Deutschlands Brücken bröckeln immer weiter und werden zur Todesfalle

Berlin traf es in den vergangenen Wochen gleich zweimal: Vollsperrung und Abriss von maroden Brücken inklusive wochenlanger Staus – im März die Ringbahnbrücke auf der A100, am 19. Mai die Brücke an der Wuhlheide. 

Doch das Chaos wütet mittlerweile bundesweit: auch in München, im Odenwald, auf Usedom, in Magdeburg, in Kalkar, in Hamburg. Bundesweit gibt es rund 28.000 Autobahn-Brücken. Die meisten sind 40 Jahre und älter. Und Tausende Brücken in Deutschland befinden sich in einem kritischen Zustand:

  • mehr als 8000 Autobahnbrücken und 3000 Bundesstraßenbrücken gelten nach Daten des Bundesverkehrsministeriums und der Umweltschutz-Organisation BUND als sanierungsbedürftig.
  • Besonders dringend saniert werden müssen laut Bundesrechnungshof etwa 5000 Autobahnbrücken.
  • Dazu kommen noch Tausende an alten Brücken der Kommunen oder auf Kreisstraßen.
  • Und die Bahnbrücken: Insgesamt betreibt die Deutsche Bahn rund 26.000 Eisenbahnbrücken. Das Durchschnittsalter liegt bei etwa 74 Jahren, wobei mehr als 11.000 Brücken älter als 100 Jahre sind.

Jeder Stau, jede Umleitung durch eine gesperrte Brücke verursacht immense Kosten. Laut ADAC, Bundesverkehrsministerium und Wirtschaftsforscher betragen die volkswirtschaftlichen Kosten für eine Stunde Stau pro Pkw etwa 30 Euro und pro Lkw etwa 100 Euro. 

Bei zehn Kilometer Stau auf einer zweispurigen Autobahn kommen in Summe pro Stunde etwa 200.000 Euro zusammen. Deutschlandweit türmt sich so durch Staus ein jährlicher Schaden in Milliarden-Höhe auf. Tendenz: steigend.

Brücken als Todesfallen: In Dresden war viel Glück im Spiel

Marode Brücken sind aber nicht nur ein finanzielles Problem, sondern gefährden unsere Sicherheit: Sie sind lebensgefährlich. Bislang hatte Deutschland noch Glück: Beim Einsturz der Carolabrücke in Dresden am 11. September 2024 kam glücklicherweise niemand ums Leben. 

Doch wenige Minuten vor dem Einsturz hatte noch eine Straßenbahn die Brücke überquert. Die Brücke stürzte um 2:58 Uhr ein, während die letzte Straßenbahn um 2:50 Uhr die Brücke passiert hatte. Die Carola-Brücke war 53 Jahre alt.

Welches Horror-Szenario droht, zeigt ein Beispiel aus Italien: Beim Einsturz der Morandi-Brücke in Genua am 14. August 2018 kamen 43 Menschen ums Leben. Die Katastrophe ereignete sich während eines starken Unwetters, als ein etwa 250 Meter langes Teilstück der vierspurigen Autobahnbrücke auf der A10 einstürzte. Dabei wurden 35 Autos und drei Lastwagen in die Tiefe gerissen. Die Brücke war damals 51 Jahre alt.

Fazit: Strukturelles Versagen bei Bund, Ländern und Kommunen

Über Jahrzehnte haben sich Bund, Länder und Kommunen vor der Instandhaltung ihrer Brücken gedrückt und das Haushaltsgeld der Steuerzahler anderweitig ausgegeben. Der Investitionsstau ist nun gigantisch – die von Union, SPD und Grünen im März beschlossene Schuldenaufnahme für Infrastruktur-Projekte ebenfalls.

Wer ein Haus baut, weiß, dass es mit dem Bau allein nicht getan ist. Wenn man es später seinen Kindern vererben will, muss man ein Haus laufend in Schuss halten. Dach, Fassade, Heizung, Rohre, Elektrik – all das will gepflegt, repariert und nach einigen Jahren erneuert werden. Dafür bildet man über die Zeit Rücklagen.

Bund, Länder und Kommunen haben sich alle als schlechte Bauherren erwiesen. Wartung und Instandhaltung älterer Brücken wurde über Jahrzehnte vernachlässigt. So kam es zu einem schleichenden Verfall der Bausubstanz.

Laut einer Studie der nicht-staatlichen Organisation Transport & Environment (T&E) müssten Bund, Länder und Kommunen etwa 100 Milliarden Euro in den Ersatzneubau von Brücken investieren. Und zwar sofort, wenn Deutschland demnächst nicht sein Genua erleben will.