Schongauer Geschichte hautnah erleben: Das durften auch heuer wieder rund 250 Gäste bei den Theaterspaziergängen zu fünf historischen Plätzen in der Altstadt. Stadtgeschichte als Erfolgsgeschichte.
Schongau – Bereits das vierte Mal haben der Kulturverein „LiccAmbra“ und das Lech-Theater die unterhaltsame Stadtführung der ganz anderen Art angeboten: Und sie kam wieder super an.
3 Tage, 3 Führungen und 5 Stationen
An drei Tagen in jeweils drei Führungen nahmen die drei Stadtführerinnen Erna Martin-Pfann, Karin Ostler und Kornelia Funke die geschichtlich interessierten Gäste mit zu fünf Stationen an der Stadtmauer. Das Besondere dieses Mal war, dass es verschiedene Drehbuchautoren für die Stationen gab, die geschickt reale Personen der Vergangenheit in eine fiktive Handlung einbauten. Das machte die ganze Sache noch spannender.

Die Reise in die Schongauer Vergangenheit begann am Frauentor im Jahr 1493: Ein stolzer Künstler (Johannes Hülmeyer) gerät in Streit mit seiner schwangeren Frau (Emily Gonser), da er einen herzöglichen Auftrag versaut und sie deshalb kein Geld mehr haben. Nach ziemlich viel dramatischen Momenten zwischen den beiden Ehepartnern treten der großzügige Bruder des Herzogs (Frank Seelig) und sein Kämmerer (Christian Beer) als Retter in der Not auf den Plan – und retten die Verzweifelten mit einem Säckchen voll Münzen.
Und plötzlich ist Martin Luther da
So könnte es gewesen sein, denn die beiden Autoren Helmut Schmidbauer und Claudia Martin hatten sich in die Vita der Protagonisten eingelesen. Und auch, wie es mit ihnen weiterging, erfuhr man von den Stadtführerinnen.
Zeit- und Ortswechsel: Jetzt befanden sich die Spaziergänger in der Mitte des 18. Jahrhunderts am „Alten Einlass“ des Polizeidienerturms. Daniela Puzzovio hatte sich dazu eine sehr lustige Geschichte ausgedacht: Ein Schongauer Geschwisterpaar (Alexander Zimmermann und Birgit Gutzeit) hat die offizielle Sperrzeit verpasst und muss sich etwas einfallen lassen, um am wunderbar singenden, aber sehr strengen Torwächter (Bernhard Hindelang) vorbeizukommen. Bestechung funktioniert ja meistens, und so ergaunern sie sich den Zutritt mit einer Flasche Bier. Nur, dass darin kein Bier, sondern Wasser war. Diese Geschichte erzählte man sich anscheinend noch 100 Jahre später, wie man, einmal durch den Turm getreten, vom Polizeidiener Wilfried Zaremba erfuhr.
In der Schänke bei Wirtin Ursula Engelwurz
An der nächsten Station befanden sich die Gäste in prominenter Gesellschaft am Lechtor (Kasselturm) mit Martin Luther (Stefan Konrad) und seinem Mitbruder (Thomas Orbach) im Jahr 1512: In der Schänke bei Wirtin Ursula Engelwurz könnten die Augustiner-Mönche auf zwei Klosterschwestern (Barbara Rosenstetter und Christine Schweizer-Dacher) getroffen sein, deren Kloster aufgelöst worden ist. So jedenfalls stellte es sich Autorin Eleonore Fähling vor. Der als frauenfeindlich dargestellte Luther bringt die beiden Schwestern letztlich dazu, der Kirche den Rücken zu kehren. Und die Zeche prellen sie auch noch.
In der Fronfeste war der Kerker
Richtig dramatisch wurde es an der Fronfeste (Münztor), die früher den Kerker beherbergte: Dort saß im Jahr 1669 auch die Kindsmörderin Magdalena (Johanna Stets) ein, die auf ihre Hinrichtung durch den Henker (Stefan Meitinger) wartete. Den Tathergang erfuhren die Gäste aus dem Gespräch zwischen dem Richter (Michael Reith) und einer Bürgerin (Barbara Hoheisel-Wühr). Das Plädoyer übernahm eine „Gestalt“ (Angelika Engstle), das personifizierte Gewissen, und konfrontierte alle mit „Fragen, die nie jemand gestellt hat“. Diese Szene hatte sich Angela Dopfer-Werner erdacht.
Wunderheilung zum Schluss
Eine Wunderheilung war die letzte Geschichte beim Theaterspaziergang am Schlossplatz (Maxtor) im Jahre 1710: Ein schwerstkranker Bub (Valentin Kronmüller) und sein Bruder (Vinzent Ratajczak) waren mit ihrem Vater aus Ingenried zur Heilig-Kreuz-Kapelle gepilgert. „Die letzte Chance für den Buben“, erklärt der Vater (Thomas Henneke) der Klosterschwester und Tochter des Schongauer Künstlers Johann Pöllandt (Christa Zidek). Und prompt wacht der Junge wieder auf, und die Klosterschwester verspricht, eine Votivtafel zu malen, von denen noch heute zahlreiche in der ehemaligen Wallfahrts-Kapelle hängen. Diese zu Herzen gehende Geschichte hatte sich erneut Eleonore Fähling ausgedacht.
Starke schauspielerische Leistungen
Damit endete der unterhaltsame Theaterspaziergang, der vor allem durch die starke schauspielerische Leistung der Mitglieder des Lech-Theaters bestach. Gewandet in historisch originalgetreue Gewänder, auch wenn sich mal weiße Herzchen-Socken ins Kostüm eingeschlichen hatten, gaben sie alles, um den Gästen die Schongauer Geschichte nahezubringen.
„Farbenklang“ und „Saitenpfeifer“
Und das ist ihnen auch gelungen: Nach beinahe zwei Stunden durften dann alle Spaziergänger im Schlossgarten den schönen Klängen der Instrumentalgruppen „Saitenpfeifer“ und „Farbenklang“ lauschen und es sich an den wunderschön gedeckten Tafeln mit leckeren Häppchen von Max Diegruber und seinem Team gut gehen lassen.