder einen eigenen Korb erstellen oder sich selbst für einen bewerben. Wenn es größere Mengen sind, kommen die Foodsharer auch gerne selbst vorbei und holen ab.
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Wer sich selbst engagieren möchte, kann sich als „Abholer“ qualifizieren lassen. Dafür braucht man nur ein Quiz über Hygiene zu machen und wird dann „eingelernt“: Erfahrene Foodsharer begleiten die Neulinge dreimal auf sogenannten „Einführungsabholungen“, wo alles Wissenswerte erklärt wird.
Interessierte können sich unter foodsharing.de weiter informieren oder direkt jemanden unter dachau@foodsharing.network kontaktieren.
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